Bettelnde Kinder als Geschäftsmodell einiger Roma-Clanchefs? In Wien ist eine heiße Debatte um eine Aussage des Sozialpädagogen Norbert Ceipek entstanden. Nun springt die Politik auf.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Das hätte man sich im Stadtrat-Büro wohl gerne erspart. Die Wogen nach dem STANDARD-Bericht über Rassismus-Vorwürfe von Gewerkschaftern und ein Sprechverbot für Norbert Ceipek, den Leiter der Wiener "Drehscheibe", gingen am Montag hoch.

Online wurde hart diskutiert, ob die Äußerungen des Sozialpädagogen im STANDARD-Interview über bestimmte Roma-Clanchefs, für die das Elend der Kinder ein "Geschäftsmodell" sei, als rassistisch einzustufen seien oder nicht - und ob und wie Probleme mit Minderheiten anzusprechen seien, wenn man nicht "rechte Reflexe" bedienen wolle. Auf diese Diskussion ist am Montag auch die Politik aufgesprungen.

Diskussion um freie Meinungsäußerung

Der Klubchef der Wiener FP, Johann Gudenus, empörte sich: "Wer die Wahrheit sagt, wird fertiggemacht." Die grüne Gemeinderätin Birgit Hebein äußerte hingegen Verständnis für den "Berufsgruppenausschuss der SozialarbeiterInnen", der Ceipeks Interview-Aussagen angeprangert hatte: Die Aussagen des "Drehscheibe"-Chefs seien "undifferenziert", und es gehe nicht an, dass über Armut und Kinderhandel nur im Zusammenhang mit der ethnischen Minderheit der Roma diskutiert werde. Hebein: "Reden wir ernsthaft über Kinderhandel, aber nicht grob vereinfachend."

VP-Abgeordnete Isabella Leeb wiederum ist "erschüttert", wie "die Freiheit der Meinungsäußerung in der MA 11 unter offensichtlich politisch motivierte Zensur gestellt wird". Es gehe nicht an, dass offensichtliche Probleme nicht angesprochen werden dürften, sondern "nur mehr ein verengter Meinungskorridor erwünscht" sei. Zudem sei dies keine interne Streiterei, sondern eine "Frage der Haltung, der politischen Kultur und eine Frage des Umgangs mit freier Meinungsäußerung". Der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch (SP) könne sich dieser Debatte nicht "salopp entziehen", sie werde im Gemeinderat eine mündliche Anfrage an ihn stellen.

Oxonitsch als Vermittler

Oxonitsch hat sich der Sache nun doch persönlich angenommen: Er bat die Streitparteien, Andreas Schadauer von den Unabhängigen Gewerkschaftern (er unterzeichnete federführend den öffentlichen Rassismus-Vorwurf) und Ceipek, zu sich und hoffte danach, "ein zartes Pflänzchen künftiger Verständigung" gesät zu haben. Das Pflänzchen ist wohl sehr zart, eine gemeinsame Erklärung gibt es nicht.

Aber, so Oxonitsch: "Ich habe gebeten, dass sich alle an ihren zentralen Auftrag erinnern, gemeinsam für das Kindeswohl zu arbeiten." Und er habe darauf hingewiesen, dass es "ein gewisses Ungleichgewicht" gebe, dass sich der Berufsgruppenausschuss immer äußern dürfe - während Ceipek den Dienstweg einzuhalten habe. Oxonitsch: "Ich hoffe, dass sich alle besinnen und zur Sachlichkeit zurückkehren." (Petra Stuiber, DER STANDARD, 14.5.2013)