Ein Mensch zu Lehrzwecken plastiniert.

Foto: Medizinische Universität Wien

Wer weder in einer Urne noch als Madenfutter enden will, hat die Chance, post mortem plastiniert zu werden - allerdings nicht zu privaten Zwecken. "Es ist nicht möglich, dass jemand kommt und sagt: Plastinieren Sie mir den Opa", sagt Mircea-Constantin Sora, Leiter des Fachbereichs Plastination am Zentrum für Anatomie und Zellbiologie in Wien.

Anstelle einer Bestattung hat in Österreich jeder die Möglichkeit, noch zu Lebzeiten einen Vertrag mit der Universität für Forschung und Lehre einzugehen. Damit wird der eigene Körper nach dem Ableben der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Ob der Leichnam am anatomischen Seziertisch oder als Plastinat Verwendung findet, ist mit dem Vermächtnisformular allerdings noch nicht fixiert.

Plastination ist mittlerweile ein bekannter Begriff. Gunther von Hagens hat ihn populär gemacht. Er hat das konservierende Verfahren 1977 in Heidelberg entwickelt und zur Kunst erklärt. Derzeit gibt das Naturhistorische Museum in Wien Einblicke in die menschliche Anatomie. 200 Exponate sollen im Rahmen der Ausstellung "Körperwelten & der Zyklus des Lebens" zur Reflexion über den eigenen Körper anregen.

Für die Wissenschaft

"Für mich ist Plastination nicht Kunst, sondern Wissenschaft", sagt Sora, der persönlich vor allem an den Posen der Ausstellungsobjekte von Hagens wenig Gefallen findet. Seit 20 Jahren ist Sora auf wissenschaftliche Fragestellungen im Rahmen der Plastination fokussiert.

Bemühungen den menschlichen Organismus zu konservieren, indem der Verwesungsprozess gestoppt wird,  gab es schon vor mehr als 2.000 Jahren. "Um Verwesung, also biologisches Recycling, zu verhindern, wurde nach Flüssigkeiten gesucht, die eine Vermehrung der Keime verhindern", sagt Sora. Alexander der Große beispielsweise soll nach seinem Tod in Honig konserviert  worden sein. Verschiedene Harze und ätherische Öle folgten, eine dauerhafte Konservierung ermöglichten diese Substanzen ebenfalls nicht. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Leichen ein Gemisch aus Alkohol und Arsen(III)-oxid in die Blutgefäße gespritzt, mit recht unterschiedlichem Erfolg. Den Durchbruch schaffte erst  Formaldehyd etwas später.

Innen drinnen

"Gunther von Hagens Idee war es, ältere Verfahren insofern zu verändern, dass das Konservierungsmedium nicht um, sondern im Präparat enthalten ist", sagt Sora. Das Prinzip der Plastination ist relativ einfach: Zuerst wird den Keimen die Lebensgrundlage entzogen, indem Wasser und Fett im jeweiligen Präparat durch Aceton, ersetzt werden. In einem zweiten Schritt wird das Aceton gegen flüssigen Kunststoff, beispielsweise Silikon, ausgetauscht.

Vollzogen wird dieser Austausch mit Hilfe der sogenannten Vakuum-Imprägnierung.  Das Präparat wird dazu in den Imprägnierungs-Behälter gelegt und eine Vakuumpumpe angeschlossen. "Aceton ist ein volatiles Medium. Das bedeutet ab einem gewissen Dampfdruck beginnt es vom flüssigen in den gasförmigen Zustand überzugehen", erklärt Sora. Die Vakuumpumpe saugt das gasförmige Aceton ab und das entstehende Volumendefizit bewirkt die anschließende Ansaugung von Silikon.

Dieser Austausch kann bei dünnen Körperschnitten Tage, bei großen Körperteilen sogar Wochen dauern. "Das Präparat ist fertig, nachdem es ausgehärtet wurde", ergänzt Sora.

Morphometrie betreiben

Im Wesentlichen fertigt Sora mit seinem Team 3D-Präparate und transparente Serienschnitte an. Völlig trocken und geruchsneutral geben diese detailgetreu anatomische Strukturen des menschlichen Organismus wieder.

Von den Objekten profitieren vor allem Studenten, Kliniker und in weiterer Folge auch Patienten.  So eignen sich die dreidimensionalen Plastinate beispielsweise hervorragend für den Anatomieunterricht. "Mit den Schnitten kann man Morphometrie betreiben, sprich Entfernungen für Zugangswege oder risikofreie Zonen für endoskopische Eingriffe messen", sagt Sora.

Die seriell hergestellten Scheiben dienen außerdem als Ergänzung zur Magnetresonanztomografie. Da das Bindegewebe durchsichtig ist, lassen sich Feinstrukturen wie Nerven, Arterien und Bänder wesentlich besser darstellen, was Körperscheiben auch als diagnostisches Hilfsmittel wertvoll macht. (Regina Walter, derStandard.at, 30.4.2013)