"Die Stiftung Leopold lässt zwar Kunstwerke versteigern, um Vergleiche finanzieren zu können, weigert sich aber weiterhin, in der NS-Zeit geraubte Kunst zu restituieren", schrieb Thomas Trenkler in der Einleitung seines ALBUM-Gesprächs mit Dieter Bockelmann, dessen Porträtserie "Zeichnen gegen das Vergessen" derzeit im Leopold-Museum zu sehen sind (STANDARD, 6. 4.).

Darf das Leopold-Museum ein Holocaust-Thema bearbeiten? - Im STANDARD-ALBUM wurde ein solches Unterfangen jüngst als Image-Politur bezeichnet. Zur Unterfütterung dieser These wurden ein paar alte Hadern aufgekocht, die so längst nicht mehr stimmen. Ich könnte nun mit Arnold Schönberg einfach antworten, dass man alles über mich sagen darf, solange man nur meinen Namen korrekt schreibt. Aber manches, was sachlich falsch ist, darf so nicht stehenbleiben. Dazu spielt das Leopold-Museum eine zu bedeutende Rolle im österreichischen und internationalen Kulturleben.

Die Ansicht, das Leopold-Museum würde seiner moralischen Verpflichtung nicht nachkommen, entbehrt jeder Grundlage. Es hat niemals an schändlichen Aktivitäten teilgenommen wie der Akquirierung jüdischen Eigentums zu Billigpreisen in der Nazizeit noch der Abpressung einzelner Stücke von emigrierten jüdischen Familien in der Nachkriegszeit, damit der Rest ausgeführt werden konnte. Im Gegenteil, ohne vom Gesetz her dazu gezwungen zu sein, denn es ist kein Bundesmuseum, unterzieht sich das Leopold-Museum freiwillig der moralischen Verpflichtung, in Fällen des Entzugs zu "fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Washingtoner Deklaration" von 1998 zu kommen. Dabei geht es davon aus, dass es zwei Parteien gibt, die moralischen Anspruch auf die gestohlenen Kunstobjekte haben: die Erben der ehemaligen Eigentümer und die Nachfolger des Sammlers und späteren Stifters Rudolf Leopold, der als Privater seine Sammlung ab den Fünfzigerjahren unter großen persönlichen Opfern legal erworben hat.

Daher bestehen faire und gerechte Lösungen nicht in der Rückgabe konkreter Werke, sondern neben Kommunikation und historischer Aufarbeitung in einer finanziellen Einigung, einem Vergleich, dessen Ratio nach Maßgabe des jeweiligen Falls zu bestimmen ist. Eine einseitige Rückgabe würde dagegen neues Unrecht mit bitterem Nachgeschmack erzeugen. Solche Vergleiche sind durchaus gleichbedeutend mit Restitution, wenn auch nicht mit Naturalrestitution. Sie finden auch international Anerkennung (artnews vom September 2012). Dass das Leopold-Museum also "nicht restituiere", ist eine undifferenzierte Betrachtungsweise und sachlich falsch. Wir streben Lösungen an, mit der beide Seiten gut leben können - Sachlichkeit und gegenseitige Anerkennung auf Augenhöhe vorausgesetzt.

Die IKG lässt dem Leopold-Museum gegenüber solchen Respekt jedoch vermissen. Nicht nur bezeichnet sie es, obwohl gerichtlich untersagt, noch immer als "Raubkunstmuseum", was einen jeglichen Sinn entbehrenden Affront darstellt. Auch verhindert die IKG jeden persönlichen Kontakt zu den Anspruchsstellern und so den direkten Austausch von Argumenten und damit letztlich das Aufeinander-Zugehen der wirklichen Betroffenen. Damit wird der aufrichtige Wunsch nach Versöhnung und Ausgleich auf ein rein finanzielles Interesse reduziert.

Grundlage der Vergleiche des Museums ist eine unabhängige Provenienzforschung, die vom BMUKK am Leopold-Museum durchgeführt und deren Ergebnisse auch veröffentlicht werden. Die Erforschung der Provenienzen geht daher nicht "zögerlich" vor sich, sondern zügig und planmäßig. Gemäß der Vereinbarung mit dem BMUKK wurden zuerst die wertvolleren Objekte erforscht. Abfolge und Zeitplan werden vom BMUKK erstellt, damit ist größtmögliche Objektivität gewährleistet.

Neuerdings scheint das Schicksal der Bilder Jehudo Epsteins Herrn Trenkler ein Anliegen zu sein. Wann die Epstein-Bilder von der unabhängigen Provenienzforschung bearbeitet werden, ist nicht Sache des Leopold-Museums, sondern Entscheidung des BMUKK. Dass die Erforschung der Schiele- und Klimt-Blätter Vorrang hatte, ist verständlich. Unabhängige Forscher hören nicht auf Zurufe, auch nicht aus den Medien. Damit sie in Ruhe und wirklich unabhängig forschen können, wäre es wünschenswert, dass in Medien nicht vorverurteilt wird.

Gesprächsblockaden

Von den über fünftausend Kunstobjekten in der Leopold-Museum-Privatstiftung wurden bisher zwölf als bedenklich eingestuft, von denen für sieben mittlerweile einvernehmliche Vergleichslösungen gefunden werden konnten.

Dass es bei den letzten fünf Blättern, dem Fall Karl Mayländer, hakt, ist unseren Verhandlungspartnern zuzuschreiben. Zum einen wollen sie nicht zugeben, dass es aufseiten der Stiftung einen moralischen Anspruch gibt. Zum anderen setzen sie im Vorfeld exorbitante Schätzwerte als Verhandlungsgrundlage an. Da ist es nicht weiter erstaunlich, dass die Gespräche bisher ergebnislos verliefen.

In dieser Situation alte Feindbilder aufzuwärmen, um öffentlichkeitswirksam Druck zu machen, ist nicht der Weg, um zum eigentlichen Ziel der Restitution zu gelangen: zu einem respektvollen Miteinander auf Basis gegenseitiger Anerkennung. (Diethard Leopold/DER STANDARD, 15. 4. 2013)