Bochum - An Multipler Sklerose (MS) leiden weltweit etwa zwei Millionen Menschen, Tendenz steigend. Bislang ist sie nicht heilbar, doch eine pharmakologisch modifizierte Form des Antikörpers Daclizumab, senkt die Wahrscheinlichkeit für einen MS-Schub um mehr als 50 Prozent. Dies hat eine große internationale Studie ergeben. 

621 Patienten, drei Testgruppen

Die Forscher in 76 Zentren untersuchten 621 Patienten zwischen 18 und 55 Jahren mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose. Die erste Gruppe erhielt alle vier Wochen eine 150 Milligramm Daclizumab, die zweite Gruppe 300 Milligramm Daclizumab, die dritte Gruppe ein Placebo injiziert.

Um den Erfolg der Therapie zu messen, werteten die Forscher die Anzahl der neuen MS-Schübe während der einjährigen Behandlungszeit aus. Außerdem untersuchten sie die Anzahl der Entzündungsherde in Hirn und Rückenmark mittels Magnetresonanztomografie und bewerteten den körperlichen und psychischen Zustand sowie die Lebensqualität. Als Sicherheitsmaßnahme wurden regelmäßig Blutuntersuchungen durchgeführt.

Vielversprechende Ergebnisse

Es zeigte sich, dass das Risiko für einen MS-Schub in der Gruppe, die 150 mg Daclizumab erhielt, um 57 Prozent geringer war als in der Placebo-Gruppe; bei den Patienten, die 300 mg Daclizumab erhielten, reduzierte sich das Risiko um 43 Prozent. Eine fortschreitende Behinderung durch die MS-Erkrankung trat in den beiden mit Daclizumab behandelten Gruppen ebenfalls um die Hälfte seltener auf als in der Placebo-Gruppe. Die Anzahl neuer Entzündungsherde in Hirn und Rückenmark sank durch die Daclizumab-Therapie um etwa 40 Prozent.

Unerwünschte Nebenwirkungen waren selten und betrafen hauptsächlich die Leberfunktion und Hautentzündungen. Insgesamt werten die Forscher die Ergebnisse der Studie als Erfolg: "Die Dosis von 150 Milligramm alle vier Wochen hat sich als viel versprechend für weitere Studien herausgestellt. Daclizumab könnte in Sachen Wirkmechanismus, Sicherheit und Verträglichkeit einer der dringend benötigten neuen Wirkstoffe zur Behandlung der Multiplen Sklerose werden."

Monoklonaler Antikörper

Daclizumab ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper, der auf das Immunsystem wirkt. Er blockiert den hochaffinen Rezeptor des entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin-2, von dem man annimmt, dass er bei der Multiplen Sklerose eine bedeutende Rolle spielt. Bei MS greift das körpereigene Immunsystem die Isolierschicht der Nervenzellen an und zerstört sie.

Das Antikörperpräparat Daclizumab HYP, das zur besseren Verträglichkeit im Vergleich zu früher verwendeten Varianten von Daclizumab zwar nicht in der Aminosäurensequenz, jedoch in der Anzahl der zusätzlichen Glykolysierungsgruppen verändert wurde, bindet die CD25-Untereinheit des Interleukin-2-Rezeptors. Indem das Medikament auf diese Weise diesen hochaffinen Rezeptor blockiert, greift es direkt in die Aktivierung und Regulation des Immunsystems ein.

"Unsere Daten weisen darauf hin, dass Daclizumab HYP auch unabhängig von der Schubrate in der Lage ist, das Fortschreiten der körperlichen Behinderung zu verzögern", sagt Untersuchungsleiter Ralf Gold. Auf dem Weg zu einer Zulassung von Daclizumab HYP als kommerzielles Präparat ist eine weitere Studie notwendig, die derzeit unter der Bezeichnung DECIDE den Antikörper mit Interferon-Beta vergleicht. (red, derStandard.at, 4.4.2013)