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Baustelle in Zypern, Baustelle am Bankensektor.

Foto: REUTERS/Bogdan Cristel

Nikosia – Zypern taumelt immer schneller dem Abgrund entgegen. Das Parlament der Mittelmeer-Insel lehnte am Dienstagabend die umstrittene Zwangsabgabe für Bankkunden ab, die Voraussetzung von Hilfszahlungen der europäischen Partner und des IWF in Höhe von zehn Milliarden Euro ist. 36 Abgeordnete stimmten gegen die Abgabe, 19 enthielten sich. Einer der 56 Volksvertreter war nicht anwesend. Auch die Regierungspartei des konservativen Präsidenten Nikos Anastasiades enthielt sich, obwohl sie der Zwangsabgabe in Brüssel zugestimmt hatte.

Das Scheitern des Vorhabens hatte sich bereits am frühen Nachmittag abgezeichnet, als Anastasiades sagte, das Parlament werde seine Pläne wohl nicht mittragen. "Weil sie denken, dass es ungerecht ist und gegen die Interessen Zyperns." Die Sitzung zu der Sonderabgabe, die an den Finanzmärkten als Tabubruch gewertet wird und Fortschritte in der Schuldenkrise zunichtemachen könnte, war mehrmals verschoben worden. Die hochnervösen Finanzmärkte blieben angesichts der unklaren Lage in Lauerstellung. Der Eurokurs rutschte gegen Abend wieder unter 1,29 Dollar. Die europäischen Börsen rangierten ebenfalls leicht im Minus.

Vor der Pleite

Der stellvertretende Chef der Regierungspartei von Präsident Nikos Anastasiades, Averof Neofytou, brachte vor der Abstimmung die düsteren Perspektiven Zyperns auf den Punkt: "Wir stehen kurz vor einer ungeordneten Pleite." Das Geld in der zypriotischen Staatskasse reicht nach früheren Regierungsangaben indes noch bis Mai.

Die Wirtschaft des Landes sprach angesichts der harten Auflagen aus Brüssel von einem "finanziellen Völkermord". Die zypriotischen Banken bleiben noch mindestens bis einschließlich Mittwoch geschlossen. Danach befürchtet die Notenbank einen Ansturm auf die Schalter.

Demonstrationen

Hunderte Demonstranten versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude und forderten die Ablehnung der Zwangsabgabe auf Bankeinlagen. Die Polizei sperrte das Parlamentsgebäude weiträumig ab. Ein Hubschrauber der Polizei kreiste über dem Stadtgebiet. Während der Debatte sagten mehrere Abgeordnete, es sei "eine Frage der Ehre, Nein zu sagen". Draußen vor dem Parlament skandierten derweil Demonstranten: "Wir werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden." Sie jubelten, nachdem sie erfuhren, wie die Abstimmung ausging, hieß es in der "ZiB 1" des ORF.

Empörte EU-Diplomaten

Hochrangige Diplomaten aus der Eurozone zeigten sich empört und pochten am Dienstag erneut darauf, dass Zypern seinen zugesagten Beitrag zum Rettungspaket leistet. "Wenn sich Nikosia nicht an die Abmachung hält, wird es keine Hilfe geben oder aber wir müssen über eine völlig neue Lösung verhandeln. Und dazu fehlt uns die Zeit", so ein Diplomat zum Standard. In welcher Form Zypern seinen Beitrag leiste – also wie sie die 5,8 Milliarden zusammenbekommen – bleibe den Zyprioten überlassen.

Ein Rettungsanker könnte Russland sein, dessen Bürger in großer Zahl Bankkonten auf Zypern unterhalten. Finanzminister Michael Sarris ist am Mittwoch laut staatlichem zypriotischem Radio nach Moskau gereist, um sich dort nach Geldquellen umzusehen. Am Dienstagabend dementierte er Berichte über seinen Rücktritt, die an den Finanzmärkten für zusätzliche Unruhe gesorgt hatten.

Präsident Nikos Anastasiades hatte unter dem Druck massiver Proteste die einmalige Zwangsabgabe für Bankkunden bereits abgeschwächt. Das veränderte Gesetz sollte nunmehr Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen. Dies hätte aber voraussichtlich bedeutet, dass das Land aus der Abgabe nicht wie geplant 5,8 Milliarden Euro lukrieren kann. Dies hatte die Eurogruppe aber zur Voraussetzung für Änderungen an dem Rettungspaket gemacht. Die Euroländer hatten Zypern am Wochenende bis zu 10 Milliarden Euro zugesagt, wenn das Land selbst den vereinbarten Beitrag leistet. (APA/Reuters/szi/bern, derStandard.at/DER STANDARD, 19.3.2013)