Bild nicht mehr verfügbar.

Großdemonstration in der kurdischen Metropole Diyarbakir.

Foto: AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Prokurdische Demonstranten feiern den möglichen Friedensschluss.

Foto: REUTERS/Umit Bektas/Files

Der inhaftierte Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, hat türkischen Berichten zufolge die PKK zu einer Waffenruhe aufgerufen. Deren Kämpfer sollten sich zudem aus der Türkei zurückziehen, hieß es laut einer in Diyarbakir vor hunderttausenden Menschen in kurdischer Sprache verlesenen Erklärung Öcalans, aus der türkische Medien am Donnerstag zitierten.

Die türkische Regierung hat den Aufruf zu einer Waffenruhe und zum Abzug von PKK-Kämpfern begrüßt und sieht darin eine positive Entwicklung. Ankara werde seine militärischen Operationen einstellen, wenn die PKK das auch tue.

Laut der verlesenen Erklärung fordert Öcalan neben dem Waffenstillstand auch eine politische Lösung des Konflikts. Nach dem bewaffneten Kampf öffne sich nun eine Tür für den demokratischen Prozess. Es sei für die PKK-Kämpfer "Zeit, die Waffen schweigen zu lassen" und die Türkei zu verlassen.

Entwaffnung ohne Zeitverzug

Die Botschaft des auf einer Insel im Marmarameer inhaftierten Öcalan wurde von Politikern der Kurdenpartei BDP verlesen. Öcalan hatte zu Wochenbeginn bereits erklären lassen, dass er eine Lösung für eine Entwaffnung ohne Zeitverzug anbieten wolle. Sein Vorschlag werde auf die militärischen und politischen Aspekte einer Lösung der Kurdenfrage eingehen. "Unser Ziel ist eine Demokratisierung auf dem Gebiet der ganzen Türkei", war Öcalan zitiert worden.

Mit Fahnen und Plakaten warteten die Menschen am Donnerstag in Diyarbakir auf den von Öcalan angekündigten Aufruf, wie kurdische und türkische Medien berichteten. Fernsehbilder zeigten ein Meer von Menschen und Fahnen. "Freiheit für Öcalan, Status für Kurdistan", laute das Motto der Feiern zum Neujahrsfest Newroz.

PKK-Kämpfer lassen verschleppte Türken frei

Die PKK hatte in der vergangenen Woche im Nordirak bereits acht verschleppte Türken freigelassen. Dies galt als vertrauensbildende Maßnahme, die die Weichen für eine Friedenslösung stellen soll. Die PKK wird von der Türkei, der EU und den USA derzeit als Terrororganisation eingestuft. Sie kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für Unabhängigkeit oder größere Autonomie der Kurdengebiete in der Türkei. Kurdische Organisationen beklagen eine systematische Diskriminierung ihrer Volksgruppe durch den türkischen Staat. In dem Konflikt wurden seit 1984 mehr als 40.000 Menschen getötet.

Mehr Rechte

Ein Gewaltverzicht der PKK soll Berichten zufolge mit der verfassungsrechtlich verankerten Garantie der politischen und sozialen Rechte der Kurden belohnt werden. Genaue Inhalte der Gespräche zwischen Öcalan und der Regierung sind aber noch nicht bekannt. Im Zuge der EU-Beitrittsgespräche gab die Türkei den Kurden mehr kulturelle Rechte, Zugeständnisse für mehr Autonomie blieben aber aus. Der Kurdenkonflikt und seine politischen Folgen gelten als ein Haupthindernis für Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU.

Der Nordirak gilt als PKK-Rückzugsgebiet, die Organisation unterhält dort mehrere Lager. Mehrfach griff die türkische Armee dort Stellungen der PKK an. Seit dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins können die irakischen Kurden ihre Angelegenheiten in einem autonomen Gebiet weitgehend selbst regeln. Die türkische Regierung befürchtet, dass die PKK den Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien nutzt, um sich dort in Kurdengebieten weitere Rückzugsräume zu sichern.

Zur Entschärfung des Konflikts hatte die türkische Regierung im Dezember Verhandlungen mit dem seit 1999 inhaftierten Öcalan aufgenommen. Die Bemühungen erlitten im Jänner durch die Ermordung dreier kurdischer Aktivistinnen in Paris einen Rückschlag. Mit seinem Aufruf verstärkte Öcalan nun wieder die Hoffnung auf eine Friedenslösung.

Syrien-Krieg erzeugt Unruhe

Während sich die Kurden in Syrien im Zuge des Bürgerkriegs Hoffnungen auf größere Autonomie machen, hat der Syrien-Krieg vor allem in der Türkei für Unruhe gesorgt. Im Irak, wo die Kurden die größte regionale Autonomie genießen, werden neue Konflikte befürchtet.

Insgesamt leben rund 20 bis 30 Millionen Kurden verstreut in der Türkei, in Syrien, im Irak und dem Iran. Bewegungen der Minderheiten kämpfen in diesen Ländern seit Jahren für mehr Autonomie. Der Traum von einem vereinten Kurdistan scheint auf jeden Fall in weiter Ferne. (APA/red, derStandard.at, 21.3.2013)