Die Information zur Wiener Volksbefragung hat der Stadt Wien 3,9 Millionen Euro gekostet. Für Vassilakou ist es die Pflicht der Politik, die Bevölkerung inhaltlich zu informieren.

Foto: derStandard.at/Bianca Blei

Für Vassilakou ist das Thema Olympia-Bewerbung vom Tisch.

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Laut Vassilakou müssen den Bürgern in Zukunft andere Möglichkeiten gegeben werden, sich umfassend zu Wort melden zu können.

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Unmittelbar nach der Verkündung der Ergebnisse der Wiener Volksbefragung stellte sich Maria Vassilakou den Fragen von derStandard.at.

Die Wiener Vizebürgermeisterin spricht über die begrenzten Möglichkeiten einer Volksbefragung, Suggestivfragen und dass sie das Thema Parkpickerl mit Ende des Jahres abschließen will.

derStandard.at: Ex-Bürgermeister Helmut Zilk ließ 1991 eine Volksbefragung zum Thema "Expo-Bewerbung 1995" durchführen. Er meinte damals, dass eine Beteiligung von unter 30 Prozent für ihn zu wenig wäre und die Befragung in dem Fall keine Gültigkeit hätte. Wie repräsentativ ist die jetztige Befragung mit 29,5 Prozent für Sie?

Vassilakou: In Hinblick darauf, dass die Beteiligung bei Volksbefragungen in Wien traditionell um die 30 Prozent liegt, ist sie für mich nicht überraschend. Sie ist im Rahmen der gewöhnlichen Beteiligungsergebnisse und zur Kenntnis zu nehmen.

derStandard.at: Sie haben bei der Präsentation gesagt, dass keine der Fragen die Menschen seit Monaten bewegte. Dabei hat doch die Parkpickerlfrage im Vorfeld sehr polarisiert. Hätten Sie nicht erwartet, dass mehr Leute bei diesem Thema mitstimmen?

Vassilakou: Die Parkpickerlfrage hatte tatsächlich das Potential zu polarisieren. Allerdings nicht in der vorgelegten Fassung. Ich will in Erinnerung rufen, dass die Frage nur in dieser Version verfassungskonform war. Hätte man die Frage "Wollen Sie die Parkraumbewirtschaftung?" stellen dürfen, gehe ich davon aus, dass wir völlig andere Beteiligungswerte erzielt hätten.

derStandard.at: Sie haben immer ein Gesamtkonzept für das Parkpickerl vertreten. Sehen Sie das vorliegende Ergebnis als Niederlage?

Vassilakou: Nein. Politik ist kein Fußballmatch, es geht nur selten um Gewinner und Verlierer. Ich habe von Anfang an empfohlen, für Variante A zu stimmen, weil sie uns die Möglichkeit gegeben hätte, ein zusammenhängendes Konzept zu entwickeln. Das hätte den Vorwurf eines Fleckerlteppichs und von Verdrängungseffekten entkräftet. Wenn die Bevölkerung das nicht so sieht, ist es ein klarer Auftrag und bedeutet, dass die Handhabung des Parkpickerls so bleibt wie bisher.

derStandard.at: Trotz der Volksbefragung soll eine Expertenkommission bis zum Sommer ein alternatives Konzept bzw. eine Adaptierung des Parkraumbewirtschaftungsmodells erarbeiten. Das sei kein Widerspruch, sagten Sie, da bei der Befragung nur die Zuständigkeit und nicht das Modell abgefragt wurde. Haben die Bürger das verstanden und wurde das auch ausreichend kommuniziert?

Vassilakou: Ich glaube, die Bürger haben sehr wohl verstanden, dass es um die Zuständigkeitsfrage geht. Anders ist es auch nicht zu interpretieren, wenn man sieht, dass jene Bezirke, die das Parkpickerl haben, überwiegend für Variante A gestimmt haben und die, die es nicht haben, überwiegend für Variante B.

Selbstverständlich stand aber für viele Bürger die Frage, ob sie das Parkpickerl haben wollen, im Vordergrund. Es ist wenig überraschend,  dass die Bürgerinnen in den Bezirken ohne Parkpickerl durch die Abstimmung zum Ausdruck gebracht haben, dass sie das Pickerl nicht wollen.

derStandard.at: Das heißt, dass ein flächendeckendes Parkpickerl noch immer theoretisch möglich wäre. Vorausgesetzt die Kommission schlägt diese Variante vor und die Bezirke würden sich bis Ende 2013 dafür entscheiden?

Vassilakou: Es ist zu früh, um solche Spekulationen anzustellen. Zudem wissen wir nicht, was die Kommission vorschlagen wird und schon gar nicht, ob es die Bezirke attraktiv finden werden.

Klar ist, bis Ende 2013 können sich die Bezirke noch entscheiden, ob sie die Parkraumbewirtschaftung wünschen. Danach wollen wir auf alle Fälle mit diesem Thema abschließen und es wird auch bis zur nächsten Wahl 2014 keine Ausweitung mehr geben.

derStandard.at: Sie haben auch erwähnt, dass sich Bezirke dagegen entscheiden und sogar wieder aus dem Konzept aussteigen können. Halten Sie es für möglich, dass es sich manche Bezirke wieder anders überlegen, nachdem das neue Modell vorgestellt wurde?

Vassilakou: Ich bin nicht bereit, herumzuorakeln. Das Ergebnis bedeutet nichts anderes, als dass die Zuständigkeit, die bisher bei den Bezirken war, auch weiterhin bei ihnen bleibt.

derStandard.at: Bei der Frage zur Parkraumbewirtschaftung gab es die meisten ungültigen Stimmen (13 Prozent). Bürgermeister Michael Häupl hat glaubt nicht, dass das an Boykottaufrufen anderer Parteien liegt. Wie sehen Sie das?

Vassilakou: Die durchschnittliche Beteiligung und die Tatsache, dass der Anteil der ungültigen Stimmen bei der Parkpickerlfrage bei 13 Prozent lag, zeigt, dass die Mobilisierungskraft derjenigen endenwollend ist, die Boykottaufrufe gestartet haben. Das ist gut so, denn das beweist, dass die Wienerinnen die Instrumente der direkten Demokratie schätzen, davon auch Gebrauch machen und es für die Parteien besser ist, inhaltlich eine Empfehlung abzugeben.

derStandard.at: Es gab vor der Befragung Gerüchte, dass auch der autofreie Ring Thema der Befragung sein soll. Stimmt das?

Vassilakou: Nein. Es ist auf alle Fälle ein Thema, das sich im Grünen Programm wiederfindet und das wir befürworten. Aber es steht nicht im im rot-grünen Koalitionsabkommen und ich hätte daher nicht gewusst, warum das abgefragt werden soll.

derStandard.at: Sie haben immer wieder eine Obergrenze bei Mietpreisen gefordert. Laut Berichten hätte das eine mögliche Frage sein sollen. Gerüchten zufolge soll allerdings Wohnbaustadtrat Michael Ludwig dagegen interveniert haben.

Vassilakou: Gerüchte gibt es viele. Fakt ist, dass ich vorgeschlagen habe, das Mietrecht Teil der Volksbefragung werden zu lassen. Die SPÖ wollte sich diesem Vorschlag nicht anschließen, auch weil es ein Bundesthema ist. Sie wollte sich auf Themen beschränken, die im unmittelbaren Kompetenzbereich der Stadt Wien liegen.

derStandard.at: Aber wie kam dann die Olympiafrage in die Volksbefragung, wenn doch die Kompetenz beim Österreichischen Olympischen Komitee liegt?

Vassilakou: Weil es in so einem Fall Aufgabe der Stadt wäre, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, um eine Olympiawerbung zu finanzieren. Darüber hinaus wäre es ein immenser organisatorischer Aufwand für die Stadt das zu Wege zu bringen. Da macht es sehr wohl Sinn, die Bevölkerung davor zu befragen.

derStandard.at: Es wurde nur das Datum 2028 abgefragt. Schließen Sie aus, dass künftige Olympiabewerbungen nächstes Jahr abgefragt werden?

Vassilakou: Ich gehe davon aus, dass das Thema Olympiabewerbung damit auf weiteres vom Tisch ist. Wie lange weiß ich nicht, ich will künftigen Generationen nicht vorgreifen.

derStandard.at: Die Grünen haben bei der Wiener Volksbefragung 2010 die Nachfrist bei der Briefwahl kritisiert. Jetzt gibt es diese allerdings wieder. Wieso hat man sich nicht dafür eingesetzt, dass sie noch vor der Befragung abgeschafft wird?

Vassilakou: Die Verhandlungen über die Wiener Wahlordnung und alles, was damit zusammenhängt, laufen noch. Bis sie abgeschlossen sind, haben Volksbefragungen nach dem jetzigen Status quo stattzufinden.

derStandard.at: Das heißt aber, dass Sie den Status Quo kritisch sehen, da es noch immer möglich ist, taktisch zu wählen.

Vassilakou: An der Kritik der Grünen hat sich nichts geändert. Ich will aber darauf verweisen, dass das und vieles andere im Bereich der direkten Demokratie und Wahlen weiterhin Gegenstand von Verhandlungen ist.

derStandard.at: Die Wiener Grünen haben sich bewusst dagegen entschieden, für die Volksbefragung Werbung zu machen. Trotzdem hat die Information der Stadt Wien 3,9 Millionen Euro gekostet. Muss man eine Befragung überhaupt bewerben? Reicht es nicht aus, wenn die Kuverts mit Information in den Haushalten ankommen?

Vassilakou: Selbstverständlich muss man eine Volksbefragung bewerben. Darüber hinaus hat man die Pflicht, die Bevölkerung inhaltlich zu informieren. Sonst würde man der Politik zu Recht den Vorwurf machen, dass sie eine Befragung macht und der Bevölkerung keine Grundlage bietet, eine Entscheidung treffen zu können. Es ist zentral für die Demokratie, dass es weder an die Parteien noch an die Medien delegiert werden kann, Bürger zu informieren.

derStandard.at: Haben Sie das Gefühl, dass das ausreichend im Vorfeld passiert ist?

Vassilakou: Es hat ausreichend Information gegeben. Aus meiner Sicht belegt das Ergebnis, dass die Fragen verstanden wurden. Diejenigen, die mit der Fragenauswahl nicht einverstanden sind oder sich inhaltlich zu diesen Fragen nicht äußern wollen, neigen dazu, Stellvertreterdebatten zu führen. Sie diskutieren darüber, ob die Fragen verständlich sind und die Bevölkerung ausreichend informiert wurde. Fakt ist, dass es die ÖVP und die FPÖ mit diesen Debatten geschafft haben, uns bis heute nicht wissen zu lassen, ob sie für oder gegen eine Olympia-Bewerbung waren.

derStandard.at: Der Sozialpsychologe Arnd Florack hat im Gespräch mit derStandard.at kritisiert, dass bei einer Abstimmung nur mit Ja oder Nein geantwortet werden kann. Die Bürger haben so keine Möglichkeit einen Kommentar abzugeben, wieso sie etwas gut finden oder nicht.

Vassilakou: Ich gebe ihm Recht. Das Problem ist, dass unsere Verfassung es vorsieht, dass die Fragen mit einem Ja oder Nein beantwortbar sein müssen. Es ist allerdings dringend an der Zeit, unsere Bestimmungen in diesem Bereich zu modernisieren und zu erweitern. Wir müssen den Bürgern andere Möglichkeit geben, sich umfassender zu Wort melden. Das hat nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Gesellschaft mehr Wert, dass nicht ununterbrochen Gewinner und Verlierer durch Ja-Nein-Befragungen produziert werden. Es geht darum, die Instrumente der direkten Demokratie zu nutzen, um Kompromisse zu erarbeiten.

derStandard.at: Die Frage zur Privatisierung wird von Kritikern als emotional und suggestiv formuliert bezeichnet. In der Schweiz überprüft eine Kommission die Fragestellungen, um solche Formulierungen zu verhindern. Warum gibt es das in Wien nicht?

Vassilakou: Alle vier Fragen wurden geprüft und für verfassungskonform befunden. Ich sehe aber schon, dass die Frage zu den Privatisierungen als einzige eine Haltung transportiert. Das ist der Beleg dafür, wie stark die Haltung der Regierung in dieser Frage ist. Ich glaube aber nicht, dass sich ein Bürger in seiner eigenen Entscheidungsfindung davon beeinflussen lässt. Es ist sicher besser, wenn es gelingt, die Fragen haltungsneutral zu formulieren. Deswegen haben wir dieses Mal auch auf die erläuternden Texte im Vorfeld verzichtet, die es beispielsweise bei der vergangenen Volksbefragung gegeben hat.

derStandard.at: Was haben Sie aus dieser Volksbefragung gelernt?

Vassilakou: Ich habe - wie schon 2010 - gelernt, dass es der Bevölkerung wichtig ist, in regelmäßigen Abständen zu Wort zu kommen. Es ist ein Auftrag, weiterhin auf das Instrument Volksbefragungen zu setzen.

derStandard.at: Was ist für Sie der Sinn einer Volksbefragung?

Vassilakou: Volksbefragungen sollten vorwiegend bei Fragen eingesetzt werden, die innerhalb der Regierung zu einer Patt-Stellung führen, sodass die Regierung selbst keine Entscheidung treffen kann und daher die Frage an die Bevölkerung delegiert. Beziehungsweise sollte sie bei Fragen über Themen eingesetzt werden, die eine große Auswirkung auf die Stadt und das Leben der Bürger haben. (Bianca Blei, Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 12.3.2013)