In Mann-Filialen, die alle vorgegebenen Ziele erreichen, bekommen alle Mitarbeiter grundsätzlich 117 Euro zusätzlich. Der Filialmanager kann aber auch anders entscheiden.

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Wien – Für die Ärzte war der Jänner ein guter Monat. Rund 10.000 Neuerkrankungen an Fluenza und grippalen Infekten wurden pro Woche allein in Wien verzeichnet. Die Krankenstandstage schießen nach oben. Bei der Bäckereikette Mann sorgt diese Jahreszeit aber bei so manchem Mitarbeiter für Kopfzerbrechen.

Grund ist ein Prämienmodell, das im Krankheitsfall zu Einkommenseinbußen führen kann. Vom Prinzip her funktioniert es so: Erreicht eine Filiale ihre Vorgaben – etwa bei Umsatz und Kundenorientierung –, bekommt jeder der Filialmitarbeiter 117 Euro zusätzlich zu seinem Gehalt. Allerdings: Fällt jemand krankheitsbedingt aus, kann der Filialmanager entscheiden, ob die Prämie anteilsmäßig gestrichen wird.

Mann-Vertriebschef Christian Reichinger bestätigt und verteidigt das Modell. "Es liegt im Ermessen des Filialleiters, zu entscheiden, ob der Mitarbeiter das Team im Stich gelassen hat", sagte er am Freitag zum Standard. Wenn es sich tatsächlich um einen Krankheitsfall handle, werde die Prämie in der Regel sehr wohl ausbezahlt. Gleichzeitig fallen Reichinger aber auch Gründe ein, die gegen die Ausbezahlung sprechen können: "Es wäre jenen Mitarbeitern gegenüber unfair, die immer anwesend waren."

Arbeiterkammer ortet "Unverfrorenheit"

Bei der Arbeiterkammer schrillen jedenfalls die Alarmglocken. Arbeitsrechtsexperte Günter Köstelbauer spricht von einer "Unverfrorenheit". Er hält das Modell für "gesetz- und sittenwidrig".

Eine klare Rechtswidrigkeit ortet auch der Arbeitsrechtler Jens Winter von der Anwaltskanzlei Reich-Rohrwig Hainz. Er spricht im Gespräch mit dem Standard  von einer "Umgehung der zwingenden Entgeltfortzahlung". Winter: "Es ist ständige Rechtsprechung, dass im Krankenstand all das weiterzuzahlen ist, was der Dienstnehmer regelmäßig bekommt." Davon seien auch Leistungen wie Prämien umfasst.

Es liege nicht im Ermessen des Arbeitgebers zu entscheiden, ob ein Krankenstand gerechtfertigt ist oder nicht. "Wenn ein Arzt sagt, der Mitarbeiter ist krank, dann ist er krank. Da kann der Arbeitgeber nicht hergehen und sagen: Das ist ein Tachinierer, der kriegt die Prämie nicht, wenn er krank ist."

Motivationsfördernd

Reichinger argumentiert, Mann setze auf ein motivationsförderndes Gehaltssystem für seine rund 800 Mitarbeiter (550 davon im Vertrieb). Entschieden dementiert er, dass Mitarbeiter auch angehalten werden, Urlaubstage im Krankheitsfall zu konsumieren. "Das darf nicht sein." Warum dann einzelne Mitarbeiter anderes berichten? "Ich kann nicht ausschließen, dass ein Filialmanager etwas falsch aufgefasst oder falsch erzählt bekommen hat." In einem Familienbetrieb wie Mann werde das "aber absolut nicht geduldet".

Wie berichtet beklagt die Gewerkschaft seit längerem die Arbeitsbedingungen bei Ketten wie Mann oder Ströck. Gewerkschafter Erwin Kinslechner appelliert an die Mitarbeiter, sich bei Problemen zu melden. De facto komme das aber selten vor, da weder Mann noch Ströck einen Betriebsrat haben. Reichinger dazu: Bei Mann habe sich noch nie jemand darüber beschwert. Es gebe gewählte Vertrauensleute – "aber nicht unter dem Deckmantel der Gewerkschaft". Er habe jedenfalls nichts gegen einen Betriebsrat: "Aber wir wollen auch keinen Druck ausüben, einen zu wählen." (Günther Oswald, DER STANDARD; 9.2.2013)