Fanni hat in Daniel Hoesls "Soldate Jeanette" neuen Halsschmuck im Visier. 

Foto: Filmfestival Rotterdam

Giuliana sagt, die Seele könne man sich als einen Ort voller geschlossener Türen vorstellen. Man müsse diese vorsichtig öffnen. Das, was dahinter liegt, kann man womöglich nur mit wenigen teilen. Giuliana ist Akteurin in Fata Morgana, dem jüngsten Film des Wiener Filmemachers Peter Schreiner, der in Rotterdam Weltpremiere hatte. In Schreiners Bellavista hat Giuliana Pachner ihre Lebensgeschichte erzählt, diesmal tritt sie als Darstellerin auf. Christian Schmidt - den man aus Filmen von Niki List kennt - ist ihr kongenialer Partner. Die beiden performen vor und mit der Kamera einen intimen Paartanz.

Gespräche kreisen um Existenzielles, Einsamkeit, Alter, den Tod. Das Schwere schließt aber die Komik nicht aus. In einem desolaten Anwesen in der Lausitz liegen die zwei wie müde Tiere in der Sonne, Schmidt macht ein Löwengesicht. An anderen Stellen fühlt man sich ans absurde Theater erinnert, und vielleicht erzählt Fata Morgana doch eine Liebesgeschichte.

Die meist in Großaufnahmen gehaltenen, ungewöhnlich kadrierten Studien der Textur von Haut und (graumelierten) Haaren, von Gemäuer und Natur, und die Spannung, die hier im Spiel mit den Bildebenen entsteht, erzeugen eine Intensität, die im Kino selten ist.

Lila will Sex

Wenn die 14-jährige Lila von großen Gefühlen spricht, von der Liebe zwischen ihrer besten Freundin und deren Freund, die ewig halten möge, dann findet ihr Papa das zum Lachen. Für Lila ist das Thema deswegen nicht weniger brennend. Ihre Sehnsucht ist allerdings weniger romantisch als ganz unmittelbar physisch: Ihr Blick hängt an Sam, seinen behaarten Beinen, seinem nackten Oberkörper, den Tattoos. Es ist Sommer, und Lila will Sex.

Die junge Amerikanerin Eliza Hittman erzählt von diesem Begehren, indem sie Blicken folgt, Körper, Gesten und Posen zwischen Coolness und schlecht verborgener Unsicherheit festhält. It Felt Like Love, im Wettbewerb nominiert, erinnert in seiner Sensibilität für jugendliche Lebenswelten an Larry Clarks Kids - jedoch ohne wie dieser Erwachsenenvoyeurismus zu bedienen.

Lila weiß, was sie will, aber nicht, wie sie es bekommen kann. Fanni hat dagegen kein konkretes Ziel. Aber sie findet immer einen (nicht ganz legalen) Weg, um die nächste Hürde zu nehmen. Die gewissermaßen milieugeschädigte, großbürgerliche Mittvierzigerin Fanni, der Johanna Orsini-Rosenberg einen ganz speziellen, träge-gewitzten Habitus verleiht, ist die Protagonistin von Daniel Hoesls Soldate Jeannette.

Das Langfilmdebüt des Österreichers ist ohne die Förderinstitutionen entstanden und hat es nach dem Sundance-Film Festival (wie It Felt Like Love) nun auch gleich in den Wettbewerb von Rotterdam geschafft. Soldate Jeannette erzählt eine kecke Selbstneuerfindungsgeschichte, die aus Wien in die ländliche Einschicht führt. Das geht nicht in jedem Dialog und jeder Szene auf, aber es bleibt kurzweilig, mit verblüffenden visuellen Einfällen des Kameramannes Gerald Kerkletz. (Isabella Reicher aus Rotterdam, DER STANDARD, 28.1.2013)