Stephan Greger: "Der Fall Salzburg ist mit anderen Fällen nicht zu vergleichen, hier gab es offenbar schwere Versäumnisse. Die Dimension ist auch im Vergleich zu deutschen Kommunen sehr groß."

Foto: Kanzlei Dr. Greger

Stephan Greger ist mit seiner deutschen Anwaltskanzlei auf die Aufarbeitung von Hochrisiko-Geschäften spezialisiert. Er vertritt eine Vielzahl geschädigter Unternehmen und Kommunen gegen verschiedene Banken in Deutschland und Österreich. Im Gespräch mit derStandard.at gibt er eine Einschätzung des Salzburger Skandals und schlägt vor, wie man sich effektiv gegen derartige Spekulationsverluste absichern kann.

derStandard.at: Wie bewerten Sie die Salzburger Spekulationsaffäre?

Greger: Generell kann ich sagen, dass viele Kommunen in Deutschland wie auch in Österreich Finanzierungsbedarf hatten. Die Banken haben dann begonnen, den Kommunen neben dem klassischen Darlehen auch Swap-Geschäfte anzubieten. Diese Bankprodukte und insbesondere deren Risiken wurden von vielen Bankberatern verharmlosend dargestellt oder es wurden die Risiken bewusst verschwiegen.

Die meisten Kommunen mussten das so verstehen, dass sie dadurch etwas weniger Kreditzinsen zahlen. Tatsächlich wurden sie oft in ein weltweit agierendes Kasino vermittelt. Auch aus den unserer Kanzlei vorliegenden schriftlichen Präsentationsunterlagen lassen sich diese Risken nicht entnehmen.

Am Anfang liefen diese Geschäfte meist gut für die jeweilige Kommune, und das verlockte natürlich zu immer neuen Geschäften, die die Banken auch bereitwillig anboten. So ist es auch zu erklären, dass viele Geschädigte eine Vielzahl von Swap-Geschäften laufen hatten, hinter denen im Übrigen eine noch größere Zahl an Einzeloptionen steht.

derStandard.at: Handelt es sich bei Salzburg im Vergleich zu deutschen und anderen österreichischen Fällen um einen besonders großen Brocken?

Greger: Der Fall Salzburg ist mit anderen Fällen in Deutschland und Österreich nicht zu vergleichen, hier gab es offenbar schwere Versäumnisse im Controlling und im Berichtswesen. Die mutmaßliche Dimension - soweit sie jetzt bekannt ist - ist in Salzburg auch im Vergleich zu deutschen Kommunen sehr groß. Offensichtlich wurden hier besonders viele und enorm riskante Geschäfte eingegangen.

derStandard.at: Wer trägt aus Ihrer Erfahrung in den meisten Fällen Schuld daran, dass es zu Verlusten über hochriskante Spekulationsgeschäfte auf Landes- oder Gemeindeebene kommt?

Greger: Schuldhaft handelt zunächst einmal derjenige, der diese Finanzprodukte entwickelt, konzipiert und vertreibt, obwohl er die Risiken kennt oder zumindest kennen müsste. Die beratende Bank muss gerade über die Möglichkeit des Eintritts derartiger Verluste dezidiert und unmissverständlich aufklären; genau das ist aber in den allermeisten Fällen nicht erfolgt. Im Gegenteil: Die Risiken wurden verharmlost.

Man darf auch nicht übersehen, dass im Geschäft mit Kommunen gegebenenfalls strengere Vertragsregeln auch für die Banken gelten. Die Banken sind auch verpflichtet, sich darüber zu informieren, was einer konkreten Kommune etwa auf Basis ihrer Gemeinderatsbeschlüsse überhaupt erlaubt ist - und ob die angebotenen Geschäfte in diesen Rahmen fallen. Meistens war das ja nicht der Fall. Da hätten sich die Banken besser erkundigen müssen - offenbar wollten viele das aber gar nicht wissen.

Andererseits wäre eine gewisse Skepsis aufseiten der Kommune oder des Landes schon angebracht gewesen. Ein kritisches Hinterfragen der Geschäfte ist wohl vielfach nicht erfolgt.

derStandard.at: Die Kommunen vertrauen den Banken zu stark?

Greger: Banken gehören Aktionären und Investoren und sind ein Geschäftsmodell, das auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist und in erster Linie eigene Interessen verfolgt. Wir haben es hier nicht mit Wohltätern zu tun.

Führt man sich dies ständig vor Augen und verlässt sich nicht auf die schönen Worte der netten Herren in den dunklen Anzügen, kann man hohe Verluste vermeiden. Die Banken hatten ein großes Interesse, diese Geschäfte zu verkaufen, denn die Gewinne daran waren sehr hoch - viel höher als im "normalen" Kreditgeschäft.

derStandard.at: In Salzburg war eine Beamtin mit vielen Vollmachten ausgestattet und konnte mehr oder weniger alleine walten - ist Ihnen so etwas schon einmal untergekommen?

Greger: Wir vertreten eine Vielzahl von geschädigten Unternehmen und Kommunen gegen verschiedene Banken in Deutschland und Österreich, aber dass eine Beamtin derart weitreichende Vollmachten zum Abschluss solcher Geschäfte hatte, ist mir nicht bekannt. Hier scheinen einige Kontrollmechanismen versagt zu haben, oder man konnte den Umfang der Vollmacht im Hinblick auf die Risiken der Geschäfte nicht abschätzen.

derStandard.at: Wie kommen betroffene Länder oder Gemeinden wieder aus dem Schlamassel heraus?

Greger: Sofern sich mit den beteiligten Banken - es scheinen im Fall Salzburg ja einige zu sein - keine vergleichsweise Lösung findet, bleibt nur der juristische Weg. Das bedeutet, eine Feststellungs- und Schadenersatzklage gegen die beteiligten Banken einzureichen. Ich sehe durchaus gute Möglichkeiten, diese Verfahren zu gewinnen.

derStandard.at: Hätten Sie einen Vorschlag speziell für Salzburg?

Greger: Der Fall Salzburg scheint sehr komplex zu sein. Ich würde zunächst ein Gremium aus internationalen beziehungsweise externen Experten bilden, die den Sachverhalt aufarbeiten und nicht parteipolitisch gebunden sind sowie keine Interessenkollission haben - dergestalt, dass sie bereits für eines der 34 beteiligten Institute gearbeitet haben.

Auf Basis dieses Ergebnisses sollte an die Banken herangetreten werden, um diese zu einer gemeinsamen Lösung zu bewegen, was natürlich heißt, dass diese spürbare finanzielle Zugeständnisse machen müssten.

Es wäre auch darüber nachzudenken, die laufenden Geschäfte zu schließen, damit sich der Schaden nicht noch vergrößert. Kommt es zu keiner Einigung mit den Banken, wäre auch im Fall Salzburg Klage einzureichen.

derStandard.at: Wie kann es passieren, dass derartige Geschäfte so schwierig auffindbar sind wie im Fall Salzburg?

Greger: Nachdem es sich bei diesen Geschäften um sogenannte synthetische Finanzgeschäfte handelt, ist auch deren Rechnungslegung schwierig. Es ist zum Beispiel auch in Deutschland umstritten, wie diese Geschäfte steuerlich zu behandeln sind.

Diese Geschäfte führen ja zunächst zu keinem greifbaren Verlust, sondern haben nur einen sogenannten negativen Marktwert. Offensichtlich war man mit dem bilanziellen Umgang nicht ausreichend vertraut.

derStandard.at: Was braucht es, um die Landesfinanzen transparent zu machen?

Greger: Landesfinanzen müssen transparent sein, und es braucht klare gesetzliche Vorgaben, die das regeln. Die alte Buchhaltung, die Kameralistik, erscheint mir jedenfalls ungeeignet für solche Geschäfte und ist daher modernisierungsbedürftig.

derStandard.at: Reichen die von der österreichischen Regierung geplanten Maßnahmen Ihrer Meinung nach für eine effektive Vorbeugung aus?

Greger: Das Spekulationsverbot und die geplanten Sanktionen sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Zusätzlich wäre eine zivilrechtliche Regelung nötig, die Verträge für nichtig erklärt, die entgegen dem Spekulationsverbot geschlossen wurden.

Außerdem wäre zu überlegen, auch die Banken in die Verantwortung einzubinden und Sanktionen für Banken vorzusehen, wenn sie solche künftig "verbotenen" Geschäfte mit Ländern oder Kommunen abschließen. (Rainer Schüller, derStandard.at, 11.1.2013)