"Wir befinden uns auf dem Weg in die Singlegesellschaft", beschrieb der Salzburger Stadtsoziologe Raimund Gutmann in seinem Referat beim Wohnsymposium die aus seiner Sicht größte Herausforderung für die Wohnpolitik. "Die Individualisierung und Pluralisierung unserer Lebensstile und die gebrochenen, vielfach veränderten Biografien produzieren laufend nicht nur klassische Singles, sondern auch weitere Wohnansprüche von allein lebenden Menschen."

Gutmann sprach von einer "Multioptionsgesellschaft", die in allen sozialen Schichten entstehe. Selbst auf dem Land sei die klassische Familie bereits eine Minderheit. Die alte Dreiteilung des Lebens gebe es nicht mehr, als Teil einer "Multigrafie" würden immer mehr Mid-Lifer einen zweiten Aufbruch wagen - weg vom Partner oder vom Job. Das letzte Lebensdrittel sei für viele ein aktiver "Unruhestand", und danach gebe es immer mehr Hochbetagte. Bei all diesen Brüchen lebt man immer wieder allein.

In dieser Singlegesellschaft fehle es an traditionellen Verwandtschaftsgefügen, auf die man sich verlassen könne. Menschen in allen Lebensaltern würden daher nicht nur als Singles Wohnungen suchen, sondern auch neue Wahlverwandtschaften.

"Wollen wir diesen Typen nur kleine Smart-Wohnungen bieten?", fragte Gutmann. "Das können wir uns gar nicht leisten." Seine Wohnconsult Salzburg hat bei der Schaffung verschiedener Modelle für Wohngemeinschaften mitgearbeitet, darunter an der Citycom2 am Wiener Nordbahnhof. Diese böten "Wahlverwandschaften auf Zeit" und seien nicht nur für Studierende gedacht, sondern für "Neueinsteiger, Nestflüchtlinge, Studienabbrecher, Jobsammler, die lange Post-Adoleszenz, Trennungsopfer, und die ganze Generation Praktikum."

Auch fürs Alter brauche man mehr als nur ein paar Einzelprojekte von betreutem Wohnen. Immer mehr ältere Landbewohner würden im Alter immer öfter in die Stadt ziehen, wo sie in abgestimmter Nachbarschaft mit anderen wohnen könnten. (ef, DER STANDARD, 24.10.2012)