Programmanteile laut Medienbehörde.

Grafik: DER STANDARD

Schweighofer: "Die Entscheidung der Medienbehörde bedeutet einen guten Tag für den Journalismus im ORF. Er muss Geld zu Information und Kultur umschichten."

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Wrabetz: "Der ORF wird sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen diesen erstmaligen inhaltlichen Eingriff in die Programmgestaltung zur Wehr zu setzen."

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Wien - Wie sehr die Entscheidung den ORF traf, lässt sich an der Schrecksekunde bis zu seiner ersten Reaktion ablesen. Um zehn Uhr Vormittag erhielt er die Entscheidung der Medienbehörde. Keine 20 Minuten nach zehn Uhr stand die erste Information darüber auf derStandard.at/Etat. Der Küniglberg mit dutzenden Juristen und Öffentlichkeitsarbeitern brauchte bis 12.21 Uhr bis zur ersten, aus erwartbaren Bausteinen zusammengesetzten Reaktion.

"Unfassbarer Bescheid"

"Publikum und Experten" bestätigten, dass der ORF "wie kaum ein anderer europäischer öffentlich-rechtlicher Sender seinen umfassenden Informations-, Kultur- und Unterhaltungsauftrag erfüllt". ORF-General Alexander Wrabetz sei "bestürzt über einen unfassbaren Bescheid" der Medienbehörde KommAustria. "Mit allen rechtlichen Mittel" werde sich der ORF "gegen diesen erstmaligen inhaltlichen Eingriff in die Programmgestaltung zur Wehr zu setzen." Wrabetz: "Wir werden verhindern, dass in Österreich Programm von der staatlichen Medienbehörde gemacht wird." Die Entscheidung verstoße "gegen Meinungs- und Rundfunkfreiheit und Unabhängigkeit des ORF gegenüber staatlichen Behörden", die Verfassung und Menschenrechtskonvention garantierten.

Was erregt den ORF so? Die Privatsender haben versucht nachzuweisen, dass ORF 1 und ORF 2 2010 bis Ende August 2011 nicht so ausgewogen Information, Kultur, Sport und Unterhaltung zeigten, wie das Gesetz dies vorschreibt. Die Behörde analysierte die Berechnungen der Privaten, des ORF, von Gutachtern - und kam zu dem Schluss: Die Sparten sind tatsächlich nicht "angemessen" vertreten. In ORF 1 etwa überwiegt die Unterhaltung bei weitem (Grafik links).

Die Medienbehörde geht aber noch weiter. Sie entschied: ORF 1 und ORF 2 waren im untersuchten Zeitraum nicht als sogenannte Vollprogramme gestaltet, wie es das Gesetz vorschreibt.

Dafür entwickelt die Behörde auch Mindeststandards:

  • ORF 1 und ORF 2 müssen jeweils drei der vier Programmkategorien Info, Kultur, Sport und Unterhaltung enthalten.
  • Alle viere müssen aber zumindest in einem der beiden Vollprogramme vorkommen. Lässt also ORF 1 Kultur ganz aus, muss jedenfalls ORF 2 Kultur zeigen.
  • Mindestens zehn Prozent der Sendezeit muss für jede der drei pro Kanal nötigen Kategorien zur Verfügung stehen. ORF 2 hatte demnach zum Beispiel zu wenig Kultur für ein Vollprogramm. ORF 1 zu wenig Info oder Kultur.
  • Höchstwerte für jede Programmkategorie legt die Behörde auch fest anhand der "Angemessenheit" der Programmanteile: Eine einzelne der vier Kategorien dürfe nicht mehr als zwei Drittel ausmachen; die anderen beiden zumindest nötigen Sparten dürften also nicht unter ein Drittel gemeinsam fallen. Die Unterhaltung in ORF 1 hatte 80 Prozent.

Diese Rechnung ist auch auf das laufende Programm anzuwenden. Für das Gesamtprogramm des ORF-TV mit Spartensendern, sieht die Behörde 50 Prozent Maximum für eine Kategorie vor.

Hält diese Berechnung in den weiteren Instanzen, müsste der ORF den ersten TV-Kanal deutlich umprogrammieren. Für den Küniglberg sind die Prozentvorgaben "vollkommen inakzeptabel". Klaus Schweighofer, Präsident des Privatsenderverbands, interpretiert die Vorgaben indes als "guten Tag für den Journalismus im ORF. Er muss Geld zu Information und Kultur umschichten."

Der ORF sieht zudem den Kulturbegriff "extrem eng interpretiert". Die Behörde freilich liegt da extrem nahe an ORF-eigenen Definitionen. Der kann sich vorerst mit einem Befund der Behörde trösten: Sein Programm sei nicht verwechselbar. (Harald Fidler, DER STANDARD, 6./7.10.2012)