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Bis aufs Hemd und dann noch weiter: Die Griechen fühlen sich von ihren Kreditgebern ausgeplündert. Nur ein kleiner Teil der Kreditzahlungen kommt tatsächlich in der Wirtschaft an. Das meiste wird für die Tilgung verwendet.

Foto: AP/Antonio Calanni

Athen/Istanbul - Die griechische Regierung versucht angesichts der offenbar dramatischen Schieflage der Finanzplanung einen Befreiungsschlag und hat einen zweiten Schnitt bei den Staatsschulden ins Spiel gebracht: Nach der Umschuldung bei den privaten Gläubigern sollen nun auch die EZB und die Nationalbanken der Euroländer Verluste bei den griechischen Staatsanleihen hinnehmen, die sie gekauft haben.

Eine solche Official Sector Initiative (OSI) war von Vertretern des griechischen Finanzministeriums hinter vorgehaltener Hand schon vor Wochen als absehbar bezeichnet worden. Nun aber sprach der stellvertretende Finanzminister Christos Staikouras einen neuerlichen Schuldenschnitt offen an.

Streckung der Laufzeiten

Griechenland könnte vor einem Finanzierungsproblem stehen, sollte es die Vorgaben des zweiten Hilfskredits vom März dieses Jahres nicht erfüllen, schrieb Staikouras in der Antwort auf die Frage eines griechischen Parlamentariers. Ein Ausweg wäre dann die Streckung der Laufzeiten von Anleihen: "In Hinblick auf die Deckung der Finanzlücke und angesichts der Tatsache, dass das Eurosystem griechische Bonds in Höhe von 28 Milliarden Euro hält, die zwischen 2013 und 2016 fällig werden, wird die Möglichkeit einer Streckung der Laufzeiten untersucht", heißt es in dem Schreiben des Vizeministers, das von vergangener Woche stammt, aber am Dienstag von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert wurde.

Im Gespräch mit dem Standard wies Staikouras gleichwohl zurück, dass er einen Schuldenschnitt vorgeschlagen habe. "Ich habe nichts von Restrukturierung gesagt", sagte der Vizeminister. Er habe lediglich gesagt, was man machen könnte, betonte Staikouras.

Staikouras dementierte auch wie schon zuvor Ressortchef Yiannis Stournaras Berichte über eine Finanzierungslücke von 20 oder gar 30 Milliarden Euro in der Finanzplanung für die nächsten Jahre. "Wir wissen nichts davon", sagte Staikouras dem Standard und verwies auf insgesamt 17 Milliarden Euro an geplanten Einnahmen, darunter das Sparpaket von 11,5 Milliarden Euro, das die Regierung auf den Weg zu bringen versucht und das Griechenlands Finanzlage konsolidieren soll.

Streikwelle rollt wieder

Die griechische Regierung hätte den Kreditvereinbarungen gemäß bereits vor drei Monaten Sparmaßnahmen in Höhe von 11,5 Mrd. vorlegen müssen. Wegen des Wahlkampfs und der Parlamentswahlen kam es zu Verzögerungen, die aus Brüssel kolportierten Angaben zufolge zu der neuen massiven Finanzierungslücke beigetragen hätten. Über die einzelnen Maßnahmen des 11,5-Mrd.-Pakets streitet die Koalition in Athen zudem immer noch.

Ein am Mittwoch beginnender Generalstreik gilt als Auftakt des innenpolitischen Kampfs gegen den Sparkurs der Regierung nach der Sommerpause. Alexis Tsipras, der Führer der "Koalition der radikalen Linken" - und nunmehr größten Oppositionspartei -, kündigte eine "große Mobilisierung" der Gesellschaft an, mit dem Ziel, neue Verhandlungen der Kredite zu erreichen. Eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme würde nur den Reichen nutzen und die soziale Kluft weiter öffnen. Als mögliche Bruchstelle der Koalition gilt die kleine Demokratische Linke (Dimar). Sie stellt sich vehement gegen die geplante Entlassung von Beamten. (Markus Bernath, DER STANDARD, 26.9.2012)