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Gore Vidal im Jahr 1974.

Foto: dapd

New York - Der US-Schriftsteller und Intellektuelle Gore Vidal ist tot. Er starb am Dienstag mit 86 Jahren in seinem Haus in Hollywood in Los Angeles an den Folgen einer Lungenentzündung, wie die "Los Angeles Times" unter Berufung auf seine Familie berichtete. Der streitbare Autor zählte mit Norman Mailer und Truman Capote zu den Großen seiner Generation und schrieb auch das Drehbuch für den Filmklassiker "Ben Hur".

Vidals vielseitiges Werk ist umfangreich: Insgesamt sind es 24 Romane, ein halbes Dutzend Theaterstücke, doppelt so viele Drehbücher, mehr als 200 Essays und eine Autobiografie. In seinem ersten Roman "Williwaw" (1946) verarbeitete Vidal seine traumatischen Kriegserfahrungen in der US-Army. In dem Science-Fiction-Roman "Messias" (1954) warnt darin vor religiösem Massenwahn. "Myra Breckinridge" (1968) über den Homosexuellen Myron, der sich nach einer Geschlechtsumwandlung als Myra in Hollywood durchschlägt, markierte Vidals Durchbruch zu literarischem Weltruhm. In "Lincoln" (1988) schilderte Vidal den ehemaligen US-Präsidenten Abraham Lincoln zum Entsetzen vieler Amerikaner als willkürlichen, von Ruhmsucht beherrschten Diktator.

Sein drittes Werk, "The City and the Pillar" (1948), schockierte das bürgerliche Amerika und gilt als das erste literarische Werk des 20. Jahrhunderts, das Homosexualität so offen thematisierte. Das Buch war seiner Jugendliebe gewidmet, Jimmy Trimble. Dieser wurde bei der Schlacht um Iwojima im Westpazifik getötet.

Vidal war für seinen ausschweifenden Lebensstil ebenso bekannt wie für seine scharfen politischen Kommentare. "Stil ist zu wissen, wer du bist und was du zu sagen hast, und dich nicht darum zu kümmern, was andere denken", soll er einmal gesagt haben. Er bekannte sich offen zu seiner Bisexualität; einer seiner Liebhaber war der Autor Jack Kerouac. Mit dem Werbefachmann Howard Austen lebte Vidal 53 Jahre lang zusammen.

Scharfzüngiger Kommentator

In seinen zahlreichen Schriften, aber auch Fernsehspielen kommentierte Vidal in oft beißenden Worten Politik und Geschichte der USA und schrieb gegen moralischen und sexuellen Konservatismus und Scheinheiligkeit an. Zu seinen illustren Freunden zählten Tennessee Williams, Anais Nin, Jean Cocteau und Andre Gide; Letztere lernte er in seinen Jahren in Paris kennen, wo er nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang lebte. Insgesamt 32 Jahre verbrachte Vidal in Ravella nahe Neapel, bevor er 2005 aus gesundheitlichen Gründen endgültig nach Los Angeles zog.

Eugene Luther Gore Vidal wurde 1925 als Sohn eines Luftwaffenoffiziers in der Militärakademie West Point geboren, ab dem 14. Lebensjahr nannte er sich nur noch Gore Vidal. Sein Vater soll die große Liebe der Luftfahrtpionierin Amelia Earhart gewesen sein. Nach der Scheidung seiner Eltern heiratete Vidals Mutter den Salonlöwen Hugh Auchincloss, der wiederum später Stiefvater von Jacqueline Kennedy wurde. Mit John F. Kennedy und seiner Familie war Vidal eng befreundet. Mit seinen provokanten Äußerungen war das "Enfant terrible" ein gern gesehener Gast in Talkshows. In dem Film "Roma" von Federico Fellini spielte sich Vidal in einer Gastrolle selbst.

In die Welt der Politik wurde Vidal durch seinen Großvater eingeführt, den US-Senator Thomas Gore aus dem Bundessstaat Oklahoma, der seinen Enkel manchmal mit in den Senat nahm. Seine Faszination für die Politik verarbeitete Vidal unter anderem in dem Roman "Washington DC". Seine eigenen Versuche, in der Politik Fuß zu fassen, scheiterten allerdings: Zweimal, 1960 und 1982, kandidierte er vergeblich für die Demokraten.

Auch im Alter ließ Vidal nicht in seiner Verve nach: Besonders der damalige Präsident George W. Bush zog wiederholt die scharfe Kritik des Schriftstellers auf sich, der den Republikaner einmal den "dümmsten Mann in den Vereinigten Staaten" nannte. Nicht umsonst bezeichnete ihn die "Los Angeles Times" als "herrischen Störenfried des nationalen Gewissens". (APA, 1.8.2012)