Die Leser/innen von derStandard.at haben im Rahmen des von Oesterreichs Energie initiierten Energiediskurses die Möglichkeit, Fragen zur Zukunft der Energieversorgung direkt an Generalsekretärin Barbara Schmidt zu stellen und sich so an der Diskussion aktiv zu beteiligen.

Die Antworten erscheinen regelmäßig hier auf dieser Seite. Senden Sie ihre Fragen an energiediskurs@derStandard.at oder als Posting unterhalb dieses Artikels!

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„Unterschätztes Risiko Blackout. Strom rund um die Uhr - (k)eine Selbstverständlichkeit". Unter diesem Motto stand das Trendforum von Oesterreichs Energie am 14. Juni. Rund 100 Gäste aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft waren der Einladung zur Diskussion gefolgt.

Die Stromzukunft in Europa wird von erneuerbaren Energien bestimmt. Der steigende Stromverbrauch und die gewaltigen Schwankungen in der Erzeugung durch Wind- oder Sonnenkraft bringen jedoch das gesamte System unter Druck. „Wir müssen die Netze zur Integration der erneuerbaren Energien ausbauen und das muss rasch passieren", brachte DI Dr. Peter Layr, Präsident von Oesterreichs Energie, die Diskussion beim Trendforum auf den Punkt. Schon heute stoßen die Stromnetze in Spitzenzeiten an ihre Kapazitätsgrenzen. „Um die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten brauchen wir stabile Rahmenbedingungen für einen der Infrastruktur."

Stromnetze ausbauen, um Blackouts entgegenzuwirken

Der Risiko-Experte Dipl.-Ing. Michael Bruch vom Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty untermauerte dies mit den Ergebnissen einer Studie über Stromausfälle als wachsende Herausforderung. „Mitteleuropa hat weltweit die höchste Sicherheit in punkto Stromversorgung, aber das Risiko für Stromausfälle wird steigen", so Bruch. Als wesentliche Ursache macht der Experte den wachsenden Anteil volatiler, erneuerbarer Energien im Netz aus. So rechne die deutsche Bundesnetzagentur damit, bereits in den kommenden Jahren große Verbraucher zeitweise vom Netz zu nehmen, um Instabilitäten auszugleichen. Schon kurze Stromausfälle hätten gravierende Auswirkungen. Durch die wachsende Vernetzung könne ein Blackout zu einem Domino-Effekt in anderen Netzen und Ländern führen. 

Wie drastisch die Folgen eines Blackouts in Österreich wären, führte Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, vor Augen: „Zehn Stunden ohne Strom verursachen über 536 Millionen Euro Schaden für unsere Volkswirtschaft. Und das trifft die Konsumentinnen und Konsumenten ebenso wie die Infrastruktur". Zwar liege Österreich - mit nur rund einer halben Stunde ohne Strom pro Abnehmer und Jahr - europaweit am hervorragenden dritten Platz. Aber auch die besten Elektrizitäts-Infrastrukturen seien verwundbar und das Risiko von Stromausfällen werde unterschätzt. 

Rasches Handeln gefragt

Energie-Regulator Dipl.-Ing. Walter Boltz von der E-Control Austria räumte Versäumnisse beim Infrastruktur-Aufbau ein. „Wenn ich von Wien nach Graz fahre, brauche ich nicht nur ein Auto, sondern auch die entsprechende Straße. Darauf wurde in den vergangenen Jahren beim Energiesystem vergessen", lautete sein Vergleich. Er war sich mit Präsident Layr von Oesterreichs Energie einig, dass in punkto Netzausbau rasches Handeln gefragt ist: „Ein Windrad lässt sich in sechs bis acht Monaten bauen. Ein Leitungsbau erfordert mindestens sechs bis acht Jahre, in Ländern wie Österreich derzeit eher zehn bis zwanzig Jahre." Gleichzeitig brauche die E-Wirtschaft Planungsspielräume und Vorlaufzeiten. Ho-Ruck-Aktionen der Politik schadeten letztlich der Branche und machten das System instabil.

„Der Ausbau der Infrastruktur wird wesentlich für das Gelingen der Energiewende sein. Denn die Verbraucher sind heute nicht mehr dort, wo der Strom erzeugt wird", erklärte Dipl.-Ing. Wolfgang Haimbl von der Austrian Power Grid AG (APG), deren Hochspannungsnetz das Rückgrat der österreichischen Stromversorgung bildet. Die APG betreibe das Netz mit höchsten Sicherheitsstandards, um Blackouts zu verhindern. Dennoch steige die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen. „Die Maßnahmen für die Sicherheit des Systems werden immer aufwändiger und kostenintensiver. Wenn die Infrastruktur nicht ausgebaut wird, kostet das ebenso Geld." Im Falle von Überlastung reagiere man mit entsprechenden Maßnahmen - von netztechnischen Einsätzen bis zum Eingriff in den Betrieb, zum Beispiel indem man ein Kraftwerk vom Netz nehme.

Ausbau kostet Geld, finanzielle Anreize fehlen

Vielfach fehlen aber finanzielle Anreize für Investitionen in die Netz-Infrastruktur. Ein Grund sei die Trennung zwischen Stromerzeugung und Netzen, so Risiko-Experte Bruch. „Derzeit lohnt es sich für Unternehmen schlichtweg nicht, in Infrastruktur zu investieren". Andererseits koste jeder Stromausfall enorme Summen. In kritischen Branchen wie dem Finanzwesen wäre ein totaler Stromausfall in Deutschland mit Kosten von rund sechs Millionen Euro pro Stunde verbunden. Aber bereits kurze Blackouts, die mehrmals am Tag auftreten können, verursachten gewaltige Schäden - in den USA beispielsweise zwischen 104 und 164 Mrd. US-Dollar pro Jahr.

Um die sichere Stromversorgung und damit den Schutz vor Blackouts aufrecht zu erhalten, ist laut Oesterreichs Energie eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Investitionen in die Infrastruktur erforderlich. „Die Energiewende ist ein Faktum. Wir brauchen aber auch die finanziellen Mittel, um die zusätzlichen Ausgaben zu stemmen", sagte Layr. Dass es in Österreich kein Beschleunigungsprogramm wie in Deutschland für den Netzausbau gebe, sei beschämend, unterstrich er. Bezüglich der Liberalisierung des europäischen Strombinnenmarktes und deren - finanzielle - Folgen für Energieversorger meinte Layr: „Wir brauchen angesichts der Energiewende den Mut, auch über die Liberalisierung nachzudenken!". Risiko-Experte Bruch sieht die EU als zentrale Instanz die Energiezukunft in Europa. Die Länder müssten in der Energie-Politik wesentlich mehr Agenden an Europa abgeben, so sein Appell. Und es gelte, eine europäische Regelung zu finden, um Netze künftig rascher auszubauen.

Bewusstsein schärfen, Risikomanagement verbessern

Um Blackouts zu verhindern, muss auch das Risikomanagement bei Stromkunden - allen voran im Industriebereich - verbessert werden. Viele Unternehmen seien nicht vorbereitet und könnten nicht mit Stromausfällen umgehen. „Was nützt ein Notstromaggregat, wenn dieses im Notfall nicht anspringt?", unterstrich Risiko-Experte Bruch den Bedarf. So sollten Unternehmen beispielsweise kritische Zulieferer definieren, Stromversorgungs- und Blitzschutzkonzepte entwerfen und ein Backup für ihre Stromversorgung aufstellen.

Darüber hinaus gilt es das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. Für viele Konsumenten ist Strom ein selbstverständliches Gut. „Wir müssen darauf aufmerksam machen, wie wertvoll dieses Produkt ist", erklärte Generalsekretärin Barbara Schmidt von Oesterreichs Energie. Für den Autor Marc Elsberg ist die Stromversorgung die fundamentale Infrastruktur, von der wir alle abhängen. In seinem Roman „Blackout - morgen ist es zu spät" hatte er die Folgen eines Stromausfalls in Europa und den USA nach einem Cyberterror-Angriff beschrieben. Beim Trendforum brachte er die Brisanz des Themas kurz und bündig auf den Punkt: „Man merkt erst, was man gehabt hat, wenn es nicht mehr da ist."