Wien - Die Umsetzung des ständigen Euro-Rettungsschirms ESM in Österreich zum 1. Juli ist offenbar vom Tisch. Auch auf einen Beschluss vor der parlamentarischen Sommerpause wollen sich die Grünen nicht festlegen. Wie Vizeklubchef Werner Kogler sagte, wollen die Grünen der für den ESM nötigen Verfassungsänderung nur dann zustimmen, wenn zuvor glaubwürdige Schritte für eine europäische Finanztransaktionssteuer erfolgen. Notfalls wollen die Grünen bis zum Herbst zuwarten.

Fekter hatte am Samstag eingeräumt, dass die Ratifizierung des ESM zum 1. Juli nicht mehr gelingen wird. Nächstmöglicher Termin wäre der "Parlamentskehraus" vor der Sommerpause vom 4. bis 6. Juli. Den von Fekter erhobenen Vorwurf, den "Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM), der erst in Frankreich, Slowenien und Griechenland beschlossen ist, zu blockieren, weist Kogler jedoch zurück. Er betont, dass die Grünen die Regierung schon im Mai/Juni 2011 aufgefordert hätten, über die Umsetzung des ESM zu verhandeln. Tatsächlich zu Gesprächen eingeladen hat die Koalition aber erst heuer rund um Ostern. "Wenn sie vorher ein Jahr Zeit gehabt haben, dann werden wir danach auch ein halbes Jahr Zeit haben", weist Kogler den Zeitdruck zurück.

Die SPÖ lehnt den von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) am Wochenende ins Spiel gebrachten einfachgesetzlichen Beschluss des ständigen Euro-Rettungsschirms ESM ab. "Ohne Mitwirkungsrechte des Parlaments geht das nicht", sagte der Sprecher von Klubchef Josef Cap am Sonntag. Man hoffe nach wie vor darauf, vor der Sommerpause des Nationalrats einen gemeinsamen Beschluss mit den Grünen zu erreichen. Fekter hatte am Samstag gemeint, die Koalition werde den ESM notfalls einfachgesetzlich beschließen, sollten die Grünen nicht mitgehen.

Regierung braucht Zustimmung der Grünen

Kogler betont, gemeinsam mit den Grünen in Deutschland und Frankreich auf die Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer hinarbeiten zu wollen. Das könnte aber dauern. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble rechnet nach eigenen Worten nicht mit einer Einführung einer Finanztransaktionssteuer noch in dieser Legislaturperiode (bis 2014; Anm.). "Eine europäische Steuer wird nicht so schnell zustande kommen", sagte Schäuble am Sonntag im ARD-"Bericht aus Berlin" auf eine entsprechende Frage.

In Österreich braucht die Regierung die Zustimmung der Grünen für die beim ESM geplante Änderung des EU-Vertrags, in Deutschland braucht die Koalition die Stimmen von SPD und Grünen für den Fiskalpakt, der den Euro-Staaten strengere Sparvorgaben macht. Kogler hat den deutschen Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin daher am Freitag informiert, dass man dem ESM in Österreich nur dann zustimmen werde, wenn zuvor "glaubwürdige Schritte" zur Einführung einer europäischen Finanzsteuer erfolgen. Ebenfalls auf der Grünen Wunschliste: Die Einführung von "Eurobonds" und ein EU-Beschäftigungspakt.

Kerneuropa bei Finanzsteuer

Entscheidend werden aus Koglers Sicht die nächsten Treffen der EU-Finanzminister sowie der Staats- und Regierungschefs (am 21./22. bzw. 28./29. Juni) sein. Seinen Angaben zufolge wurde mit Fekter vereinbart, bis dahin auszuloten, ob die nötigen neun EU-Staaten für eine "verstärkte Zusammenarbeit" bei der Finanzsteuer bereit stehen. Eine gesamteuropäische Finanzsteuer kommt wegen des britischen Vetos nicht infrage. Sollten die Ergebnisse des Rates im Juni nicht ausreichen, dann könne man vor der Zustimmung zum ESM auch den nächsten Rat im Herbst abwarten, sagte Kogler: "Wir ziehen das durch."

Ebenfalls noch verhandelt wird darüber, welche Kontrollrechte das österreichische Parlament beim ESM erhalten soll. Hier ist dem Vernehmen nach ein mehrstufiges Informationssystem angedacht. Besonders sensible Insiderinformationen sollen nach deutschem Vorbild nur einem kleinen, vertraulichen Sondergremium aus wenigen Parlamentariern anvertraut werden. Eine allfällige Aufstockung des österreichischen ESM-Beitrags über die aktuell zugesagten maximal 19,5 Milliarden Euro hinaus wäre demnach mit einfacher Parlamentsmehrheit möglich. Theoretisch könnte die Koalition den ESM auch mit einfacher Mehrheit ratifizieren. Für die Kontrollrechte und die Änderung des EU-Vertrags ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit nötig. (APA, 10.6.2012)