New Orleans - Die Möglichkeiten für eine wirksamere Therapie der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose könnten sich in absehbarer Zeit deutlich verbessern: Eine klinische Studie mit 840 Patienten, die am Mittwoch beim Jahreskongress der Amerikanischen Neurologengesellschaft (AAN) in New Orleans präsentiert wurde, zeigte bei Verwendung des monoklonalen Antikörpers Alemtuzumab im Vergleich zu Beta-Interferon wesentlich mehr Wirkung.

In den vergangenen Jahren haben sich immunmodulatorische Therapien (Beta-Interferon, Glatirameracetat) in der Langzeitbehandlung von MS-Patienten immer mehr durchgesetzt. Das bringt mit diesen herkömmlichen Medikamenten eine Reduktion der Schubrate um 20 bis 30 Prozent. 20 bis 30 Prozent der Patienten verschlechtern sich auch weniger, was ihren Invaliditätsstatus angeht. Für Kranke, bei denen diese Therapien nicht oder nicht ausreichend wirken, gibt es seit 2006 auch den monoklonalen Antikörper Natalizumab. Das Medikament hemmt aktivierte Lymphozyten am Überschreiten der Blut-Hirn-Schranke - im Gehirn können sie dann die gefährlichen Entzündungsherde mit Schädigung der Isolierschichten der Nervenzellen (Myelin-Scheiden) hervorrufen. In seltenen Fällen hat das Arzneimittel auch schwere Nebenwirkungen.

Medikament aus der Transplantationsmedizin

Bisher neuestes Wirkprinzip ist die ehemals für die Transplantationsmedizin gedachte Substanz Fingolimod. Sie arretiert die aktivierten Lymphozyten in den Lymphknoten, was ihr Einwandern ins Gehirn verhindert. Die jährliche Schubrate verringerte sich (im Vergleich zu Placebo, Anm.) um 50 bis 60 Prozent. Progressionsfrei, was dauernde Behinderung betraf, blieben unter Placebo innerhalb von zwei Jahren 75,9 Prozent der Probanden, unter den wirklich Behandelten hingegen um die 82 Prozent. Allerdings treten auch mit diesem Arzneimittel in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen auf.

Das nun von dem Sanofi-Aventis-Tochterunternehmen Genzyme in Kooperation mit dem deutschen Pharmakonzern Bayer entwickelte Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper, der sowohl gegen T- als auch gegen B-Lymphozyten wirkt. Beide sind offenbar bei der MS an der Entstehung der Entzündungsherde beteiligt. Im Rahmen der zwei Jahre dauernden Studie erhielten 840 Patienten entweder achtmal das neue Medikament oder sie injizierten sich Beta-Interfern dreimal pro Woche.

Progression verzögern

Die Ergebnisse unterschieden sich deutlich: Nach zwei Jahren hatten 29 Prozent der mit dem monoklonalen Antikörper Behandelten zumindest sechs Monate lang eine Verbesserung ihres Status registriert, hingegen nur 13 Prozent mit Beta-Interferon. Die Häufigkeit einer Verschlechterung des Invaliditätsscores ging um 42 Prozent zurück. 65 Prozent der mit dem neuen Medikament behandelten hatten keinerlei weitere Krankheitsschübe (Beta-Interferon: 47 Prozent).

"Heute ist das wesentliche Ziel der MS-Behandlung das Verzögern des Fortschreitens aufgetretener Invalidität. Patienten bei denen die Therapie zuvor nur mangelhaft wirkte, zeigten sogar eine Verbesserung ihres Zustandes", sagte Jeffrey Cohen, Chef der Abteilung für experimentelle Therapien am MS-Zentrum der Cleveland Clinic (Ohio). (APA)