Zwischen unversöhnlichen Fronten: Ajla (Zana Marjanovic), bosnisch-muslimische Heldin aus Angelina Jolies Kriegsdrama.

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Ihrer Darstellung des Balkankriegs fehlen dennoch wichtige Nuancen.

Wien - Ein Hang zum Nervenkitzel prägt das Bild von Angelina Jolie, seit sie mit dem Oscar-Gewinn für die Darstellung einer psychisch Kranken (Durchgeknallt, 1999) zum Superstar avancierte. Woher das oftmals schmerzhafte Streben nach Wahrhaftigkeit rührt, mag geschäftstüchtige Biografen beschäftigen, in jedem Fall machte es Jolie nicht nur zur Hauptdarstellerin oft mediokrer Actionfilme und zur Mutter einer unüberschaubaren Anzahl an Kindern, sondern nun auch erstmals zur Filmemacherin.

Für In the Land of Blood and Honey hat sich die UNHCR-Sonderbotschafterin mit großem Ernst des Balkankriegs angenommen. Jolies Bemühen um Authentizität zeigt allein die Tatsache, dass eine eigene Version des Films in den Sprachen der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Schauspieler gedreht wurde. Ebenso widersetzen sich die in ausgewaschene Farben gehaltenen Bilder den Hochglanzregeln Hollywoods. Einzig die Bettlaken, in die es die bosnisch-muslimische Künstlerin Ajla (Zana Marjanovic) und den serbischen Polizisten Danijel (Goran Kostic), das tragische Liebespaar des Films, immer wieder lockt, sind von strahlendem Weiß.

Verliebt tanzen die beiden zunächst noch in einem Nachtclub, ehe der Krieg mit all seiner Sprengkraft in ihr Leben und ihre Heimat bricht. Ohne nähere Erklärungen wird Ajla plötzlich zur Gejagten, während Danijel als Sohn des kriegstreibenden Generals Vukojevic (Rade Serbedzija mit der größten Leinwandpräsenz) die ethnischen Säuberungen frei von gröberen Gewissensbissen vorantreibt. In einem Militärlager treffen sie einander wieder, nimmt sich Danijel Ajlas an, sperrt sie ein, um sie gleichzeitig zu beschützen und zu besitzen.

Wenig Zurückhaltung

Es handelt sich um kein romantisches "Romeo und Julia im Schützengraben". Die Beziehung der Liebenden ist ambivalenter, teils nur schwer nachzuvollziehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Kriegsgräuel, bei deren Darstellung Jolie wenig Zurückhaltung zeigt. Nach jedem Aufblitzen von Menschlichkeit präsentiert die Neo-Regisseurin sogleich einen Zivilisten, der von einem Scharfschützen niedergestreckt wird. Wenn nach zwei Stunden das Filmende naht, hat Jolie ihr Ziel, menschliche Barbarei vor Augen zu führen, mit expliziten Szenen von Vergewaltigungen, Hinrichtungen und der Verwendung menschlicher Schutzschilde längst mehr als erreicht.

Indessen bleibt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Balkankrieg - abgesehen von dezenter Kritik an der zögerlichen Weltöffentlichkeit - weitgehend ausgespart. In the Land of Bood and Honey zeigt einen Einparteienkrieg, in dem das serbische Militär mit Begründungen, die über Stehsätze von Blut und Boden nicht hinausgehen, eine passive Zivilbevölkerung auslöscht. Einen Quoten-Sympathieträger gibt es bei den Serben zwar auch, Zwischentöne finden sich jedoch nur bei der Figur des Danijel. Dieser ist allerdings wie Ajla zu ungenau gezeichnet, um Kriegs- und Liebesgeschichte mit zufriedenstellender Plausibilität zu erfüllen. Hier scheitert die ambitionierte Regisseurin Angelina an der Drehbuchautorin Jolie. (Dorian Waller / DER STANDARD, Printausgabe,  22.2.2012)