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Im Zentrum von Bratislava demonstriert ein Slowake mit der Maske eines Gorillas gegen den durch eine gleichnamige Abhöraktion aufgedeckten Korruptionsskandal.

Foto: REUTERS/Radovan Stoklasa

Nach der jüngsten Demonstration in Bratislava, wo am Freitag bei klirrender Kälte tausende Bürger auf die Straße gingen, und ähnlichen Aktionen in mehreren anderen Städten sollen weitere Kundgebungen folgen. "Gorillas hinter Gitter" und "Wir haben genug von Korruption" lauten die Parolen der Demonstranten.
Den Zorn der Slowaken haben mutmaßliche Protokolle des Inlandsgeheimdienstes SIS ausgelöst, die kurz vor Weihnachten von Unbekannten im Internet veröffentlicht wurden. Die Abhörprotokolle, bekannt geworden unter dem Namen Gorilla-Akte, könnten nämlich definitiv beweisen, was viele Bewohner schon längst vermuteten: Staat und Politiker sind durch und durch korrupt.

Innenminister Daniel Lipšic von den Christdemokraten (KDH) hat bereits bestätigt, dass es eine legale Abhöraktion unter dem Namen Gorilla 2005/ 2006, also gegen Ende der zweiten Regierung von Mikuláš Dzurinda (Slowakische Demokratische und Christliche Union / SDKU), tatsächlich gab. Das Interesse der Geheimdienstagenten richtete sich dabei auf eine konspirative Wohnung in Bratislava, in der sich einer der mächtigsten Finanzmagnaten des Landes, Jaroslav Hašèák von der Finanzgruppe Penta, mit prominenten Regierungsmitgliedern und Staatsbeamten getroffen haben soll, um Provisionen und Bestechungsgelder für die "richtigen" Privatisierungsentscheidungen und Erteilung staatlicher Aufträge zu besprechen.

Alle wussten Bescheid

Nicht nur das Ausmaß der Korruptionsverflechtungen, in die offenbar nahezu alle relevanten politischen Parteien verstrickt waren, die sagenhaften Bestechungssummen und der enorme Einfluss mächtiger Investmentgruppen auf die Leitung des Staates sind für viele Slowaken erschreckend. Noch mehr ist es die Tatsache, dass so gut wie alle Spitzenpolitiker sichtlich schon jahrelang über "Gorilla" Bescheid wussten, aber ausnahmslos wegsahen. So sollen der damalige Premier und heutige Außenminister Dzurinda wie auch Polizeispitzen schon 2006 Informationen über die Ergebnisse des "Gorilla"-Lauschangriffs erhalten haben. Und zuletzt stellte sich heraus, dass Jaroslav Hašèák öfter auch Gast der jetzigen Premierministerin Iveta Radièová (SDKU) in deren Privathaus war.

Während die politischen Eliten bei der ersten Protestwelle Ende Jänner noch großteils versuchten, den Fall zu bagatellisieren, wird dies jetzt immer schwieriger. Erstmals seit der Wende 1989 gehen nämlich die Slowaken, die traditionell als Protestmuffel gelten, in derartigen Massen auf die Straße, mobilisiert durch eine Gruppe junger Leute auf Facebook.

Bei den Parlamentswahlen am 10. März erwarten Analytiker eine dramatisch niedrige Wahlbeteiligung. Profitieren könnten neue Kleinparteien. Der Wahlsieger steht laut jüngsten Umfragen schon fest: Die sozialdemokratische Smer (Richtung) von Expremier Robert Fico, die zur Zeit der "Gorilla"-Aktion in Opposition war und deshalb relativ unbeschädigt dasteht, könnte sogar die absolute Mehrheit der Stimmen bekommen. Die rechtskonservativen Parteien der bisherigen Regierungskoalition, vor allem die SDKU, liegen hingegen nur noch knapp über der Parlamentshürde von fünf Prozent. (DER STANDARD-Printausgabe, 13.02.2012)