Ein absurder Tanz pro Tag: Regisseurin und Hauptdarstellerin Miranda July versucht sich in "The Future" an einem zukunftsweisenden Youtube-Projekt.

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Wien - Als halbwegs junger Mensch macht man noch große Pläne. Man träumt von der Weltherrschaft oder von Reichtum, und zumindest die näherliegenden Ziele sollten sich doch erreichen lassen: "Ich wollte immer konsequent die Nachrichten verfolgen. Aber ich hinke dabei ständig weiter hinterher. Was soll das Ganze also?" Inzwischen ist man Mitte dreißig, "in fünf Jahren vierzig, damit praktisch fünfzig" - also: "What's the point?"

Sophie, filmisches Alter Ego der US-Filmemacherin, Künstlerin, Performerin und Autorin Miranda July, zieht den Stecker. Beziehungsweise kündigt sie den Internetanschluss für ein Monat. In dieser Zeit wollen die Teilzeit-Kindertanzlehrerin und ihr Lebenspartner, der bei einem telefonischen Techniksupport für Computerprobleme jobbt, herausfinden, was mit der restlichen Lebenszeit denn sinnvoll anzufangen wäre.

July, selbst Jahrgang 1974, hat ihrem zweiten Spielfilm dementsprechend den Titel The Future gegeben. Seit ihrem vielbeachteten Kinodebüt Me and You and Everyone We Know sind sechs Jahre vergangen, die Arbeit an The Future war von kreativen Komplikationen begleitet, July und ihr Kollege Mike Mills (Beginners) haben inzwischen geheiratet - Zeit und (gemeinsames) Altern sind nicht von ungefähr ein zentrales Thema des neuen Films. Zugleich bleibt dieser jedoch auch den Charakteristika des eigenwillig zusammengezimmerten, aus der Do-it-yourself-Popkultur der 90er-Jahre her rührenden Werks von July treu:

Schon die Videoarbeiten kreisten um mysteriöse Versuchsanordnungen, Verhaltensmuster und Rituale. In Nest of Tens (1998) wechselten sich beiläufige Alltagsbeobachtungen mit einem seltsamen Vortrag ab, der akribisch Kategorien von Ängsten auflistete. Das Sammeln und Archivieren, das Ausführen von (fremden) Handlungsanweisungen war auch Kern des interaktiven Webprojekts Learn To Love You More (2002 bis 2009). Als Nebenprojekt von The Future ist das Buch It Chooses You entstanden, das den Hintergrund von Kleinanzeigen erforscht. Die hampeligen Performances, die July als Sophie im Film ausführt, und ein generelles Faible für alltägliche Absurditäten gehören ebenfalls zum Fixbestand dieses freundlich verschrobenen Kosmos angewandter Kunst.

Traurige Katze

The Future folgt dementsprechend zwar einem großen Erzählbogen (die bedeutsame Auszeit von dreißig Tagen und die traurige Geschichte der Katze Paw-Paw). Aber eigentlich hält dieser Bogen (und Paw-Paws Offstimme) eine eher lose angelegte Folge von Episoden zusammen. Jason (Hamish Linklater) versucht sich als Umweltaktivist. Sophie verfolgt anfangs noch ihr Projekt, täglich ein Tanzvideo für Youtube zu produzieren. Daraus entspinnen sich Befindlichkeiten, Begegnungen und Erfahrungen. Die beiden Figuren entfernen sich in diesem etwas ziellosen Driften ein Stück weit voneinander - und beim Zusehen verliert man im Verlauf des Films ebenfalls ein bisschen den Anknüpfungspunkt.

July gelingen trotzdem immer wieder stimmige, verhalten komische Szenen und treffende Aussagen. Auf das Verbalisieren der Aussichtslosigkeit des Daseins wird viel kreative Energie verwendet - da bleibt für konkrete Änderungsversuche und Aktivitäten eben nichts mehr übrig. Aber so gehört sich das auch irgendwie für ein richtiges Slackerleben. Das ändert sich nicht automatisch mit dem Alter.  (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2011)