Jungjournalistin Skeeter (Emma Stone, links.) recherchiert bei den Haushälterinnen Minny (Octavia Spencer, mitte) und Aibileen (Viola Davis, rechts).

Foto: Touchstone/Dreamworks

Hamburg/Wien - Zwischen Piraten, Vampiren und Comic-Helden avancierte mit Tate Taylors humorvollem Drama The Help heuer ein Film zum Kassenschlager, der rein gar nichts mit den sonst für volle US-Kinos sorgenden Lichtspielspektakeln gemeinsam zu haben scheint. In einer Zeit, in der Hollywood seine Gewinne hauptsächlich mit Bubenkinofortsetzungen einfährt, ist der Erfolg des von einem starken weiblichen Ensemble getragenen Films überraschend - selbst wenn es sich um die Verfilmung eines Bestsellers, Kathryn Stocketts The Help (deutsch: Gute Geister), handelt, der Klischees nicht gänzlich fremd sind.

"Die Leute sehnen sich wieder nach etwas Echtem, nicht nach der vermeintlichen Realität von Reality-TV und alldem Müll", ist Hauptdarstellerin Emma Stone überzeugt. Die 23-Jährige wird nach Komödien wie zuletzt Crazy, Stupid, Love und besonders dank ihrer kommenden Rolle in The Amazing Spider-Man als einer der kommenden Stars schlechthin gehandelt. In The Help spielt sie Skeeter, eine angehende Journalistin im Mississippi der frühen 1960er-Jahre, die beschließt, die ungehörten Geschichten der schwarzen Haushälterinnen ihres Heimatortes niederzuschreiben. Ihren ersten Gesprächspartnerinnen Aibileen und Minny (die überragende Viola Davis und Octavia Spencer) ist dabei gleich klar, dass dieses Projekt in Zeiten der Rassentrennung Konflikte mit sich bringen wird.

Als mutig würde Stone Skeeter jedoch nicht bezeichnen, wie sie im Standard-Interview erzählt. "Zu Beginn möchte sie nur ein Buch veröffentlichen, erst mit der Zeit realisiert sie die Bedeutung ihres Handelns. Ich denke, dass sich im Leben vieles erst aus persönlicher Ambition entwickelt. Das ist wie mit den Beatles, die zunächst alle den gleichen Haarschnitt trugen, um sich dann Bärte wachsen zu lassen und eine Botschaft in ihre Musik zu packen."

Skeeters Gegenpart übernimmt die gutsituierte Hilly (Bryce Dallas Howard). Mit ihren Freundinnen, die sich bereits durch bunte Kleider und formfeste Frisuren von der auch farblich deutlich geerdeteren Skeeter unterscheiden, setzt sich diese insbesondere für ei- ne strikte Toilettentrennung zwischen Schwarz und Weiß ein. Für Stone ist die Figur der Hilly, die sich selbst nicht für rassistisch hält, ein zentrales Motiv, auch über den Film hinaus: "Diese Heuchelei ist ein ewig wiederkehrendes Thema des Menschseins, ich selbst bin in diesem Sinne ebenso schuldig. Aber ich möchte glauben, dass sich jeder ändern kann, dass es keine guten und schlechten Menschen gibt, nur erlerntes Verhalten."

Als Schauspielerin sieht sich Stone jedoch nicht als Aufklärerin. "Ich habe diesmal nicht mehr Druck verspürt, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln, als bei anderen Filmen. Es geht mir immer nur darum, eine Rolle so zu verkörpern, wie sie meiner Vorstellung nach sein sollte. Dabei ist es auch nicht von Bedeutung, dass die Geschichte in dieser bestimmten Zeit spielt. Für mich ist es letztlich ein Film über Liebe und Freundschaft. Es zählt allein die Wahrhaftigkeit der Figuren."

Verdrängte Vergangenheit

Um sich in die Zeit zu versetzen, reichte die schulische Vorbildung kaum. "An den Schulen lernt man nicht, wie schlimm die Rassentrennung tatsächlich war. Man tendiert dazu, die dunkle Vergangenheit unter den Teppich zu kehren und nur das Schöne in Erinnerung behalten zu wollen." Wie sie sich Wissen um die Zeit der aufkeimenden Bürgerrechtsbewegung aneignen konnte? "Tate Taylor zeigte uns unter anderem eine TV-Doku. Das war enorm hilfreich, nicht nur darüber zu lesen, sondern mit eigenen Augen zu sehen, was damals passierte. Außerdem musste ich für die Rolle lernen, auf einer Schreibmaschine zu tippen. Ich wurde auch viel neugieriger. Als Journalistin willst du wissen, wie die Leute ticken und was sie geprägt hat, ganz ähnlich einer Schauspielerin."

Während The Help selbst kritisiert wurde, stereotype Bilder von Schwarzen zu verfestigen, sieht Stone Rassismus gegenüber Afroamerikanern als nahezu überwunden an. "Meine Generation ist die erste, die aufgewachsen ist, ohne Rassentrennung zu erleben. Wenn ich heute einen 23-jährigen Rassisten treffen würde, wäre das ein Schock."

Diskriminierung wird es für die Schauspielerin jedoch immer geben: "Es ist eine typische Eigenart des Menschen. Bis wir erkennen, dass wir alle gleich sind, werden wir uns einreden, dass wir verschieden sind." (Dorian Waller, DER STANDARD/Printausgabe 7./8. Dezember 2011)