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Große Bühne für Mario Monti (rechts), der in Straßburg letztlich doch nur den Statisten gab. Die Fronten bei der Rettung der Währungsunion verlaufen derzeit zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy.

Foto: Reuters

"Merkozy murkst Monti", reimte ein britischer Journalist, der die europäischen Angelegenheit wie üblich mit einer gewissen Abgehobenheit betrachtete. Ausgedeutscht heißt das: Das deutsch-französische EU-Direktorium aus Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy sprach dem neuen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti sein "Vertrauen" aus, um ihn gleich in die Budgetpflicht zu nehmen.

Monti versprach folgsam und erstmals ausdrücklich, er wolle das von seinem Vorgänger "geerbte" Haushaltbudget seines Landes "bis 2013 ausgeglichen gestalten". Budgetdisziplin sei aber nicht ohne Wachstum möglich, relativierte er allerdings im gleichen Atemzug. Das Dreiertreffen in der elsässischen Europa-Metropole hatte weder einen konkreten Anlass noch eine Tagesordnung. Wie aus deutschen Kreisen durchsickerte, drängte Merkel darauf, da Sarkozy Anstalten gemacht hatte, Monti als erster - und allein - in Rom aufzusuchen. Das Trio der größten Volkswirtschaften des Euroraums wollte mit dem demonstrativen Schulterschluss ein Signal an die Finanzmärkte senden.

Gastgeber Sarkozy kündigte an, Merkel und er selbst würden bis zum nächsten EU-Gipfel am 9. Dezember Vorschläge für eine Revision der europäischen Verträge unterbreiten. Ziel sei es, "die Euro-Governance zu verbessern" und auf eine Fiskalunion hinzuarbeiten. Merkel verlangt seit längerem eine Revision der europäischen Abkommen, um den Mitgliedstaaten eine striktere Haushaltdisziplin aufzuerlegen. Dabei wünscht die deutsche Kanzlerin, wie sie in Straßburg erklärte, "automatische Sanktionen".

Im Gegenzug haben die Franzosen bereits erreicht, dass Merkel zu einer Fiskalunion Hand bietet. Wie weit diese Harmonisierung der Steuersysteme gehen wird, muss sich aber weisen. Einer anderen Forderung Sarkozys, dem sich in Straßburg auch Monti wie zuvor schon die EU-Kommission anschloss, erteilte Merkel eine Abfuhr: Sie lehnt die Schaffung von Eurobonds, das heißt gesamteuropäische Schuldanleihen, weiterhin ab. Aus der deutschen CDU kamen allerdings leicht konziliantere Töne; Sarkozy machte klar, dass er in dieser Sache bis am 9. Dezember noch einen Kompromiss erhofft.

"Überhaupt nicht geändert" hat Merkel hingegen ihre Meinung zur Europäischen Zentralbank: Diese bleibe "unabhängig" und sei nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen, erklärte sie. Französisch-italienische Pläne für Rettungseinsätze der EZB dürften damit nicht weit gedeihen. Obwohl der Pariser Außenminister Alain Juppé gleichentags erklärte, eine mögliche EZB-Mission zur Euro-Rettung sei "dringend nötig". Selbst deutschfreundliche Abgeordnete wie Jean-Louis Bourlanges warfen Merkel Blindheit vor. Die Vertragsdebatte lässt damit bereits neue Risse in der seit Wochen zelebrierten Entente Berlin-Paris erkennen. Und nicht einmal der italienische Belcanto vermochte die deutsch-französischen Misstöne zu überstimmen.

Britische Stimmen vervollständigten den Euro-Kanon auf ihre Weise: Die Londoner Bankenaufsicht FSA ließ verlauten, dass sich die Banken des Landes "auf einen ungeordneten Abschied einiger Länder aus der Eurozone" vorbereiten müssten. Zu gutem Risikomanagement zähle, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. (Stefan Brändle aus Straßburg, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 25.11.2011)