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In Österreich leiden rund eine Million Männer unter Potenzproblemen.

Foto: APA/Peer Grimm

Vom Wunsch- zum Albtraum: Ein stundenlang erigierter Penis mag für Männer mit erektiler Dysfunktion eine tolle Vorstellung sein. In Wahrheit hat die Dauererektion jedoch weder mit Lust, noch mit sexueller Potenz zu tun. Der Priapismus gilt als urologischer Notfall und kann unbehandelt den Schwellkörper akut gefährden. 

In Österreich leiden rund eine Million Männer unter Potenzproblemen, Tendenz steigend. Die Ursachen dafür sind ebenso vielfältig wie die therapeutischen Möglichkeiten. „In Zeiten in denen fast alle Männer mit Potenzproblemen Schwellkörper-Auto-Injektionstherapien gemacht haben, war der Priapismus ein tägliches Phänomen", erzählt Anton Ponholzer, Facharzt für Urologie und Andrologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien.

Schmerzhafter Low-Flow-Priapismus

Die Schwellkörper-Auto-Injektionstherapie, kurz SKAT genannt, durfte in den 80er Jahren große Erfolge in der Therapie der erektilen Dysfunktion verbuchen. Dabei spritzt sich der Anwender kurz vor dem Geschlechtsverkehr den Wirkstoff Alprostadil unmittelbar in den Schwellkörper. Die Konsequenz aus diesem mehr oder weniger schmerzlosen Procedere: Die glatten Muskelzellen in den Hohlräumen der Schwellkörper (Corpora cavernosa) erschlaffen, die Arterien erweitern sich und Blut fließt ungehindert in den Penis hinein. 

Binnen weniger Minuten gerät der Penis nun zu seiner Höchstform. Tut er das jedoch über vier Stunden hinaus, dann ist das absolut kein erfreulicher Zustand. Experten sprechen hier vom sogenannten Low-Flow-Priapismus, einer schmerzhafte Dauererektion, die weder mit sexueller Erregung, noch mit einem Orgasmus einhergeht. Das Blut, das zuvor so erfolgreich für die Erektion des Penis gesorgt hat, kann nun nicht mehr abfließen. Es kommt zu einer venösen Stauung im Schwellkörper. Das umgebende Gewebe wird durch den ansteigenden Druck nicht mehr durchblutet und eine Lähmung der glatten Muskulatur der Schwellkörper tritt ein. Damit erhöht sich der Zufluss arteriellen Blutes weiter, es entsteht ein Teufelskreis. Innerhalb von sechs Stunden kann der Sauerstoffmangel im Penis irreparable Schäden erzeugen. Mitunter kommt es dann infolge einer Schwellkörperfibrose zu einer dauerhaften erektilen Dysfunktion.

Rückläufige Zahlen

„Mit der Einführung von Viagra ist der Priapismus eine seltene Angelegenheit geworden", so Ponholzer. Seit der EU-weiten Zulassung dieses Medikaments im Jahr 1998 verleihen heute noch zahlreiche andere Phosphodiesterase-5-Hemmer Männern mehr Standfestigkeit. Voraussetzung dafür, dass die Substanzen Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil ihre Wirkung auch tun, ist allerdings die sexuelle Stimulation. Fehlt die sexuelle Erregung, dann zeigt sich auch unter dem Einfluss von Viagra keinerlei Erektion. 

„Viagra besitzt bei empfohlener Dosierung null Risiko für einen Priapismus", spricht der Wiener Androloge beruhigende Worte. Nicht so bei Überdosierungen, hier wird in Einzelfällen durchaus von einem Priapismus nach Viagra-Einnahme berichtet. 

Ob durch SKAT oder als Ausnahmeerscheinung auch nach der Einnahme von Viagra, nicht immer fußt das Malheur des Priapismus auf einem Potenzproblem. Manchmal steckt auch eine Leukämie, ein Rückenmarktumor oder die Einnahme bestimmter Medikamente dahinter. Oft findet sich auch gar keine Ursache. Und nicht immer ist der Schwellkörper beim Priapismus auch akut bedroht. Denn neben der Form des Low-Flow-Priapismus existiert noch eine zweite wesentlich seltenere Variante. Bei diesem sogenannten High-Flow-Priapismus ist der arterielle Blutzufluss massiv erhöht ist, der venöse Abfluss funktioniert noch, wenn auch unverhältnismäßig.

Arterielles Problem

Die Klinik liefert hier bereits den entscheidenden differentialdiagnostischen Hinweis. Verläuft die Angelegenheit schmerzfrei und ist der Puls am Penis deutlich fühlbar, dann liegt der Verdacht auf einen High-Flow-Priapismus nahe. Eine Blutgasanalyse liefert bei hoher Sauerstoffsättigung dann denn Beweis für ein arterielles Problem, dass letztendlich mit einer Angiographie verifiziert werden kann. „Im Rahmen einer Verletzung kann beispielsweise eine Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene entstehen, dadurch strömt permanent arterielles Blut in den Penis", erklärt Ponholzer den Pathomechanismus einer sogenannten Fistel, die mit diesem diagnostischen Bildgebungsverfahren dann dargestellt wird.

In Hinblick auf eine zukünftige erektile Dysfunktion sind eine exakte Diagnose und damit verbunden eine frühzeitige Therapie in jedem Fall entscheidend. „Beim Low-Flow-Priapismus wird der Schwellkörper mit einer dicken Nadel punktiert, das überschüssige Blut abgelassen und der Schwellkörper anschließend mit einer Heparinlösung gespült", erklärt Ponholzer wie der Penis zum Erschlaffen gebracht wird. Gegebenenfalls kommt auch Epinephrin oder Etilefrin zum Einsatz. Diese blutdrucksenkenden Medikamente führen zur Kontraktion der glatten Schwellkörpermuskulatur und einem daraus resultierenden venösen Abfluss. Um den Blutzufluss beim High-Flow-Priapismus zu verhindern, wird die verantwortliche Arterie gezielt verstopft. (derStandard.at, 16.11.2011)