Die dünne Mars-Atmosphäre enthält mehr Wasserdampf als bisher angenommen, nun muss der Wasserkreislauf unseres Nachbarplaneten neu überdacht werden.

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Aktuelle Analysen von Spektrometer-Daten der europäischen Sonde "Mars Express" brachten für die Marsforschung unlängst eine Überraschung: Es zeigte sich, dass die obere Atmosphäre des Roten Planeten nur so von Wasserdampf strotzt. Russische Forscher konnten zudem dieser Tage nachweisen, dass sich dieser Wasserdampf nahezu über die gesamte nördliche Hemisphäre sowie über den Südpol verteilt - damit enthält die Atmosphäre des Planeten zumindest während eines Teils des Marsjahres wesentlich mehr Wasser als bisher angenommen. Die neuen Erkenntnisse widerlegen bisherige Mars-Klimamodelle, nun muss der Wasserkreislauf unseres Nachbarplaneten und seine Entwicklung neu überdacht werden.

Die neuen Daten des sogenannten SPICAM-Spektrometer (Spectroscopy for Investigation of Characteristics of the Atmosphere of Mars) füllen eine klaffende Lücke im Wissen um die Verteilung von Gasen in der Mars-Atmosphäre: Nachdem Sonden in der Regel von oben in Richtung Oberfläche blicken, lagen bislang hauptsächlich Informationen zur horizontalen Verteilung der Gase vor. Erst eine genaue Analyse des Sonnenlichts, das kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang durch die Marsatmosphäre fällt, enthüllte die vertikale Struktur der Mars-Atmosphäre. Was den Forschern dabei besonders ins Auge sprang, waren unerwartete Mengen an Wasserdampf in großer Höhe über dem Marsboden.

Mit Wasserdampf übersättigt

Wie die Forscher um Luca Maltagliati vom Laboratoire Atmosphères, Milieux, Observations Spatiales (LATMOS) im Fachmagazin "Science" schreiben, erbringen die Beobachtungen im infraroten Lichtspektrum, dass die Mars-Atmosphäre mit Wasserdampf regelrecht übersättigt ist. Im Vergleich zur Erde enthält die Mars-Atmosphäre zwar rund 10.000 Mal weniger Wasserdampf, trotzdem handelt es sich bei Wasserdampf um ein äußerst dynamisches Spurengas, dessen Verteilung besonders von den Jahreszeiten abhängig ist.

Auf der Erde kondensiert Wasserdampf um Staub- und andere Partikel zu Wassertröpfchen, wenn die Temperatur unter einen bestimmten Punkt fällt. Da sie bei entsprechendem Luftdruck dann nicht mehr Feuchtigkeit halten kann, spricht man von einer "gesättigten" Atmosphäre. Wenn zusätzlicher Dampf unter bestimmten Umständen nicht zu Regentropfen kondensiert oder gefriert, dann kann es zu einer Übersättigung kommen. Man nimmt an, dass zu bestimmten Zeiten im Jahr in der Mars-Atmosphäre zu wenige Kondensationskeime existieren und beachtliche Mengen von überschüssigem Wasserdampf in der Atmosphäre verbleiben.

10 bis 100 Mal mehr Wasserdampf

Bisher ging die Forschung davon aus, dass eine derartige Übersättigung in der kalten Mars-Atmosphäre nicht möglich ist und überschüssiger Wasserdampf automatisch zu Eis gefriert. Die Daten des SPICAM-Spektrometers haben nun aber gezeigt, dass es immer wieder in den mittleren Schichten der Mars-Atmosphäre in 20 bis 50 Kilometern Höhe zu genau dieser Übersättigung kommt, wenn der Planet seinen sonnenfernsten Punkt erreicht. Die Übersättigung der Mars-Atmosphäre kann dabei das 10-fache der Werte auf der Erde erreichen. Damit stellte sich heraus, dass die Atmosphäre des Mars zwischen dem 10- und 100-fachen der bisherigen angenommenen Menge an Wasserdampf enthält.

"Unsere neuen Messungen haben einschneidende Auswirkungen auf unsere Vorstellungen des Klimas und über den Transport von Wasser von einer auf die andere Hemisphäre des Planeten", erklärt Maltagliati. Franck Montmessin fügt hinzu: "Unsere Daten legen nahe, dass deutlich mehr Wasserdampf hoch genug in die Atmosphäre getragen wird, um hier von photolytischen Reaktionen beeinflusst zu werden." Durch diesen zusätzlichen Effekt könnte auch mehr Wasser in den Weltraum entweichen als bisher angenommen: Die Wassermoleküle würden durch die Sonneneinstrahlung und den Sonnenwind in Sauerstoff und Wasserstoffatome aufgespalten, die sich schließlich in das Weltall verflüchtigen, so Montmessin. (red)