Graz - Beim Husten, Lachen oder Niesen kann es schon so weit sein: Unkontrollierter Harnverlust, auch Inkontinenz oder Blasenschwäche genannt, macht vielen Menschen das Leben schwer. Sie gilt jedoch noch immer als Tabuthema. Neue Therapiemöglichkeiten werden auf der Tagung der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreichs am 14. Oktober in Graz diskutiert und ein noch immer tabuisiertes Thema dem breiten Publikum näher gebracht.

"Hochgerechnet leben in Österreich rund eine Million Menschen mit Kontinenzproblemen. 15 bis 30 Prozent aller Menschen über 65 leiden darunter, in älteren Altersgruppen sind bis zu 40 Prozent betroffen", schilderte Günter Primus, von der Uniklinik für Urologie an der Medizinische Universität in Graz im Vorfeld der Tagung. Die meisten Erkrankten würden sich aus Angst unangenehm aufzufallen, sukzessive aus dem sozialen Umfeld zurückziehen. "Dafür, dass in etwa ein Achtel der Bevölkerung betroffen ist, wird verblüffend wenig darüber gesprochen", so Primus. Für sie sei er aber besonders wichtig, zu wissen, dass es Hilfe gibt und dass sie mit ihrem Leiden nicht alleine sind.

Situation überfordert oft

Während bei Frauen eher die Belastungsinkontinenz (Harnverlust durch Anstrengung) vorherrscht, nimmt die Dranginkontinenz ("überaktive Blase") bei den Älteren breiteren Raum ein. Angehörige und Betroffene, die sich nicht getrauen entsprechende Hilfe in Anspruch zu nehmen, fühlen sich mit der Situation überfordert. Nicht zuletzt daher zählt die Inkontinenz im Alter zu den häufigsten Ursache für einen Umzug ins Pflegeheim.

In den vergangenen Jahren wurde auf dem Gebiet der Blasenstörungen viel Forschungsarbeit geleistet, wodurch neue Therapien entwickelt werden konnten. Je früher der Arzt konsultiert wird und Therapien begonnen werden, desto größer seien die Chancen deren Ausprägung deutlich abzuschwächen, so Primus.

Im Falle der Belastungsinkontinenz könne Therapie mittels Beckenbodentraining helfen, auch präventiv, so Barbara Gödl-Purrer vom Studiengang Physiotherapie an der FH Joanneum. Die Effektivität dieser Maßnahme, die international als "First Line"-Treatment bekannt sei, könne als wissenschaftlich erwiesen gelten. In Österreich müssten Betroffene für die Bezahlung entsprechender Therapien jedoch selbst in die Tasche greifen. (APA)