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Diese Frau aus Marokko wurde gerettet und ins Krankenhaus gebracht.

Foto: EPA/STRINGER

Nach einer Flüchtlingstragödie vor Lampedusa hat das römische Außenministerium das Nato-Oberkommando aufgefordert, eine offizielle Untersuchung des Vorfalls einzuleiten. Nach italienischen Angaben soll ein Schiff des vor Libyen kreuzenden Flottenverbandes die Hilfeleistung verweigert haben, obwohl es sich in einer Entfernung von nur 27 Seemeilen befunden habe. In einer ersten Stellungnahme schloss die Nato aus, dass eines ihrer Schiffe einen SOS-Ruf ignoriert habe.

Nach ersten Berichten Überlebender sind dutzende Migranten ums Leben gekommen. Sie gehörten zu den über 400 Insassen eines Bootes, das von der libyschen Küste gestartet war. Nach einem Motorschaden trieb das alte Holzboot mehrere Tage auf Meer, bis ein zypriotischer Frachter die Flüchtlinge entdeckte und einen Notruf absetzte. Die Besatzung ließ ein Schlauchboot mit Lebensmitteln und Wasser zurück. Ein in Sizilien gestarteter Hubschrauber warf schließlich Wasser und Kekse über dem Flüchtlingsboot ab.

"Ausgezehrt und erschöpft"

Nachdem Rom die Rettungsaktion in libyschen Hoheitsgewässern abgesegnet hatte, erreichten am Donnerstag vier Schiffe der Küstenwache das 20 Meter lange Boot. Den Helfern bot sich nach der Schilderung von Kapitän Antonio Morana ein "schrecklicher Anblick": "Viele der Flüchtlinge waren so ausgezehrt und erschöpft, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnten." Ein Nigerianer wurde leblos aufgefunden, eine schwangere Frau und drei weitere Insassen mit Hubschraubern nach Sizilien geflogen, zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr.

 

"Nach wenigen Tagen starben die ersten Frauen und Kinder an Durst und Erschöpfung", schildert eine Marokkanerin den Hergang der Tragödie. "Wir mussten ihre Leichen ins Meer werfen." Ein Nigerianer berichtet, er habe in seiner nächsten Nähe 24 Menschen, davon drei Kinder, sterben sehen. Gegen 22 Uhr erreichten die Schiffe der Küstenwache Lampedusa, wo die Flüchtlinge medizinisch versorgt wurden. Im dortigen Aufnahmelager halten sich derzeit 1000 Migranten auf.

Indessen wurden sechs Schleuser verhaftet, die sich für die jüngste Tragödie mit 25 Toten verantworten müssen. Sie sollen jenes Schiff mit 270 Flüchtlingen nach Lampedusa gebracht haben, in dessen Motorraum vor wenigen Tagen 25 Migranten erstickt waren. Überdies sollen sie mehrere Männer während der Fahrt ins Meer geworfen haben. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks werden seit Anfang März im südlichen Mittelmeer rund 1500 Migranten vermisst. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2011)