Informationen: www.pfunds.at

Foto: Thomas Rottenberg

Pfunds – Im Grunde funktioniert Bogenschießen nicht anders als Fußball. Oder Völkerball, Golf, Tennis, Volleyball oder Minigolf: Bei all diesen Sportarten käme niemand auf die Idee, sich während des Spiels Gedanken über das Anvisieren, Fadenkreuze und Zielfernrohre zu machen. Man schießt, schlägt oder wirft – und weil man lange und oft genug geübt hat, trifft man auch. Halbwegs zumindest – und wenn man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, wird eben gefeilt. Trainiert. Getüftelt. Präzisiert. Korrigiert, kontrolliert und nachjustiert – wieder und wieder und wieder. Bis man besser wird. Oder aufgibt. Aber auf die Idee, Kimme und Korn auf einen Badmintonschläger oder Billardqueue zu montieren, käme niemand.

Intuitives Bogenschießen, erklärt Hannes Sarsteiner, funktioniert genauso: "Durch die richtige Körperhaltung und die richtige Technik weiß man intuitiv, wohin der Schuss gehen wird." Ein Lachen: "Oder gehen sollte."

"Intuitives Bogenschießen" wird auch "instinktives Bogenschießen" genannt. Es begeistert nicht nur den Chef des Tourismusverbandes von Pfunds in Tirol, sondern ist am Sprung zum Boom-Sport: Es ist eine Art Back-to-the-Roots-Bogenschießen mit Bögen ohne Firlefanz oder High-Tech-Schnickschnack. Keine Rollen, keine Ausgleichsgewichte, keine Visiere – Robin-Hood-Bögen eben.
Solche Bögen, betont Sarsteiner, gehören in den Wald. Dann legt er einen Pfeil auf die Sehne, peilt den Fuchs 15 Meter von ihm an, spannt und lässt die Sehne los. "Plopp". Sarsteiner ist zufrieden: Meister Reineke ist aus Schaumstoff. Schaumstoff macht "Plopp". Bei "Klock" hätte Sarsteiner einen Baum getroffen. Bei "Krrrk" einen Stein – dann wäre der Pfeil jetzt hin. Und ohne Treffergeräusch wäre der Tiroler Touristiker (nach zwei weiteren Versuchen) jetzt im Wald unterwegs: Pfeile suchen.

Vor allem Bogen-Frischlinge nehmen den Waldboden und die Bäume des Tiroler Oberlandes recht intensiv in Augenschein – so wie Golf-Novizen Anfangs mitunter mehr Zeit neben als auf der Bahn verbringen. Denn 3D-Jagdbogenschießen ist dem Golfspiel in vielerlei Hinsicht nicht unähnlich: Der Akteur wandert von Aufgabe zu Aufgabe – doch statt einen Ball ins Loch zu schicken, sollen Pfeile ins Ziel gesetzt werden. Wie beim Golf ist Technik alles: Bevor man auf die Strecke darf, gilt es, am Übungsplatz Basics zu erlernen – „Waldreife" sozusagen. Und wie beim Golf ist der wahre Gegner der eigene Kopf: Wer nicht voll bei der Sache ist, trifft nicht. Nichts. Nicht einmal einen (Schaumstoff-)Wal drei Meter vor der Pfeilspitze. Aber auch nicht das Reh zwischen den Bäumen, den Truthahn im Gebüsch, den Steinbock auf dem exponierten Felsen oder den Bären, der in 40 Metern Entfernung auf einer Lichtung steht – und den man von einem Findling aus, von oben herab, „bejagt": Parcourbogenschießen ist Golf mit Pfeil und Bogen – es macht den Kopf frei von allem Anderen und ist ein guter Grund, sich ein paar Stunden in der frischen Luft zu bewegen.

Und auch wenn Golf die weitaus größere Lobby und Öffentlichkeit hat, gibt es noch eine Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden moderaten Outdoor-Sportarten: Auch 3D-Jagdbogenschießen boomt. Freilich: Golfen ist teurer und gibt sich elitär. Doch für 300 Euro ist man beim Jagdbogenschießen schon sehr passabel ausgestattet – wenn man das Zeug nicht ohnehin ausleiht. Ein Tag auf dem 28-Stationen-Kurs in Pfunds kostet gerade einmal 10 Euro.

Zu behaupten, dass Pfunds ein traditioneller Bogen-Hotspot ist, wäre gelogen: Es gibt hier nicht einmal einen einschlägigen Verein. Genau deshalb wunderte sich der Touristiker Sarsteiner, dass im kleinen Ort im Dreiländereck zwischen Österreich, Italien und der Schweiz in den vergangenen Jahren immer öfter deutsche und niederländische Bogenschützen-Gruppen – meist mit Familie – abstiegen. Wandern, Mountainbiken, Raften, Klettern und der lokale Hochseilgarten waren aber nur das Nebenprogramm für die "bewaffneten" Gäste: Sie kamen um zum Schießen auszupendeln. Ins benachbarte Engadin und nach Südtirol etwa – Pfunds liegt (und ist) dafür günstig.

Sarsteiner erkannte den Trend – und schaltete: Auf einem fünf Hektar großen Areal drei Kilometer vor dem Ort – in unmittelbarer Nähe eines hervorragenden Fischrestaurants – errichtete er den Pfundser 28-Schaumstofftiere-Trail. Die Kosten für Tiere, Warnschilder, Absperrungen und Genehmigungen: Etwa 20.000 Euro – und eine Menge Nerven.

Teils, weil manche Jäger der "Konkurrenz" misstrauten. Dabei käme kein 3D-Schütze auf die Idee, auf ein lebendes Tier zu schießen: In Frankreich, erzählt Sarsteiner, gäbe es zwar echte Bogen-Jagden, "aber das hat nichts mit uns zu tun." Ganz abgesehen davon gäbe die Jagd mit dem Bogen dem Tier eine fairere Chance: "Man müsste viel näher ran, um überhaupt die Chance auf einen Treffer zu haben – und kann dann auch nicht einfach abdrücken."

Doch nicht nur den Jägern waren Robin Hoods Erben nicht geheuer: „Bogenschießen im Wald" ließ in so manchem Bedenkenträger Schreckensvisionen von pfeilgespickten Touristen aufsteigen: Der Heilige Sebastian gehört zur Folklore und in Tirols Kirchen – aber nicht als aktuelles Foto in die Bild Zeitung.

Sarsteiner beruhigt: "Es gibt strenge Sicherheitsauflagen. Man schießt immer vom Weg weg – und es gibt keine Straßen oder Wege, die auch nur annähernd in Reichweite des stärksten denkbaren Bogens verlaufen." Darüber hinaus habe die Szene einen strengen Kodex. So legt, wer Pfeile im Gelände sucht, seinen Bogen an der markierten Abschussstelle der Station ab. "Ich habe noch von keinem Parcours auf der Welt gehört, wo dieses Zeichen je ignoriert oder missverstanden worden wäre." Ganz ohne Gefahren, räumt der Waldsportler ein, sei der Sport aber dann doch nicht: "Es gab einmal einen verstauchten Knöchel. Da ist einer am Weg zur nächsten Station auf einer Wurzel ausgerutscht." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Printausgabe/09.07.2011)

Foto: Thomas Rottenberg
-> Ein paar Eindrücke gibt es in dieser Ansichtssache.