Skanderbeg-Platz im Umbau (mit Reiterstatue und Et'hem-Bey-Moschee)

Direktflüge nach Tirana täglich mit Austrian oder von verschiedenen italienischen Häfen per Schiff/Fähre nach Durrës und Vlorë (von Brindisi knapp 130 km). Kein Visum. Laut Reiseführer haben Stadt und Land zurzeit noch "das ganze Jahr Nebensaison"; wegen der Hitze am besten im Mai/Juni oder September bis November, Trekking und Mountainbiking auch im Sommer. Zur Einstimmung auf die Geschichte der Stadt und ihre vor allem architektonische Zukunft sehr zu empfehlen: "Tirana. Planen Bauen Leben", erschienen 2010 im Müry Salzmann Verlag. Für Reisen durchs Land: der Thomas Cook Traveller Guide "Albania" (2009).

Foto: Michael Freund

Blick vom Sky Tower auf die Innenstadt

Die Hotelinfrastruktur in Tirana ist nicht schlecht und wird ständig ausgebaut. Sie reicht von Vier-Sterne-Hotels (teils in österreichischer Hand - das Rogner Europapark Hotel am Hauptboulevard gilt als erste Adresse -, so wie auch das Banken- und Versicherungswesen) bis zu sehr erschwinglichen Pensionen. Ein Beispiel: das solide Brilant Antik Hotel in der Rruga Jeronim de Rada 79 nahe der Rruga Xhorxh W. Bush (!), inkl. Frühstück 8500 Lekë (60 Euro).

In Berat sind es z. B. im Mangalemi um ein paar Sterne weniger, aber kaum von minderer Qualität; Frühstück auf der Terrasse, Blick auf den Ort, pro Nacht ca. 30 Euro.

Foto: Michael Freund

Casa del Fascio bzw. Technische Universität

Das Essen ist überwiegend von der osmanischen Kultur und von der Nähe zum Meer geprägt. Und davon, dass nicht alles zu jeder Zeit erhältlich ist, was für die Qualität spricht. Lokale reichen vom traditionellen Han (Raststätte) bis zu postmodernen Tempeln (siehe der "Kompleksi Taiwan" im Bild links oben im Vordergrund rechts), Preise sind für mitteleuropäische Verhältnisse durchwegs moderat. Die Fortbewegung über Land ist teilweise, d. h. auf den Autobahnen, problemlos, teilweise ein Abenteuer. Ein Ziel wie Berat lohnt aber den Aufwand. Albanien ist übrigens immer noch Mercedes-Land. Mietautos z. B. im Rogner Hotel.

Foto: Michael Freund

Der große Boulevard liegt noch im Schlaf. Strenge, kantige Gebäude heben sich gegen den makellos blauen Himmel ab. Die Frühmorgensonne knallt auf die hellen Steinfassaden zur einen Seite, auf der anderen liegen sie im tiefen Schatten. Zwei Wachposten stehen vor einem mit Marmorplatten beschlagenen Palast. Ein Hund läuft über die Fahrbahnen. Als die Ampeln auf Grün schalten, setzen sich ein paar Fahrzeuge in Bewegung. Sonst herrscht Ruhe.

Auf dem Bulevardi Dëshmorët e Kombit in Tirana an einem Samstag um sieben in der Früh flanieren heißt eine Zeitreise antreten und sich vorstellen, welche Stimmung in der Stadt geherrscht haben mag, als Enver Hoxha und seine Nachfolger regierten.

Es muss eine ernste und stille Stadt gewesen sein. Im Bemühen, den eigenen Weg zum Sozialismus zu markieren, haben sich die Machthaber aus dem vorhandenen Setzkasten der Monumentalarchitektur bedient, haben die von der UdSSR inspirierten Ministerien albanisiert, ebenso die rationalistisch-heroischen Bauten, mit denen die italienischen Faschisten in den Dreißigerjahren ihre Herrschaft hier verewigen wollten. Bis zur Wende 1990 mag dieses Bild vorgeherrscht haben: viel Staatstragendes, wenig Farben und vor allem – Fotos geben noch einen Eindruck davon – keine Autos. Die waren der Nomenklatura vorbehalten, der Rest der Bevölkerung hatte auf sie ebenso wenig Anspruch wie auf eine Religion.

Verfall und Neubeginn

Jetzt hingegen, gut zwei Jahrzehnte und zwei Stunden später, am Samstagvormittag, spielt das neue Tirana auf. Der Verkehr ist dicht und anarchisch, und wenn der Flaneur (der mittlerweile gut aufpassen muss, um nicht unter die Räder zu kommen) den Blick von der langen Geraden der sechsspurigen Prachtstraße abwendet, dann sieht er die Zeichen einer neuen Zeit, die Hotels, Hochhäuser, Terrassencafés, Fastfood-Buden, Juwelenläden, Plakatwände, die restaurierten und neu gebauten Kirchen und Moscheen.

Eine aufregende Mischung aus Verfall und Neubeginn umgibt ihn. Am einen Ende des Bulevardi wird gerade der Hauptplatz der Stadt umgepflügt. Ein international ausgeschriebener Wettbewerb hatte zum Ziel, ihm seine ursprüngliche Bestimmung als Schnittpunkt der wichtigsten Verbindungswege zurückzugeben. Ob das gelingen wird, ist jetzt, im Frühsommer 2011, noch nicht abzusehen – zum Leidwesen der Autofahrer, die den Platz noch lange, vielleicht für immer großräumig umfahren müssen.

Mittelpunkt des Platzes und (gemeinsam mit dem großen Uhrturm und der Et'hem-Bey-Moschee) der ganzen Stadt ist die Reiterstatue des Skanderbeg. Der Fürst leitete im 15. Jahrhundert den Abwehrkampf gegen die Osmanen und ist seither der albanische Nationalheld. (Sein Schwert und der charakteristische gehörnte Helm liegen übrigens im Wiener Völkerkundemuseum.)

Glaubt man den Souvenirläden, ist nur eine weitere geschichtliche Figur so populär wie Skanderbeg: Nënë Tereza, die aus Skopje (heute Mazedonien) stammende Mutter Teresa. Am anderen Ende des Boulevards steht eine der Statuen von ihr. Sie scheint den großen symmetrischen Bau vor sich zu segnen.Bis 1944 war er die Casa del Fascio, heute ist er Teil der Technischen Universität. Hinter ihm liegt der Große Nationalpark mit künstlichem See und viel Auslauf.

Grau ist Tirana übrigens schon lange nicht mehr. Edi Rama, Künstler und seit 2000 Bürgermeister, verordnete vielen Häusern ein Facelifting in Form von großflächigen farbigen Übermalungen.

Laut Lonely Planet ist Albanien 2011 das angesagteste Reiseland. Folgsame Rucksacktouristen sind daher auch unterwegs. Sie wollen die Enver-Hoxha-Pyramide sehen, laut Thomas-Cook-Führer "Tirana's strangest building", die vor sich hin gammelt und auf der Italiener in großen Spray-Lettern kundgetan haben, dass sie Inter immer im Herzen haben werden. Oder den "Bllok", das ehemalige Wohnviertel der Parteioberen, heute ein besonders lebendig lautes Quartier voller Bars und Geschäfte. Vom obersten Stock des Sky Tower nebenan sehen sie dann praktisch auf die gesamte Stadt, auf die Parks, die alten kleinen Wohnhäuser mit Garten, die sich zwischen modernen Bauten in abenteuerlichsten Stilrichtungen ducken.

Woran erinnert das alles, fragen sich der Flaneur und die weit gereisten Rucksacktouristen. Spätestens beim nächsten Kaffee in einer Bar kommen sie drauf: So ähnlich schaut es in manchen süditalienischen Städten aus, etwas ärmer vielleicht, unfertiger noch, aber dennoch oder grade: Willkommen am Mittelmeer!

Kulisse für Karl-May-Filme

Bald werden mehr Reisebusse über den Boulevard gleiten, und irgendwann wird Tirana vielleicht im Westen angekommen sein. Aber es geht auch anders. Dazu muss man die Stadt verlassen, sich durch ihr zersiedeltes Weichbild und die brutal verbaute Küste bei Durrës durchschlagen bis aufs Land. Zum Beispiel bis Berat, drei Stunden südlich der Hauptstadt.

Berat, die "Stadt der tausend Fenster" und der weißen Häuser, ist ein konserviertes Stück osmanischer oder vielmehr multireligiöser Lebensart. Denn neben den Moscheen stehen auch mehrere Kirchen auf beiden Seiten des Flusses Osum (vor den Türken sollen es 42 gewesen sein ... ). Obwohl Ort und Burg immer wieder von Plünderern und Feinden heimgesucht wurden – laut Führer "von den Römern bis zur Luftwaffe" -, hat man sie doch entsprechend oft restauriert.

In den Sechzigerjahren wurde Berat sogar offiziell zur Museumsstadt. Das hieß unter anderem, dass die Plattenbauten nur weit draußen hochgezogen wurden. Und wenn Hoxha erlaubt hätte, in Albanien zu drehen, dann hätte Berat die perfekte Kulisse für Karl-May-Filme über die Schluchten des Balkan oder das Land der Skipetaren (= Albaner) abgegeben.

Vielleicht war es besser so. Denn Berat blieb unbekannt, und noch immer verlieren sich nicht viele Besucher in diese Gegend Albaniens. Beim WM-Endspiel blieben die Berater weitgehend unter sich – in großen Gruppen im Freien sitzend vor den Flachbildschirmen der Cafés. (Michael Freund/DER STANDARD/Printausgabe/25.06.2011)

-> Mehr Bilder von Tirana gibt's in einer Ansichtssache.

Foto: Michael Freund