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Viele Flüchtlinge nehmen trotz großer Gefahren die Überfahrt nach Europa auf.

Foto: EPA

Nach dem Bericht des "Guardian", wonach Einsatzkräfte der Nato im März und April ein steuerloses Boot mit 72 Flüchtlingen auf offener See ihrem Schicksal überlassen haben sollen und dadurch 61 Menschen ums Leben gekommen seien, wird dieser Vorwurf von Seiten des Militärbündnisses bestritten. Eine Sprecherin der Nato erklärte: "Die Nato-Schiffe sind sich ihrer Verantwortung gemäß dem internationalen Seerecht voll und ganz bewusst", sagte sie. Zudem habe sich zum fraglichen Zeitpunkt lediglich der italienische Flugzeugträger "Garibaldi" im Mittelmeer befunden - allerdings etwa 100 Seemeilen von der Unfallstelle entfernt.

Der "Guardian" hatte berichtet, dass der Flugzeugträger, von dem Überlebende des Flüchtlingsboot berichtet hatten, das französische Schiff "Charles de Gaulle" gewesen sei. Die Überlebenden hätten gesehen, dass zwei Jets aufstiegen und niedrig über die Schiffbrüchigen flogen. Allerdings folgte keine Hilfe für die Flüchtlinge. Französische Stellen hätten dieser Darstellung widersprochen, auf spätere Vorhaltung jedoch nicht mehr reagiert.

Warum half Küstenwache nicht?

Unklarheit herrscht weiterhin auch, warum die italienische Küstenwache nicht schon zuvor Hilfe geschickt hatte. Laut "Guardian" hätten die Flüchtlinge per Satellitentelefon einen Mittelsmann in Rom informiert, der wiederum die italienische Küstenwache benachrichtigt habe. Ein Hubschrauber sei dann über dem Boot angekommen: Die Besatzung habe Trinkwasser herabgelassen und Hilfe angekündigt. Diese sei jedoch nie angekommen.

Auf diese Vorwürfe reagierte die Nato-Sprecherin nicht, sie betonte lediglich, dass Nato-Soldaten erst kurz vor dem berichteten Zwischenfall bei zwei Aktionen rund 500 Menschen auf offener See vor dem Ertrinken bewahrt hätten.

Hintergrund der Tragödie: Zwei Wochen auf hoher See

Das betroffene Boot mit den 72 Flüchtlingen hatte am 25. März die libysche Hauptstadt Tripolis verlassen, der Kapitän verlor jedoch nach etwa 18 Stunden den Kurs auf die angesteuerte italienische Insel Lampedusa. Nachdem der Treibstoffvorrat zur Neige gegangen war, trieb das Boot ohne Steuermöglichkeit zwei Wochen lang auf dem offenen Mittelmeer. Als es am 10. April nahe der libyschen Stadt Zlitan angeschwemmt wurde, waren noch 11 der ursprünglich 72 Insassen am Leben.

Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge stammte aus Äthiopien, zwanzig weibliche Insassen und zwei Kleinkinder waren an Bord. Nato-Sprecherin Carmen Romero sagte zu dem Fall: "Wir sehen uns die Behauptungen des Guardian genau an und können hoffentlich bald Näheres sagen. Alle Nato-Kräfte sind sich voll und ganz bewusst, welche Verantwortung sie gegenüber der Sicherheit von Menschenleben auf hoher See haben." (red, derStandard.at, 9.5.2011)