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Tunesische Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine.

Foto: EPA

Mit ihrem unabhängigen Radio Kalima hofft die Concordia-Preisträgerin Sihem Bensedrine auf eine Sendelizenz in Tunesien. Die Behörde blockiert, sagte sie Doris Priesching: Noch immer entscheiden Politiker des alten Regimes.

STANDARD: Was änderte sich in der tunesischen Medienlandschaft nach der Revolution?

Bensedrine: Die Situation ist unverändert. Die traditionellen Medien sind weiterhin nicht unabhängig. Die Menschen des alten Regimes sitzen nach wie vor in den entscheidenden Positionen. Ihre Rhetorik ist eine andere, aber sie kontrollieren die Berichterstattung. Diese Medien sind keine Medien der Revolution.

STANDARD: Mit dem Onlineradio Kalima betreiben Sie ein unabhängiges Medium. Warum nur im Web?

Bensedrine: Wir haben bis heute keine Lizenz zum Senden. Die Herausforderung für unabhängige Medien ist, die Wahlen am 24. Juli zu begleiten. Wir hoffen sehr, die Sendelizenz davor zu haben, denn nur zehn Prozent der tunesischen Bevölkerung hat Zugang zum Internet. Wir machen viel Druck und protestierten vor dem Regierungspalast, um unser Recht zu fordern. Wir hatten Versprechungen von unserem Premiereminister Beji Caid el Sebsi. Sie wurden zu Anfang April gemacht, bis jetzt ist nichts passiert. Die neue Medienbehörde leitet ein früherer Dissidenten. Sie blockiert uns.

STANDARD: Was können Onlinemedien in der postrevolutionären Phase bewirken?

Bensedrine: Es gibt Meinungsfreiheit im Web. Alternative Medien betreiben großen Aufwand, um ihre Nachrichten zu verbreiten. Bürgermedien spielen die Hauptrolle, Menschen zu informieren. Radio Kalima ist nicht groß, aber wir könnten ein leitender Stern sein, dem andere Medien folgen.

STANDARD: Wo steuert Tunesiens Medienlandschaft hin?

Bensedrine: Wir hatten unsere Revolution und waren erfolgreich. Die Umwandlung zur Demokratie dauert, es braucht Zeit.

STANDARD: Welche Unterstützung erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?

Bensedrine: Die Unterstützung ist zu gering. Wir sehen kein großes Engagement, so wie es etwa für die Elfenbeinküste stattfindet. Die Gemeinschaft verhält sich wie bisher: Sie wartet ab.

STANDARD: Was bedeutet der Concordia-Preis für Sie?

Bensedrine: Der Preis ist eine Möglichkeit, die Regierung zu überzeugen, dass wir die Sendelizenz brauchen und sie verdienen. (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 3.5.2011)