Informationen: Auto Shanghai 2011

Einen Messerundgang gibt's in dieser Ansichtssache.

Foto: Stockinger

Wenn 1,3 Milliarden Chinesen heuer rund 13 Millionen Pkw kaufen, ist das noch immer ein ganz anderer Prozentsatz als wenn beispielsweise acht Millionen Österreicher 300.000-mal zuschlagen. Dennoch ist das nun unumstritten der weltgrößte Automobilmarkt, und halbwegs konservativen Prognosen zufolge fällt 2018 die 20-Millionen-Hürde. Anders als in den USA, Europa und Japan kann aber von Sättigung im Reich der Mitte noch lange keine Rede sein.

Ein regelrechter Goldrausch ist die Folge. Jeder renommierte Autobauer mischt mit oder will das künftig tun. Chinas Hersteller wiederum, von denen man im Westen kaum die Namen kennt, Brilliance, BYD, Chery, Geely, SAIC etc., wollen selbst in absehbarer Zeit alle an die Wand fahren, Europäer, Amis, Japaner, Koreaner, und vor allem bei der lauthals propagierten Mobilität der Zukunft, der elektrischen, von Anfang an ganz vorn mit dabei sein.

Diese kurz skizzierte Gemengelage bildet die Hintergrundmusik für die heurige große China-Motorshow, die Auto Shanghai 2011, inzwischen wichtigste Automesse in Asien, Junge, dort spielt sich's ab, die gehen alle brav zur Messe.

Dass dort vor allem die Deutschen groß aufgeigen und da die VW-Gruppe noch herausragt, liegt an deren Selbstbewusstsein und Marktposition, die im Falle von Europas Nummer 1 mit konzernweit rund 18 Prozent Pkw-Marktanteil eine ziemlich dominante, weil Chinas Nummer 1 ist. Und so zeigt man Weltpremieren, die früher auf den Salons in Genf, Detroit oder Tokio ins Rampenlicht geschoben worden wären, eben in Schanghai. VW-Chef Martin Winterkorn: "China ist das Gravitationszentrum für Wachstum, neue Trends und Technologien."

Starten wir gleich mit VW. Der Marke. Dem Beetle. Dessen Neuauflage ist hier der Messestar. Abgefeiert mit Mordsbrimborium, erdrotationsbedingt zeitversetzt auch in Berlin und New York. Ist erstaunlich fesch geworden. Flacher, coupéhafter, 4,28 m lang, der Innenraum wurde völlig umgekrempelt. Früher verschenkte man vorn viel Platz, der dann auf der Rückbank fehlte - nun sind die Platzverhältnisse auch für Hinterbänkler menschenrechtskonform, 310 l Kofferraum sind ebenfalls okay. Starten wird der Beetle bei uns im November. Nicht für Österreich vorgesehen, in China aber - nicht nur beim Absatz - ein Riesending: Passat. Praktisch ident mit dem jüngst in Detroit präsentierten US-Passat, der mit 4,87 m dem chinesischen Hang zur Länge Rechnung trägt. Die brauchen das. Partei- und andere Bonzen.

Bei so viel VW lässt sich natürlich auch Audi nicht lumpen. Die Ingolstädter kommen mit dem jüngsten, kompaktesten Q daher, dem Q3. Soll BMWs X1 und Range Rovers Evoque Konkurrenz machen. Ein typischer Audi - fast zu typisch, sagen manche; gerade recht, finden Audi-Fans. Ein garantierter Bestseller. Dank enormen Leichtbauaufwands wiegt die Basisversion keine 1,5 Tonnen, ein Kofferraum von 460 bis 1365 Liter sollte für Freizeitgesellschafter ausreichen, der sparsamste Q3 (2,0 TDI mit 140 PS und Frontantrieb; Preis dieses Einstiegsmodells: 31.300 €) begnügt sich normtestzyklisch mit weniger als 5,2 l / 100 km.

Gebaut wird der Wagen übrigens in Katalonien, im Werk Martorell. Dort ist Seat zu Hause, jene spanische VW-Tochter, die nun erstmals auf einer Autoshow in China präsent ist und dabei ankündigt, 2012 dort mit dem Verkauf seiner Modelle beginnen zu wollen. Skoda ist ja bekanntlich schon recht erfolgreich da.

Was die Neuheiten betrifft, haut BMW nach VW am lautesten auf den Putz. Einmal per Studie, einmal per Serienmodell. Concept M5: praktisch unverhüllt der neue M5. Stimmigkeit und Grimmigkeit und Muskeln, ohne jeden Prolo-Verdacht. Motorische Rahmendaten: 4,4-l-V8 mit zwei Turboladern, rund 560 PS. Damit nimmt BMW auch schon wieder Abschied vom 5,0-l-V10-Sauger (507 PS), der im Auslaufmodell erstmals eingesetzt wurde. Nach Österreich gelangt die Rennsport-Limo Anfang 2012. Weltpremiere feiert das 6er Coupé: langgestreckter Beau ohne stilistische Sollbruchstelle. Kommt zunächst mit zwei Motoren: einem neu entwickelten Twinturboreihensechser mit 320 PS (640i) und einem Twinturbo-V8 mit 407 PS (650i).

Damit reichen wir die Staffel weiter an Mercedes, wo sich alles auf die A-Klasse konzentriert. Damit das jetzt nicht missverständlich wird: Concept A-Class bedeutet, dass das noch eine Studie ist, stilistisch allerdings darf man davon ausgehen, dass damit schon fast alles verraten ist hinsichtlich des Serienmodells - das vermutlich gegen Mitte 2012 in den Handel kommt. Und, Überraschung: Aus dem einstigen Pummelchen wird ein richtiger Dynamiker! Tolles Auto, das sich da ankündigt.

Auch technisch: Neuer 2,0-Liter-4-Zylinder-Otto mit 210 PS und, ebenfalls Premiere, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe "DCT", beides zu 100 Prozent Mercedes-Entwicklungen. Das DCT wird innerhalb von vier Jahren auf breiterer Front in kleineren Benzen zu finden sein. Parallel zu Schanghai ist das Konzeptfahrzeug derzeit auch in New York zu sehen, was schon zeigt, welche Bedeutung das Fahrzeug für Mercedes hat.

Und die Franzosen, die ja bekanntlich auch in China reüssieren wollen? Citroën zeigt einen feschen Vorboten der DS5. Der Wagen kommt Ende des Jahres in den Handel, und zwar gleichzeitig mit zwei Benzinern, zwei Diesel-Aggregaten und einer Diesel-Hybrid-Version (Systemleistung: 200 PS). Da musste auch Peugeot in Schanghai ran - und tut dies mit der Crossover-Studie SXC. Auch interessant. Wird nur nie gebaut werden. (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/22.04.2011)