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Tuberkulose zehrt aus und führt schnell zum Tod. Der Bazillus zerströt vor allem die Lungen. Die wenigsten Menschen in Afrika werden in Krankenhäusern behandelt.

Foto: APA/Schalk van Zuydam

Kapstadt/Manzini - Alles ist eine Frage der Perspektive. "Manchmal ist es ein Pech, wenn eine Krankheit heilbar ist", sagt Patrizia Carlevaro. Sie engagiert sich seit vielen Jahren im Kampf gegen Tuberkulose (TBC). Allein 2009 wurden 9,4 Millionen Neuerkrankungen registriert, 1,9 Millionen Menschen starben. MDR-TB-Partnership heißt Carlevaros Projekt, in das Hilfsorganisationen und Regierungen in den Hochrisikoregionen Russland, China, Indien und Südafrika eingebunden werden. Die resolute Italienerin vertritt den US-Pharmakonzern Eli Lilly, hat früher bei Unicef gearbeitet und koordiniert TBC-Aktivitäten von Genf aus. Prävention, Behandlung und Awareness sind drei Säulen dieser Initiative. Im Bus auf dem Weg ins Township Gugulethu in Kapstadt erklärt sie, wie sie diesen Satz meint. "Wenn eine Krankheit heilbar ist, nehmen sie die Menschen weniger ernst." Die Folge: Regierungen in betroffenen Ländern haben keine entsprechenden Tuberkulose-Programme etabliert, haben Aufklärung vernachlässigt. Die Industriestaaten wiederum glauben, die extrem ansteckende Krankheit, die Krankheit der Armut wie sie genannt wird, überwunden zu haben. Neue Medikamente wurden nicht entwickelt.

Armut als Ursache

Sogar die Erkrankten selbst unterschätzen den Ernst ihrer Lage. Dagegen arbeitet man im Community-Center in Gugulethu, in dem Medikamente verteilt werden. Hier sitzen ausgezehrte Menschen, das Bakterium frisst ihre Reserven auf, macht aus Menschen wandelnde Skelette. Mit Masken sitzen sie und warten. Was die Krankenschwestern unermüdlich wiederholen: "Niemals die Therapie abbrechen, weil sich sonst resistente Formen entwickeln", (siehe Kasten). Das Rote Kreuz hat im Township auch Krankenschwestern engagiert, die TBC-Kranke zu Hause betreuen.

Wer die Therapie abbricht, tut es weder aus Dummheit noch aus Verantwortungslosigkeit. Die Medikamente haben schwere Nebenwirkungen, vor allem dann, wenn sie ohne Nahrung zu sich genommen werden. Viele hier haben nicht genug zu essen - die Helferinnen vom Roten Kreuz bringen deshalb immer auch Esspakete zu den Kranken und überwachen die Medikamteneinnahme. Bis zu 24 Monate kann eine TBC-Therapie und damit diese Hausbesuche dauern.

Insgesamt acht Medikamentenklassen stehen für die Tuberkulose-Therapie zur Verfügung. Das größte Problem: die unterschiedlich starken Nebenwirkungen auf Leber, Nieren, Augen und Ohren. "Die meisten unserer Patienten sind HIV-positiv, müssen deshalb zusätzlich antiretrovirale Medikamente nehmen, auch das ist zu berücksichtigen", sagt Riana Louw, Leiterin des Sizwe-Spitals in Johannesburg. Im pavillonartigen Areal werden Patienten je nach TBC-Typologie in Gruppen eingeteilt und über Monate stationär behandelt. "Unser größtes Problem: "Späte Diagnosen", sagt Louw. "HIV/Aids hat die Verbreitung von TBC richtig angeheizt und die MDR-TB-Raten steigen lassen", erklärt Lee B. Reichman (siehe Interview). Diese beiden Erkrankungen ließen sich nicht mehr unabhängig voneinander betrachten, betont der TBC-Experte der Universität New Jersey. Viele Aspekt, wie etwa die Frage der Medikamentendosierung müssten erst noch erforscht werden.

Apropos Medikamente: Im Rahmen des MDR-Partnership-Programmes besteht ein Teil des Eli-Lilly-Hilfsprogrammes in der Unterstützung des südafrikanischen Pharmakonzerns Aspen Pharmacare, der neben HIV-Medikamenten auch TBC-Arzneimittel erzeugt. "Spezialisten von Eli Lilly haben uns bei Produktionsfragen durch ihr Know-how unterstützt und uns bei der Datenaufbereitung für die Zulassung der Medikamente ganz entscheidend geholfen", sagt Aspen-Geschäftsführer Stavros Nicolaou. Medikamente in Afrika für Afrika zu produzieren, das sei ein besonders nachhaltiger Weg, die Situation der Menschen in diesen Ländern zu verbessern, so Reichman.

Polygame Bevölkerung

In Swaziland, dem kleinen Königreich westlich von Südafrika, ist jeder zweite Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren HIV-positiv - eine der höchsten Raten weltweit. Das Land ist arm, viele Swazis arbeiten in den Minen Südafrikas und haben das HIV-Virus ins Land eingeschleppt. Männer, die es sich leisten können, eifern dem König Mswati nach: Er hat 13 Frauen. Ein Landarbeiter muss 15 Kühe für eine Frau bezahlen. HIV verbreitete sich rasend.

Maria Katulu, Schweizerin und engagiert beim Roten Kreuz, ist seit 1999 im Lande und hat eine Stunde von Manzini entfernt die Sgombeni-Klinik aufgebaut: "Wir haben die ersten vier Jahre zugeschaut, wie die Menschen wie Fliegen an HIV und TBC starben, aber wir sind geblieben." Die ClanChiefs vertrauen eher den lokalen Medizinmännern, nicht den Helfern aus der Schweiz. Erst als Katulu einen todkranken Chief durch Medikamente retten konnte und dieser wieder seine Felder bestellte, fassten die Menschen Vertrauen und willigten langsam in eine Behandlung ein. Heute ist in der Sgombeni-Klinik reger Betrieb. Immer mehr Menschen lassen ihren HIV-Status checken, holen Medikamente, lassen ihre Kinder untersuchen. In besonders schweren Fällen kommen Pfleger aus der Klinik mit ihren Jeeps in die abgelegenen Hütten. Die Straßen sind schlecht, oft dauert ein Krankenbesuch einen halben Tag.

Maria Katulu ist froh, dass endlich auch die Swazi-Regierung reagiert und ihre Arbeit schätzt. Das Projekt gilt als Vorbild für die Versorgung von HIV-Positiven und/oder TBC-Kranken im ruralen Raum. "Man muss die Menschen und ihre Kultur mögen, auch wenn sie für uns unverständlich ist", sagt sie. Für einen Swazi sei es umgekehrt undenkbar, ohne verheiratet zu sein, Kinder zu haben.

Worauf sie und alle anderen im Kampf gegen TBC und HIV in der Dritten Welt hoffen, ist eine Art von "globaler Erwärmung der Herzen". Entwicklungshilfe braucht Geld, Initiativen wie das MDR-TB-Projekt von Lilly lindern Not, langfristig. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 21.03.2011)