Schriftsteller Thomas Glavinic: "Feuilletons zu lesen habe ich mir generell vor längerer Zeit abgewöhnt."

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Thomas Glavinic
Lisa
Roman
208 Seiten, Fester Einband
978-3-446-23636-3
Hanser Verlag, München
EUR 17,90
Erschienen am 7.Februar 2011

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"Kaffee her, Wasser her, Schreibmaschine her, Musik an und los gehts." So sieht der Schreibprozess bei Thomas Glavinic aus, wie er im E-Mail Karriere-Telegramm zu Protokoll gibt. Von Glavinic wurde am Montag "Lisa" veröffentlicht, der bereits achte Roman des 38-jährigen Schriftstellers.

derStandard.at: Nach den Erfolgen Ihrer letzten Werke liegt die Latte für Ihr neues Buch sehr hoch. Wie sieht Ihre persönliche Erwartungshaltung aus?

Glavinic: Ich habe das schon oft gesagt und sage es hier auch wieder: Ich messe mich an mir selber und nicht an Kritiken oder Verkaufszahlen. Wenn ich mit einem Manuskript glücklich bin, weil ich finde, dass mir ein guter, in sich stimmiger Roman gelungen ist, habe ich bereits das größte Erfolgsgefühl, das mir möglich ist. Natürlich freue ich mich über ein breites Echo auf meinen Roman, aber im Kopf bin ich schon beim nächsten Buch.

derStandard.at: Lesen Sie die Buchrezensionen über "Lisa" oder will man damit nicht konfrontiert werden?

Glavinic: Ich überfliege sie. Fällt mir dabei etwas besonders Positives oder Intelligentes auf, lese ich sie ganz. Wenn ich den beleidigt-mürrischen Ton mancher Rezensenten entdecke, blättere ich aber gleich wieder weiter und lese den Sport oder die Chronik. Feuilletons zu lesen habe ich mir generell vor längerer Zeit abgewöhnt.

derStandard.at: Wie kann man sich den "typischen" Arbeitstag, den Schreibprozess bei Thomas Glavinic vorstellen?

Glavinic: Nach dem Aufstehen ab ins Büro, das ich mir vor einiger Zeit zum Schreiben gemietet habe. Kaffee her, Wasser her, Schreibmaschine her, Musik an und los gehts. Ich überarbeite die zwei Seiten, die ich am Vortag geschrieben habe, und schreibe zwei neue. Am Ende von Seite 2 höre ich auf. Mitten im Satz. Auf die Art ist es leichter, am nächsten Tag schnell in den Text zu finden.

derStandard.at: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade am Schreiben sind?

Glavinic: Nichts Aufregendes. Lesen, fernsehen, im Kaffeehaus sitzen, reisen.

derStandard.at: Wer oder was nervt Sie in Ihrem Job am meisten?

Glavinic: Unprofessionalität.

derStandard.at: Was war Ihr bis jetzt größter Flop?

Glavinic: Mein zweiter Roman, "Herr Susi". Ein wirklich missratenes Buch, das die Negativkritiken sehr verdient hatte. Ich war jung und brauchte das Geld.

derStandard.at: Sie veröffentlichen Ihre Bücher ca. im Zwei-Jahresrhythmus. Ist das eine Zielvorgabe: Alle zwei Jahre ein Buch?

Glavinic: Nein, das ist Zufall. Ich schreibe, wie ich eben schreiben muss, wie es mir die Romane vorgeben.

derStandard.at: Wie definieren Sie bei Ihren Büchern Erfolg (Verkaufszahlen, Kritiken, persönliche Zufriedenheit)?

Glavinic: Ganz oben steht mein Gefühl dem Buch gegenüber. Und dann kommt natürlich auch der Wunsch, viele Exemplare zu verkaufen, denn davon lebe ich.

derStandard.at: Welche Autoren sind für Sie Vorbilder oder Inspirationsquellen?

Glavinic: Keine, aber jemandem wie Denis Johnson fühle ich mich verwandt. Ich will aber dazu sagen, dass ich mich nie mit so einem Genie vergleichen wollen würde.

derStandard.at: Welchen Traumberuf hatten Sie als Kind?

Glavinic: Schriftsteller. Dann gabs eine kurze Phase, in der ich Monarchist war und Offizier werden wollte. Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke, dass ich mit 14 nachts vor dem Fernseher bei der Bundeshymne aufgestanden bin, um der Fahne die Ehre zu erweisen. Meine Pubertät war anstrengend! Speziell für meine Umgebung, schätze ich. Zum Glück endeten diese Anfälle bald wieder, und ich wollte nichts als schreiben.

derStandard.at: Können Sie sich einen anderen Beruf vorstellen? Wenn ja: welchen?

Glavinic: Ich kann und will nichts anderes. Ich will keinen Chef haben, ich will keine Zeitvorgaben haben, ich will niemandem verpflichtet sein als mir selbst.

derStandard.at: Welches Buch lesen Sie gerade?

Glavinic: John Burnside: "Lügen über meinen Vater." (om, derStandard.at, 9.2.2011)