ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz räumt ein, dass die Entpolitisierung des ORF nicht in dem Ausmaß gelungen sei, wie dies geplant gewesen sei. "Politik ist ja auch die einzige Bestandsgarantie einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Trotzdem erscheint mir die versuchte Einflussnahme der Politik im ORF heute so massiv wie nie zuvor", findet er im Interview mit "profil". "Die Bereitschaft, das Spiel mitzuspielen, ist eine andere geworden. Früher gab es regelrechte Königsdramen."

Etwa in der Ära von Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem damaligen ORF-General Gerd Bacher: "Damals spielte sich alles auf Augenhöhe ab. Heute ist das nicht mehr so. Die Politiker bestimmen die Augenhöhe, und wir zwingen sie nicht auf unsere." Man müsse der Politik auch die Tür weisen können, was viel zu wenig geschehe. Die zukünftige Geschäftsführung sollte sich gleich mit der Errichtung von Firewalls und dem Anlegen von Kampfanzügen beschäftigen.

Bacher soll zum ORF "die Klappe halten"

Der Umstand, dass Bacher immer noch als Chefkommentator über den Zustand des ORF agiert, stört Lorenz, wiewohl die beiden eine lebenslange Freundschaft verbinde, wie er betont. "Was den ORF betrifft, sollte er endlich die Klappe halten. Das habe ich ihm auch schon x-mal persönlich gesagt. Er kommentiert etwas, was längst nicht mehr existiert. Und wäre der ORF so geblieben, wie er ihn aufgestellt hat, wäre das Unternehmen auch nicht mehr da. Ich finde diese Form von Muppet-Kommentaren durchaus entbehrlich."

Lauda "mit eingekniffenem Schwanz"

Dass Alfons Haider bei der kommenden Staffel von "Dancing Stars" mit einem Mann antritt, verteidigt Lorenz gegen jede Kritik von außen. "Das ist unser Statement, um diesbezüglich Normalität herzustellen. Dass dieses Statement eine solche Debatte entfacht hat, ist österreichische Skurrilität pur." Deshalb habe man auch die Folge der Satiresendung "ARGE Talkshow" verschoben, in der Haider zum Thema Homosexualität auf den christlich-konservativen Rudolf Gehring trifft. "Inzwischen hat sich Niki Lauda ja auch mit eingekniffenem Schwanz zurückgezogen, weil er offensichtlich begriffen hat, dass diese homophoben Äußerungen für sein Image nicht von Vorteil waren." Lauda hatte sich über "schwules Tanzen" im ORF mokiert, wofür er sich später entschuldigte.

"Erster Sprengmeister"

Mit Befriedigung erfüllt Lorenz der Abgang von Kommunikationschef Pius Strobl. "Ich würde mich in dieser Angelegenheit sogar als ersten Sprengmeister bezeichnen." Abgesehen von der Affäre der von Strobl angeordneten Tonaufnahmen vor dem Stiftungsratssaal habe die beiden "schon immer unsere Auffassungen von Kommunikation" unterschieden. "Ich halte nichts davon, dass man täglich wie manisch alle Medien und Politiker durchtelefoniert, um Geschichten zu lancieren. Das Gefühl, das dabei vermittelt wurde, ist, dass der ORF sich weit wichtiger nimmt, als ihm eigentlich zusteht." Nach dem Abgang von Strobl habe sich das hausinterne Klima seiner Meinung nach gewandelt. "Es ist wohltemperierter geworden, um nicht zu sagen: wärmer. Das merkt auch die Öffentlichkeit."

Die Abwahl von Informationsdirektor Elmar Oberhauser sei zu einer politischen Entscheidung hochstilisiert worden, woran dieser auch selbst Anteil gehabt habe, so Lorenz. "Alles in allem eine durch und durch entbehrliche Geschichte."

"Politik muss sich ja nicht immer irren"

Rosen streut Lorenz dem ORF-Finanzdirektor Richard Grasl, dessen Bestellung als ÖVP-Wunsch galt. "Es stimmt, dass Grasl ohne diesen Politschub nicht hier wäre. Ich halte ihn dennoch für einen sehr fähigen Mann und kein politisches Weichei. Die Politik muss sich, was Talent und Fähigkeiten betrifft, ja nicht immer irren." (APA, red)