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Wie privat eine Facebook-Konversation ist, beschäftigt derzeit die Pariser Arbeitsgerichte. Denn bei Firmenbeschimpfungen hört sich in Frankreich der Spaß auf.

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Franzosen schimpfen gern, im Allgemeinen über den Lauf der Welt, aber auch über ihr eigenes hartes Los. Wenn ihnen die Galle richtig überläuft, führt das gern zu Revolutionen, Streiks - oder neuerdings Facebook-Einträgen. Sie ersetzen den Besuch im guten alten Bistro, wo man bei Bedarf noch mit der Faust auf den Tresen hauen konnte.

"Scheißtag, Scheißjob, Scheißfirma, Scheißchefs", schrieb Eric Blanchemain auf Facebook, als er die Nase wieder einmal gestrichen voll hatte von seinem Unternehmen Webhelp in Caen (Nordfrankreich). Gewiss war das keine sehr höfliche Ausdrucksweise, doch der erboste Franzose erachtete den Anlass für angemessen: Am Tag zuvor hatte sich eine Arbeitskollegin umgebracht. Und er selbst leitete das betriebsinterne Komitee für die Arbeitsbedingungen, das die innerbetriebliche Verwicklung abklären sollte. Kein Wunder, dass der Angestellte den Blues hatte und ihn sich von der Leber schreiben wollte. Die Facebook-Seite seiner Gewerkschaft CGT schien ihm der richtige Ort dafür zu sein.

Bestrafung

Doch die Seite des sozialen Online-Netzwerks kann von jedermann gelesen werden. Auch von Blanchemains Chefs. Und die zögerten nicht lange: Vergangene Woche haben sie den Angestellten für mehrere Tage suspendiert; während dieser Zeit wollen sie die endgültige Sanktion festlegen. "Aus Verantwortungs- und Ehrgefühl werden wir jede Verunglimpfung unseres Betriebs und der Mitarbeiter bestrafen", ließ die Direktion von Webhelp verlauten.

Die Gewerkschaft protestierte gegen die drohende Entlassung. Diese Sanktion hatte ein französisches Gericht im November schon in einem anderen Fall ausgesprochen. Drei Angestellte der Pariser Beraterfirma Alten waren auf die Straße gestellt worden, weil sie ihre Arbeitgeber und ihr Unternehmen auf Facebook als einen "Klub der Unheilvollen" bezeichneten. Die Direktion begründete den Schritt mit unzulässiger "Anschwärzung des Unternehmens".

Vor Gericht

Die Entlassenen gingen damals vor Gericht, wo ihre Anwälte anführten, dass sich ihre Klienten in dem "Klub" selbst miteingeschlossen hätten; auch hätten sie ihre Litanei über ihr hartes Arbeitsleben mit vielen Smileys abgeschwächt.

Aber das Arbeitsgericht bestätigte die Entlassung im November. "Angestellte können ihre Vorgesetzten in der Öffentlichkeit nicht ungestraft kritisieren, diffamieren oder beleidigen", hieß es im Urteil. Das Gericht stufte dabei Facebook als öffentlich zugängliches Forum ein, da Millionen von Mitgliedern rund um den Planeten die Dialoge einsehen könnten.
Privat oder öffentlich

Berufung

Die Anwälte der Entlassenen gehen aber in Berufung, da sie meinen, es habe sich um eine private Diskussion gehandelt, die für Außenstehende gar nicht nachvollziehbar gewesen sei. Auf der betreffenden Facebook-Seite seien nur fünfzehn "Freunden" eingetragen gewesen, davon fünf vom gleichen Unternehmen. Ein solcher Gedankenaustausch, der zudem im scherzhaften Ton gehalten war, gleiche eher dem privaten E-Mail-Verkehr als einer öffentlichen Debatte. Er habe außerhalb der Firma stattgefunden; und die Thematik, das heißt die innerbetriebliche Atmosphäre, betreffe nur einen fest umrissenen Personenkreis.

Dem Gericht zufolge zeigt sich der öffentliche Charakter aber schon darin, dass der Dialog bis zur Direktion vorgedrungen sei. Konkret hatte eine der fünf Facebook-Freunde den Diskussionsinhalt an die Unternehmensleitung weitergeleitet. Nicht überliefert ist, ob er heute noch zu den Freunden der Entlassenen zählt. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD/Printausgabe, 29.12.2010)

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