Sofia/Istanbul - Im "Spaßministerium" ist es nicht mehr besonders lustig. Pavlin Parischev hat so seine Residenz getauft, 2000 Quadratmeter im Naturschutzgebiet, komplett mit Löwenkäfig und eigener Kapelle auch für den Bruder ("Heiliger Pavlin und Nikolai"). Seinen Nebenjob als leitender Zollbeamter an der bulgarisch-türkischen Grenze ist der Geschäftsmann los, und das alles, weil Bulgariens Steuerinspektoren die "Operation Hubschrauber" begonnen haben: Rundflüge über Villenvororte in Sofia oder im Südosten des Landes, nahe der einträglichen Grenze zur Türkei, um stattliche Anwesen zu fotografieren, von denen offiziell weder die Finanz noch die Baubehörden wussten.

45 solcher Residenzen haben die Inspektoren allein am Ivailovgrad-See gezählt, einem Stausee in pittoresker Lage im südlichen Rhodopen-Gebirge, darunter auch Parischevs "Spaßministerium" . Im Volksmund wird Stavri Dimovo, der Villenort am Stausee, das "Dorf der Zöllner" genannt. Denn in zwei Jahrzehnten freier Marktwirtschaft haben die bulgarischen Beamten am großen Grenzübergang in die Türkei einigen Reichtum angehäuft. Seit die Inspektoren in der Luft kreisen und Bilder aufnehmen, sieht die bulgarische Öffentlichkeit in den Abendnachrichten, was ihr bisher überall im Land hinter hohen Mauern, von privaten Sicherheitsdiensten bewacht verborgen blieb. Neben dem selbst ernannten "Spaßminister" Parischev sind vergangene Woche auch zwei hohe Beamte gefeuert worden. Borissov hatte persönlich die Entlassung des Direktors der nationalen Bauaufsicht und des Leiters der Zollbehörde in Svilengrad, der größten Stadt an der bulgarisch-türkischen Grenze, verlangt. "Ich will Bestrafungen" , erklärte er seinen Ministern.

Mehr als 200 Luxusanwesen, zum Teil mit mehreren Häusern auf ausgedehnten Grundstücken, haben die Steuerbehörden laut Medienberichten mittlerweile durch die "Luftschläge" in Sofia, Plovdiv, Varna und im Südosten des Landes ausgemacht. Nur von einem Drittel kennen sie die Besitzer, und auch diese firmieren in der Regel als Unternehmen, nicht etwa als Privatpersonen. Der Villen-Protz im ärmsten Land der EU steht für eine ganze Reihe von Problemen in Bulgarien: Steuerhinterziehung, Korruption, Bauten ohne Genehmigung, errichtet durch Arbeiter ohne Sozialversicherung und unter Umgehung von Umweltvorschriften. Die Luxusresidenzen in den Naturschutzgebieten werde er abreißen lassen, kündigte Regierungschef Borissov schon einmal an. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2010)