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Brüchige Knochen im Fokus. Am 20. Oktober ist Weltosteoporosetag, am 28.10. findet im Wiener Rathaus eine Infoveranstaltung statt.

Foto: APA/Barbara Gindl

Der Rücken zum Buckel gekrümmt, der Bauch vorgewölbt, Arme und Beine erscheinen viel länger als früher: So sehen Menschen mit Osteoporose aus, 740.000 sind es in Österreich. Ihre Knochen sind porös, wie morsches Holz. Sie brechen leicht, am häufigsten an Hüfte, Unterarm oder Wirbelknochen. "Die Folgen sind nicht nur für Patienten fatal, sondern auch für das Gesundheitssystem", sagt Heinrich Resch, Präsident der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochens und Mineralstoffwechsels. Ein Jahr nach einem Hüftbruch lebt rund jeder zweite Patient in einer Langzeitpflegeeinrichtung. Etwa jeder dritte Mann und jede fünfte Frau ist an den Folgen des Bruches gestorben. Die Behandlung von Menschen mit Hüftbrüchen kostet rund 450 Millionen Euro pro Jahr. "Wir brauchen neue gesundheitspolitische Konzepte", fordert Resch. "Medikamente nützen kaum, wenn der Knochen erst einmal gebrochen ist. Viel wichtiger sind Prävention und Früherkennung, damit wir Osteoporose rechtzeitig gezielt behandeln können. Sonst können wir die Ausgaben bald nicht mehr bezahlen."

Während weltweit im Jahre 1990 rund 1,7 Millionen Menschen eine Hüftfraktur wegen Osteoporose bekamen, sollen es im Jahre 2050 bereits 6,3 Millionen sein. "Das liegt an der steigenden Lebenserwartung", erklärt Klaus Klaushofer, Direktor des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Osteologie in Wien. Je älter ein Mensch wird, desto größer ist sein Risiko. Studien weisen darauf hin, dass die Knochen der Menschen heute nicht mehr so gesund und stark sind wie noch vor Jahrzehnten. Die Menschen bewegen sich weniger, nehmen mit der Nahrung weniger Kalzium und Vitamin D auf und/oder rauchen mehr - all das begünstigt Osteoporose. Zudem nehmen mehr Menschen wegen Krebs oder einer Transplantationen Knochen schädigende Medikamente oder leiden an Magersucht, Schilddrüsenüberfunktion oder Typ-1-Diabetes, die ebenfalls Osteoporose hervorrufen können. "Wir kennen inzwischen auch mehrere Gene, die bei Menschen mit Osteoporose geschädigt sind", sagt Resch. "Das kann zum Beispiel dazu führen, dass körpereigene Hormone nicht so gut die Knochen aufbauenden Zellen anregen können."

Macht der Östrogene

Osteoporose entsteht, weil das Verhältnis zwischen Knochenaufbau und -abbau nicht mehr stimmt. Das beginnt nach dem 50. Lebensjahr und kann durch Lebensstil, Medikamente oder Krankheiten beschleunigt werden. Frauen nach den Wechseljahren sind besonders gefährdet: Ihr Körper produziert weniger Östrogene, die zuvor den Knochenabbau bremsten. "Das Fatale ist, dass man die Krankheit nicht merkt", sagt Resch. "Im Frühstadium äußert sie sich manchmal durch Rückenschmerzen. Häufig stellen wir die Diagnose aber erst, wenn ein Knochen gebrochen ist."

Das Risiko für einen Osteoporose-Bruch berechnen Ärzte aus den Ergebnissen verschiedener Untersuchungen. Eine Knochendichtemessung ist nicht immer erforderlich. "Diese empfehle ich Personen mit Risikofaktoren", sagt Klaushofer und meint Menschen, die Knochen schädigende Medikamente einnehmen, die allein durch schnelles Hinsetzen oder andere geringe Belastungen einen Knochenbruch bekommen oder nur sehr wenig wiegen. Außerdem rät er sie Frauen über 65 und Männern über 70 Jahren.

"Grundlage ist, einen Knochen schädigenden Lebensstil zu ändern", sagt Klaushofer. Das schützt auch junge Menschen vor späterer Osteoporose. Die schlechte Nachricht für Sportmuffel: Hört man mit Bewegung auf, steigt das Risiko wieder.

Ergeben die Untersuchungen ein hohes Knochenbruchrisiko, raten Ärzte zu Medikamenten. "Bei der Wahl des Präparates richten wir uns nach Alter und Begleitkrankheiten", sagt Resch. Bisphosphonate, die den Knochenabbau hemmen, kommen bei älteren Menschen infrage. Treten unter der Therapie Frakturen auf, können Knochenaufbau fördernde Parathormon notwendig sein.

 

Seit kurzem ist in Österreich Denosumab für Frauen nach den Wechseljahren zugelassen. "Es könnte sich vor allem für Patienten mit Nierenschwäche eignen, die Bisphosphonate nicht bekommen dürfen", sagt Resch. Bislang bezahlt die Sozialversicherung das Präparat nur in Ausnahmefällen. Eine Kommission prüft gerade, ob sich dies demnächst ändern wird. "Die derzeitigen Medikamente greifen bereits an vielen verschiedenen Stellen im Knochenauf- und -abbau ein", sagt Rolf Hömke vom Verband forschender Arzneimittelhersteller in Berlin. Forscher testen aber schon in Studien mit Patienten Substanzen, die an bisher nicht genutzten "Hebeln im Knochenstoffwechsel" ansetzen. "Für kaum eine andere Krankheit werden so viele Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsweisen gleichzeitig erprobt", so Hömke. Dahinter stehen auch kommerzielle Interessen. Experten schätzen, dass der Verkauf von Denosumab 2013 mehr als eine Milliarde US-Dollar bringen wird. Ob die neuen Präparate Patienten tatsächlich nützen, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. (Felicitas Witte, DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2010)