Halo: Reach (Bungie Studios/Microsoft) ist für Xbox 360 erschienen.

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Um die gesamte Spezies vor dem Untergang zu bewahren, schreckt der Mensch auch vor dem eigenen Tod nicht mehr zurück. Für ihr letztes Kapitel der "Halo"-Saga haben die Entwickler der renommierten Spieleschmiede Bungie Studios die Aufopferung als Leitthema gewählt. Die Menschheit befindet sich im Krieg und braucht in ihrer Not wahre Helden, um Hoffnung schöpfen zu können. Wer dem Pathos der Serie bis heute nichts abgewinnen konnte, den wird auch das letzte Kapitel der Gründerväter kalt lassen. Doch für die Fans des Sci-Fi-Epos ist "Halo: Reach" der  verdiente Paukenschlag zum Abschied, bevor Halo zur Gänze in Microsofts Hände übergeht und Bungie sich nach einem Jahrzehnt erstmals neuen Projekten auch außerhalb des Xbox-Universums widmet.

Dramatisch wie eh und je

Der Prolog zum ersten Teil "Halo: Combat Evolved" beschreibt den Kampf der Menschen im Jahr 2552 um eine der letzten Kolonien der Spezies gegen den feindlichen Alien-Verbund Covenant. Der Planet "Reach" hat nicht nur symbolischen Charakter, sondern bildet gleichzeitig den wichtigsten militärischen Stützpunkt des United Nations Space Command (UNSC). Der Spieler schlüpft in die Stiefel eines karg umschriebenen Mitglieds des Noble-Teams - einer Spezialeinheit aus Supersoldaten (Spartans). Protagonist Noble 6 reiht sich in eine bunt gemischte Truppe aus Scharfschützen, Strategen und Spezialisten für schwere Waffen. Die Einheit wurde zuvor schon mehrmals aufgerieben und zählt nur noch zwei Überlebende der ursprünglichen Formation.

Es folgt ein etwa achtstündiger Krieg um einen Planeten, der trotz aller Bemühungen dem Untergang geweiht ist. 700 Millionen Menschen droht der Verlust der Heimat, die Schlacht um Reach wird zur Legitimation für den unerbittlichen Kampf gegen den Todfeind Covenant.

Epische Schlachten

Die Geschichte und die dazugehörige Kampagne, die auch zu mehrt erlebt werden darf, schildert das konsequente heroische Scheitern aufopfernder Soldaten gegen eine Übermacht. Spielerisch drückt sich dies in gigantischen Schlachten unter dramatisch gezeichneten Himmeln aus. Ein Raumschiff nach dem anderen wirft bis auf die Zähne bewaffnete Gegner ab, bis der Zeigefinger vor Erschöpfung den Abzug nicht mehr freigibt. Es sind durchwegs fordernde Gefechte mit clever agierenden Feinden, die zu Dutzenden gleichzeitig aus allen Richtungen auf einen feuern. Die Entwickler haben das Sandkastenprinzip verfolgt, so wird kein Einsatz geskriptet und die Angriffe sind unvorhersehbar. Weniger unvorhersehbar sind allerdings die immergleichen Missionsziele. Das Noble-Team macht eigentlich nichts anderes, als von einem überrannten Stützpunkt zum anderen zu wandern und dort alle Feinde auszulöschen. Ob dies dramaturgisch so gewollt ist oder eine Folge der Offenheit ist, sei dahingestellt. In jedem Fall fiebert man dem Ende entgegen.


(Trailer zu "Halo: Reach")

Düsterer und schöner

Um der Dramatik etwas mehr Glanz zu verleihen, hat Bungie das technische Gerüst nochmals ordentlich aufgebohrt und den grafischen Stil der Weltuntergangsstimmung angeglichen. Technisch bedeutet dies endlich eine native HD-Auflösung (720p), bei ebenso imposanten HDR-Lichteffekten und einer nochmals gesteigerten Anzahl an computergesteuerten Mit- und Gegenspielern. Erstere agieren dabei nicht immer sehr schlau, doch der Feind weiß vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden ordentlich zu fuchsen. Die Kulissen sind in ihren Ausmaßen beeindruckend, der Himmel über dem virtuellen Kopf scheint jederzeit einstürzen zu können. Die Details blieben bei all dem Weitblick jedoch etwas auf der Strecke. Insbesondere die verwaschenen Texturen fallen negativ auf und die Animationen der Charaktere und der düster modellierten Aliens wirken zeitweise recht hölzern. Schön gelungen sind dafür die Effekte der mannigfachen Hightech-Waffen. Im Gefecht hört es niemals auf zu blitzen. Es ist in Summe das optisch eindrucksvollste Halo, für die grafische Oberliga der Konsolenwelt reicht es aber definitiv nicht. Die englische Sprachausgabe zeichnet glaubwürdige Charaktere. In der deutschen Synchronisation wissen die Stimmen zwar auch zu gefallen, die Ausgabe klingt allerdings oftmals etwas zu sehr nach Tonstudio. Dass die Aliens jetzt Alienisch sprechen, macht die Erzählung authentischer. Die musikalische Untermalung ist wie immer eine große Stärke Halos. Der Untergang Reachs wird stimmungsvoll von herzergreifenden Orchesterklängen begleitet.

Inhalt für ein Menschenleben

Angesichts der Fülle an Mehrspielerinhalten wirkt die Kampagne fast wie eine Draufgabe. Wie seine Vorgänger zeichnet sich "Halo: Reach" durch seinen unübertroffen vielseitigen Multiplayer-Modus aus. Viele der Bewerbe und Optionen kennt man zwar schon aus "Halo 3" und "ODST", doch die Entwickler haben die Systeme nochmals verfeinert und auch einige Features aus anderen Genrevertretern eingebaut. Etwa darf man nun während der Wiederbelebungszeit aus einer Reihe an Waffen- und Schild-Fähigkeiten wählen und für Erfolge erhält man Credits, die zum Einkauf neuer Kostüme verwendet werden können. Auch gibt es neue spektakuläre Waffen wie den "Gravity Hammer" und frische Fahrzeuge und Fluggeräte - etwa Jetpacks.

Zu den neuen Spielmodi zählt beispielsweise "Headhunter". Hier hinterlassen verstorbene Spieler einen Totenschädel, den andere zum Punktgewinn einsammeln und in eine Zone bringen müssen. In "Stockpile" gilt es neutrale Flaggen einzuholen und auf Zeit zu verteidigen. Bei "Generator Defense" muss ein Team aus Elites (Aliensoldaten) drei Generatoren der Spartaner zerstören. Abseits der variantenreichen Austragungsorte können Spieler wie schon in "Halo 3" eigene Maps kreieren. Die Editor hierfür wurde nochmals verbessert und erweitert.

Wo die Entwickler noch etwas nachbessern dürften, ist die Waffen-Balance. So wurden schon in der ersten Spielwoche Beschwerden aus der Spielgemeinde laut, wonach Waffen wie die Focus Rifle oder der Plasma Launcher zu mächtig seien. Gleichzeitig wurden Standard-Nahkampfattacken abgeschwächt. Für frischen Wind sorgen diverse Fähigkeiten wie Sprinten oder die Möglichkeit, Feinde mit Hologrammen von einem selbst zu täuschen. Fasst man alle neuen Multiplayer-Optionen mit den bestehenden Modi zusammen, hat man genug Spielstoff für mehrere Monate am Stück.

Fazit

"Halo: Reach" ist der erhoffte Knalleffekt zum Abschluss. Das Setting ist dramatisch, der untergehende Planet eine rührende Metapher für den Abschied Bungies. Obgleich die Einzelspielerkampagne spielerisch etwas monoton ausfällt, so dürfte für Fans der Serie das Befinden des Mehrspielerparts von größerem Gewicht sein. Und hier spielen die Entwickler all ihre Trümpfe auf einmal aus und bescheren der Gemeinde genug Zündstoff bis zur Rückkehr Halos unter den neuen Schirmherren von Microsofts eigenem Studio 343 Industries. Bleibt zu hoffen, dass auf den fulminanten Abschied ein ebenso eindrucksvoller Neuanfang folgt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 19.9.2010)