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Häufig ist gerade das Wissen um die Notwendigkeit der Selbstbeschränkung die Mutter der Poesie. Wo äußere Zwänge den schöpferischen Menschen einengen, da fühlt sich dieser doppelt motiviert, den ihm zur Verfügung stehenden Raum kreativ zu befüllen. Das Wunschkennzeichen, meint der Wiener Grafiker Peter Putz, sei in der Strenge seiner formalen Anforderungen durchaus dem japanischen Haiku vergleichbar. Wo dieser auf siebzehn Silben beschränkt bleiben muss, gilt beim Wunschkennzeichen die strikte Vorgabe: mindestens eine Ziffer und keine einzige weniger; maximal fünf Buchstaben und kein einziger mehr.

In seinem "Ewigen Archiv", einer riesigen Sammlung von Fotos, Filmen, Videos und anderem mehr, hat Putz neben Bildern von Design-Desastern, Hydranten oder flachen Tieren auch Wunschkennzeichen gesammelt - aus diesem Datenbergwerk stammt der Kennzeichenteppich unter diesem Text (fast alle Fotos sind von Putz selbst; Sonja Gasparin hat einige Exemplare aus Kärnten beigesteuert.)

Der Teppich soll die geschätzten Leserinnen und Leser zur meditativen Versenkung in österreichische Wunsch- und Innenwelten animieren. Da steht das Tri-viale neben dem Rätselhaften, das Raffinierte neben dem Beiläufigen, das Humorvolle neben dem Lapidaren. Das dränglerische FIRST 1 konkurriert mit dem lautstarken FORTE 1, während dem schillernden NARR 1 wiederum nicht zu entnehmen ist, ob es sich hier um eine Selbstcharakterisierung des Fahrzeughalters handelt oder er diese Bezeichnung auf andere Verkehrsteilnehmer angewendet haben möchte.

WODKA 1 zeugt von einer gewissen Provokationslust den Polizisten gegenüber, die mit dem Alkomaten an der Straße lauern, MAMA 1 von familiärer Anhänglichkeit. SCHÖNHEIT wäre ein Wort, das den Rahmen jedes Kennzeichen sprengen würde - daher wird sie flugs ins Englische übersetzt und in großer orthografischer Freiheit als BJUTY 1 wiedergegeben. Und der Dame oder dem Herrn, der mit JANDL 5 einem großen österreichischen Dichter die Reverenz erwiesen hat, war die Poesie des Wunschkennzeichen-Dichtens gewiss bewusst. Wen wundert es, dass das Wunschkennzeichen zu einer nationalen Passion geworden ist? Seit 1989 haben 450.000 Österreicherinnen und Österreicher insgesamt 70 Millionen Euro für das Schild ihrer Wahl ausgegeben. Um nur 227,20 Euro geht jeder Wunsch in Erfüllung. (Christoph Winder, DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.9.2010)