StarCraft II (Blizzard) erschient am 27. Juli für PC und Mac

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StarCraft II soll auch das eSport-Erbe des Originals antreten.

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Srceenshots aus StarCraft II

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Wenn sich 120.000 Menschen versammeln, um ein Finale anzusehen und Fernsehkanäle ihr Programm nach einem einmaligen Ereignis richten, denkt man unweigerlich an ein bedeutendes Fußballmatch oder irgendeinen anderen sportlichen Vergleich. Aber als im Jahr 2005 in Busan, Südkorea das große Endspiel der SKY proleague ausgetragen wurde, lag kein Ball am Feld. Die Stimmung war dennoch gespannt, teils euphorisch. Fanclubs riefen ihren Favoriten zu, unzählige von ihnen kostümierten sich mit den Trikots ihrer Lieblingsspieler. Als der Startschuss fiel, kehrte für einen Moment Totenstille ein. Als die Spieler der Teams SK Telecom T1 und KT Rolster loslegten, war nicht mehr zu hören, als das Klicken von Tasten. Wer nicht auf die riesigen Leinwände blickte, konnte vom eigentlichen Geschehen wenig ausmachen.

Dabei kündigte sich ein Krieg mit epischen Ausmaßen an. Gegenüber saßen sich die besten "StarCraft"-Spieler des Landes und gleichzeitig die Weltelite der Echtzeitstrategie. Wie im Schach der Moderne wurden Angriffs- und Verteidigungspläne zurechtgelegt. Kasernen wurden hochgezogen, Truppen rekrutiert, Waffentechnologien erforscht und Späher ausgesandt. Erste Scharmützel zwischen kleinen Verbänden dienten lediglich dem Abtasten des Gegners, während die wachsenden Armeen im Verborgenen gehalten wurden. Schlachtschiffe flankierten, nahmen scheinbar willkürlich Reißaus, um in Wahrheit von der Expansion der Basis abzulenken. In nicht einmal 20 Minuten war nach einer Entscheidungsschlacht alles vorüber, symbolisiert durch den virtuellen Sturz des Königs - ein einfaches "gg".

Perfektion des Erfolgs

Wie kann es sein, fragt man sich als Außenstehender, dass ein Computerspiel derartige Begeisterung auslöst? Als der US-Hersteller Blizzard "StarCraft" 1998 für PC und Mac veröffentlichte, sollte der Maßstab für alle weiteren Werke des Genres gesetzt werden. Und das zu einer Zeit, als nicht Egoshooter wie "Call of Duty" die Mehrheit fesselten, sondern man sich vorzugsweise an Strategiespielen die Zähne ausbiss. Der Verkaufsrekord folgte prompt: 1,5 Millionen Exemplare gingen in nur einem Jahr über die Ladentische. Bis heute wurden knapp 10 Millionen Kopien verkauft, Millionen weitere dürften über Tauschbörsen heruntergeladen worden sein.

Wirft man einen Blick zurück auf die Rezensionen der Fachpresse, dürfte der Erfolg StarCrafts schlichtweg in zwei Elementen begründet sein. Zum einen führte Blizzard erstmals in einem Echtzeitstrategiespiel drei unterschiedliche, spielbare Klassen ein und andererseits haben die Entwickler bis heute nicht damit aufgehört, das Spiel zu perfektionieren. Ein erstklassiges Werk wurde über 12 Jahre hinweg gehegt und gepflegt und gewann damit langsam aber sicher die Spielerherzen für sich. Kaum ein anderes Spiel erfuhr derart große und andauernde Zuwendung seiner Schöpfer und ebnete damit wie ein klassischer Sport auch den Weg für professionelle Bewerbe.

(Video: StarCraft-Finale der World Cyber Games 2009, die Weltmeisterschaft des eSport)

Auf goldenen Säulen gebaut

Mit der Veröffentlichung von "StarCraft II" am 27. Juli 2010 erwartet die Fangemeinde also alles andere, als eine rasch hingeworfene Fortsetzung. Seit 2003 arbeiten die kreativen Köpfe rund um die leitenden Designer Dustin Browder und Samwise Didier an dem Nachfolger. Alles soll den Erwartungen der treuen Spielerschaft gerecht werden. Dafür wurde mit Bedacht am Konzept gefeilt, die Technik aktualisiert und die Stärken ausgeweitet. Doch die Messlatte liegt hoch, vor allem weil man das Original selbst zum Werk ohne richtige Schwächen werden ließ.

Die Hoffnungen des Herausgebers Activision-Blizzard sind ebenfalls groß. CEO Robert Kotick meinte Anfang Juli erst, mit Teil zwei der Saga wolle man ein ähnlich potentes Standbein aus dem Boden stampfen wie es mit Hits vom Schlage "Guitar Hero" oder "World of WarCraft" gelang. 500 Millionen bis 1 Milliarde US-Dollar Umsatz erwarte man sich vom vorprogrammierten Hit. Die Entwicklung habe man sich rund 100 Millionen Dollar kosten lassen - ebenso viel wie Rockstar Games in "Grand Theft Auto IV" investiert haben soll.

Schach 2.0

Kotick scheint jedenfalls von der Strahlkraft seines neuen Zugpferds überzeugt zu sein. Mit dem StarCraft-Universum wurde und wird dem Spieler nicht nur eine futuristische Welt, in der Menschen und Außerirdische auf fremden Planeten (Terraner, Zerg und Protoss) um Ressourcen kämpfen, in die Hände gelegt. Vielmehr bieten die Entwickler mit ihrem unablässigen Verbesserungswillen eine perfekte Plattform für Spieler aus aller Welt, um ihre Fähigkeiten über die kommenden Monate und Jahre aneinander messen zu können. Mehr denn je soll das neue StarCraft dank des überarbeiteten Onlinenetzwerks Battle.net auf Mehrspielerpartien ausgelegt sein. Es ist beinahe so, als hätte jemand Schach zum Vorbild genommen und schlicht das Feld und die Figuren mit den Möglichkeiten des Computers erweitert.

Dabei ist die Ausgangslage die gleiche. Zwei Parteien stehen einander gegenüber und versuchen einander auszustechen. Doch bevor noch der erste Bauer ins Feld stürmt, darf bei StarCraft jeder Spieler selbst aussuchen, welche Einheiten er bauen, welche Fähigkeiten er ausbilden und wie viele davon er brauchen wird, um sein Gegenüber zu besiegen. Genauer gesagt, müssen alle diese Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden.

Schneller als der Schall

StarCraft verlangt seinen Spielern damit weit mehr als die Leistung ab, vorausplanen zu können. Vom Abbau der Ressourcen über den Basisbau und die Entwicklung von Technologien bis zur eigentlichen Kriegsführung muss praktisch alles parallel geschehen, will man den oder die Kontrahenten überrumpeln. Nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip müssen Einheiten und Fähigkeiten zudem auf jene des Feindes abgestimmt werden. Der Spieler wird von der Sucht getrieben schneller zu werden. Schneller zu denken. Schneller zu entscheiden. Schneller zu handeln.

Um die hohen Ansprüche an die kognitiven Fähigkeiten und die Hand-Augen-Koordination zu verdeutlichen, lohnt ein Blick in die Profiszene. Um an der Weltspitze mitwirken zu können, sollte man in der Lage sein, zwischen 200 und 300 Aktionen pro Minute ausführen zu können. Diese Kennziffer, genannt APM, ist ausschlaggebend dafür, wie viele Befehle man über Maus und Taststatur geben kann. Es verwundert daher auch nicht, dass die Besten ihrer Zunft kaum älter als Ende 20 sind. Denn irgendwann spielt nicht nur die Konzentration, sondern auch der Körper nicht mehr mit.

Mikro-Makro, aber nicht wie auf der Uni

Eine der größeren Neuerungen bei StarCraft II neben der schöneren Grafik betrifft das so genannte Micromanagement. Durch neue Einheiten und Spezialfähigkeiten der Truppen werden Spieler noch mehr darauf achten müssen, was ihre einzelnen Krieger im Feld anstellen. Dazu gehört neben der Vorausplanung und dem strategischen Verständnis auch jede Menge Geschick. Top-Spieler schicken ihre Armeen nicht einfach geradewegs ins Inferno, sie richten jede Einheit einzeln aus, um sie mit der möglichst größten Effizienz einzusetzen. So können kleine Einheiten nicht nur als schnelle Angreifer, sondern beispielsweise auch als Blocker eingesetzt werden. Zählt bei vielen Strategiespielen vorrangig die Masse an produzierten Truppen, ist bei StarCraft die Abstimmung und Anpassung der einzelnen Armeen umso wichtiger.

Kampagne in Raten

Das heißt aber nicht, dass Neulinge ausgeschlossen werden. Klar, wer sich gleich in Online-Schlachten wirft, wird zu Beginn viele Niederlagen einstecken müssen. Aber ebenso geschätzt wie der Multiplayer, war bei StarCraft immer schon die Einzelspielerkampagne, die einen durch die Geschichte und alle Tricks und Finessen des Spielgeschehens führt. Bei der Umsetzung ist sich Blizzard treu geblieben und erzählt die Handlung abermals in computergenerierten Zwischensequenzen. Die Kampagne wird dieses Mal aber in drei Teile aufgesplittet, wobei das erste Kapitel "StarCraft II: Wings of Liberty" sich auf die menschliche Spezies "Terraner" konzentriert. Die folgenden Episoden "Heart of the Swarm" und "Legacy of the Void" werden die Spieler in die Haut der Aliens versetzen. Die "Zerg" stellen eine assimilierende Insekten-Spezies dar, während die "Protoss" über psychische Kräfte verfügen. Bereits 1998 erhielt Blizzard für die Wahl der Synchronstimmen viel Lob von den Kritikern. Für den zweiten Teil engagierte man 58 Synchronsprecher, einige davon sprachen bereits beim Original vor.

PC-Markt: Nicht mehr das, was er einmal war

Nach sieben Jahren Entwicklungszeit und einem Budget, das auch so manchem Hollywood-Blockbuster gut stehen würde, stellt sich natürlich die Frage, wie erfolgreich die lange Ersehnte Fortsetzung tatsächlich werden kann. StarCraft hat sich fast 10 Millionen Mal verkauft - eine ungeheure Zahl für ein Strategiespiel. Doch sieht man sich die Kundschaft genauer an, erkennt man, dass dabei eine sehr spezielle Zielgruppe bedient wurde. Allein 4,5 Millionen Exemplare wurden in Südkorea verkauft - im Land der stärksten StarCraft-Profiliga der Welt, die 2010 ganz nebenbei von einem weitreichenden Wettskandal erschüttert wurde.

Auch hat der PC als Spielsystem schon lange nicht mehr jenen Stellenwert, den er noch vor fünf bis zehn Jahren hatte. Bis auf vereinzelte Bestseller wie „World of WarCraft" wurden sämtliche großen Kassenschlager der letzten Jahre auf Spielkonsolen gefeiert. Cowen Group-Analyst Doug Creutz rechnet, dass sich StarCraft II im ersten Jahr rund 5 bis 6 Millionen Mal verkaufen wird - was einen Umsatz von rund 250 Millionen Dollar bedeuten würde. Activision-Blizzard-Boss erhofft mit den folgenden Episoden und einer Reihe von alternativen Einkommensquellen, wie kostenpflichtige Zusatzkarten für Mehrspielerpartien, in den folgenden Jahren die Milliarden-Grenze durchstoßen zu können. Dass StarCraft aber in die Höhen eines „Call of Duty" vorstoßen wird können, ist bei allem Kult nicht sehr wahrscheinlich. Hierfür hat sich die Masse an Spielern in den vergangenen Jahren zu sehr auf Egoshooter als Mainstream-Plattform geeinigt.

(Video: So spielt sich StarCraft II)

StarCraft II für Einstieger

Vielleicht kommt aber doch alles anders und StarCraft II wird für den PC das, was Avatar für das Kino bedeutete. Fachmagazine und Spielebegeisterte aus aller Welt bereiten sich jedenfalls schon mit reibenden Händen auf das Großereignis vor. Wer von "rush" und "micro" nichts versteht und trotzdem einmal reinschnuppern möchte, dem stehen die gut gemeinten Dummy-Guides der Eingeweihten zur Seite. Ob dies jedoch wirklich nötig ist, muss jeder selbst für sich beantworten. Um Berührungsänste vorzubeugen: Obwohl selbst eSport-Moderatoren trotz unkenntlich abbrevierter Termini es manchmal schwer haben, mit der Beschreibung des Spielgeschehens nachzukommen, würde auch keiner Annehmen, dass Ronaldo mit einem Handbuch zum Weltfußballer wurde. Also dann: good game!
(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 26.7.2010)