Kurt Bergmann

Foto: Foto:ORF/Thomas Ramstorfer

Was ist los? Einer der überzeugtesten Kämpfer für einen starken unabhängigen Rundfunk in Österreich, Peter Huemer, gibt auf?

Der Standard zitierte dieser Tage den äußerst erfolgreichen ehemaligen Leiter der ORF-Sendungen Club 2 und Im Gespräch, den Mitbegründer und langjährigen Sprecher der Mitarbeiterinitiative "SOS-ORF" sowie den dynamischen Mitstreiter bei der Plattform "Rettet den ORF" wie folgt:

"Die Zukunft des ORF kann nur der ORF entscheiden, seine Geschäftsführung und seine Mitarbeiter (...) ORF-Pensionisten machen sich langsam lächerlich, wenn sie sich als Rentnergang einzumischen oder wichtig zu machen versuchen."

Wenn es eine "ORF-Rentnergang" gibt, so dachte ich sofort, müsste ich, weil ich mich ja zu dem soeben von SPÖ, ÖVP und FPÖ (ohne die das gar nicht gegangen wäre) beschlossenen ORF-Schandgesetz mehrmals geäußert habe, eigentlich auch gemeint sein. Neugierig sendete ich in der Sekunde dem Peter Huemer eine SMS: "Bin ich jetzt ein Mitglied der Rentnergang und soll in Zukunft den Mund halten? Warum haben Sie resigniert?"

Umgehende SMS-Antwort: "Mitglied der Rentnergang, Ja, in Zukunft den Mund halten, Nein. Ich habe für mich gesprochen. Vielleicht ist es falsch, aber ich habe den Eindruck, hier nichts Sinnvolles mehr bewirken zu können." Der Schlusssatz, "Reden wir nach dem Sommer weiter" , gibt aber dann wieder Hoffnung.

Resignieren gilt für unsereins nämlich nicht, denn wie sagte meine Pepi-Tante immer wieder? "Aufgeben tut man nur einen Brief."

Ich bin auch der Meinung, die Geschäftsführung, die Mitarbeiter/innen und die Personalvertretung des ORF müssen die Zukunft des Unternehmens entscheiden. Die Rahmenbedingungen dafür bestimmen bei uns aber leider die Parteien und nicht der ORF.

Vor fast einem halben Jahrhundert haben die unabhängigen Zeitungen in Österreich gemeinsam mit Hilfe eines Volksbegehrens Rundfunk und Fernsehen aus der Herrschaft von Parteien und Regierungen befreit.

832.353 Österreicher/innen haben dieses erste Volksbegehren der Zweiten Republik unterschrieben. Und das, obwohl die Parteien und die Parteizeitungen, so was gab's damals noch in starkem Maße, dagegen agierten. Von Kanzler Kreisky abwärts haben Parteien und Regierungen seither immer wieder versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Unter dem Vorwand notwendiger Anpassungen an EU-Vorgaben ist es jetzt so weit:

Das neue Rundfunk-Gesetz, das nur mehr die formale Unterschrift des neu angelobten Bundespräsidenten braucht, um am 1. Oktober in Kraft zu treten, unterläuft frivol die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und beraubt ihn seiner politischen, wirtschaftlichen und programmlichen Souveränität

Politisch abhängig wird das Unternehmen, weil eine von den Parteien mit fünf betriebsfremden Juristen besetzte staatliche Behörde über das Unternehmen gestülpt wird, die Entscheidungen der ORF-Organe aufheben bzw. diese auch abberufen kann.

Wirtschaftlich abhängig wird das Unternehmen, weil die neue Behörde bei der Festsetzung der Teilnehmerentgelte mitentscheidet und das Gesetz auch weiterhin keine Bestimmungen enthält, in welcher Form der Staat die von ihm festgelegten Gebührenbefreiungen dem ORF abgilt.

Tiefe Depression

Programmlich abhängig wird das Unternehmen, weil die neue staatliche Bürokratie über neue Programmangebote entscheidet und die Qualitätssicherung sowie das marktkonforme Verhalten von außen überprüft.

Mit so einem Gesetz und unter solchen politischen Bedingungen haben weder die Geschäftsführung, noch die entmachteten Gremien, noch die Belegschaft, noch der Betriebsrat eine Chance. Die tiefe Depression, auf die man im Hause ORF heute trifft, wenn man mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht, müsste ebenso ein Signal sein wie das Faktum, dass man auf die Behauptung "der ORF ist hin" keinen Widerspruch erfährt.

"Wie kam das neue ORF-Gesetz zustande?" , fragt blauäugig die Kronen Zeitung und fügt hinzu: "was musste ORF Generaldirektor Alexander Wrabetz den Parteien versprechen?"

Der elementare Grundsatz, dass ein Generaldirektor eines Öffentlich-Rechtlichen, mit den Gebühren der Bürger finanzierten Rundfunks, Parteien ganz einfach nichts zu "versprechen" hat, was ihnen nicht ohnehin zusteht, z.B. Objektivität, Qualität, Fairness, davon wird gar nicht mehr geredet. So unter dem Motto, wenn es richtig ist, dass alles seinen Preis hat, dann wohl auch Freiheit und Unabhängigkeit.

Und deshalb muss (!) dringend weiter diskutiert werden, muss irgendwann wieder öffentlicher Widerstand entstehen und den Bürgern dieses Landes wieder bewusst werden, dass das kleine Österreich im großen Europa eine starke und beachtete Stimme braucht, um seine Eigenständigkeit und seine Identität zu bewahren. Der ORF ist nämlich kein Instrument zur Machterhaltung, sondern ein Kulturgut.

Allen, die bereits resignieren, weil es offensichtlich "eh' wurscht" ist, möchte ich nur sagen: In Frankreich haben vor kurzem die Initiative "Befreit den öffentlichen Rundfunk" von (nur) 100 prominenten Persönlichkeiten und die daraus folgenden öffentlichen Diskussionen dazu geführt, dass es Präsident Sarkozy nicht mehr wagte, seinen Kandidaten als Präsidenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzusetzen.

Ich freue mich auf die Gespräche mit Peter Huemer im Herbst - und nochmals: "Aufgeben tut man nur einen Brief." (Kurt Bergmann, DER STANDARD; Printausgabe, 17./18.7.2010)