Kinect erscheint im November für Xbox 360

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Kinect Adventures

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Kinect Sports

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Dance Central

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Your Shape

Foto: Microsoft

Kinectimals

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Joy Ride

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Unter Konsumenten ist Microsofts Konsole Xbox 360 für ihr ausgeprägtes Angebot an so genannten Hardcore-Spielen, wie Shooter, Rennspiele oder Action-Titel bekannt. Nach dem Vorbild des Marktführers Nintendo, der mit dem intuitiven Steuerungskonzept der Wii neue Zielgruppen ködern konnte, will der Rodmonder Konzern ab November des Jahres mit "Kinect" eine Großoffensive auf eben diese breite Masse der Gelegenheitsspieler starten. Die Idee dahinter zehrt von einem schon viele Jahre bekannten Konzept, dass Sony zur Jahrtausendwende bereits mit "EyeToy" für PlayStation 2 verfolgte: Anstatt einen Controller zur Steuerung von Spielen einzusetzen, erfasst eine Kamera die Bewegungen des Körpers und macht so den Menschen selbst zum Controller. Wie berichtet, nutzt "Kinect" allerdings fortgeschrittenere Infrarotsensoren anstelle einer einfachen RGB-Kamera und erlaubt damit eine deutlich feinere Erfassung der Bewegungen.

Am Montag präsentierte Microsoft Demos zu 6 der 15 zum Start erhältlichen Kinect-Spiele, um Österreichischen Journalisten einen Eindruck zu vermitteln, was man sich von der neuen Technologie und der Software erwarten kann. Der WebStandard hat sich angesehen, ob Kinect das Zeug zur Spielerevolution hat oder mehr ein EyeToy 2.0 ist. Zu Bedenken ist dabei, dass alle gezeigten Werke sich noch zumindest bis Herbst in Entwicklung befinden, die Hardware stand bereits in der finalen Version zur Verfügung.

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Was kann die Technik und was kann sie (noch) nicht?

Der Infrarotsensor von Kinect registriert den menschlichen Körper dreidimensional, also auch in der Tiefe, und erkennt die Bewegungen an 24 kritischen Punkten wie den Gelenken an Armen und Beinen. Durch den Einsatz von Infrarot ist die Erfassung unbeeinträchtigt von den Lichtverhältnissen. Der benötigte Abstand zur Kamera variiert je nach dem, ob der ganze Körper oder nur eine bestimmte Partie zum Einsatz kommt. Unternehmensangaben nach funktioniert Kinect mit Abständen von 1,5 bis 3,5 Metern, wobei die Tester bei der Präsentation in Wien angehalten wurden auf einer fixen Platzierung etwa drei Meter von der Kamera entfernt zu bleiben. Die Registrierung der maximal zwei gleichzeitig agierenden Spieler erfolgt in Sekunden, die Software merkt sich auch, wer registriert wurde und kommt so nicht in Konflikt mit Personen oder Gegenständen, die sich im Hintergrund befinden oder das Blickfeld kreuzen.

Zumindest in der jetzigen Form ist Kinect nicht in der Lage, feinere Details wie die Finger zu erkennen. Das registrierte Bild vom Spieler sieht für die Xbox 360 in etwa wie eine mit Wachs übergossene Figur aus. Unter den präsentierten Spielen befand sich keine Herausforderung, die Feinmotorik erfordert. Auch die Menüführung geschieht mit der ganzen Armpartie. Ähnlich wie bei EyeToy werden Schaltflächen mit "Draufhalten" oder "Schieben" aktiviert. Die neben dem Infrarotsensor eingebaute VGA-Kamera diente in der Demo, um Fotos und Videos während den Spielen zu schießen. Das eingebaute Mikrofon soll später auch Sprachbefehle ermöglichen. Laut Microsoft bemühe man sich auch um die Lokalisierung der Spracheingabe. Ob man gleich zum Start auf Deutsch mit der Xbox "sprechen" kann, ist noch nicht sicher. Zur Umsetzung greife man auf die Teams der Windows-Sprachsteuerung zurück.

Von Kopf bis Fuß in Aktion

Das gezeigte Portfolio an Spielen umfasste mit "Kinect Adventures", "Kinect Sports", "Kinectimals", "Dance Central", "Your Shape" und "Joy Ride" im Grunde alle Genres, die zum Start des Gerätes Ende 2010 verfügbar sein werden. Microsoft selbst betont, damit recht breit aufgestellt zu sein, der Fokus liegt aber trotz jeweils unterschiedlicher Inhalte ganz klar auf Fitness, Party und Sport. Das liegt auch daran, dass selbst ein Rennspiel wie "Joy Ride" und oder das virtuelle Haustier "Kinectimals" so viel körperlichen Einsatz abverlangen, dass man nach wenigen Runden ins Schwitzen gerät. Zu einem späteren Zeitpunkt soll es zwar möglich sein, bestimme Spiele und Funktionen (etwa die Menüführung) im Sitzen zu absolvieren, zum überwiegenden Teil der Zeit wird Kinect Anwender aber ordentlich auf Trab halten.

Springen, laufen, ducken, schlagen

Die Demos zu "Kinect Adventures" und "Kinect Sports" fassten in unterschiedlichen Herausforderungen für Kinect typische Bewegungsmuster zusammen. Mal ging es in einem Floß darum, einen Fluss-Parcours abzufahren oder auf einer Art Achterbahn Hindernissen auszuweichen. Ein anderes Mal konnte man sich im Hürdenlauf beweisen oder in einer Mischung aus Squash und Arcanoid sich die Bälle um die Ohren schlagen. Das Floß wird beispielsweise mit Schritten nach links und rechts manövriert, Schanzen mit Sprüngen überwunden. Beim Hürdenlauf muss man am Stand laufen und mit der Frequenz der Knie und Arme das Tempo bestimmen. Auf der Achterbahn geht es darum, Hindernissen mit Ducken, Springen und Seitwärtsbewegungen auszuweichen.

In ihrer derzeitigen Fassung wiesen sämtliche Bewerbe von "Sports" und "Adventures" noch sehr deutlich merkbare Verzögerungen auf. So dauert es sichtlich bis das Spiel auf eine Schmetterbewegung des Spielers reagiert. Der gesteuerte Avatar macht zwar zur meisten Zeit alle Bewegungen des Körpers mit, tut dies allerdings erst einige Zehntelsekunden später. Laut Microsoft würde dies den Spielspaß bei derartigen Titeln nur wenig trüben, dem ersten Eindruck nach zu urteilen mindert hier die technische Limitierung aber die Motivation, sich spielerisch zu verbessern, weil es oft nicht an einem selbst, sondern an der Umsetzung scheitert. Vom Spielprinzip an sich erinnern die beiden Titel stark an Werke, wie man sie schon auf der PS2 und EyeToy gespielt hat, wenngleich die technische Realisierung weit besser funktioniert.

Tanzen und Trainieren bis der Arzt kommt

Kompletter bzw. ausgereifter wirkte Harmonix (Guitar Hero) Werk "Dance Central". Das Spiel führt über einen virtuellen Trainer Tanzschritte vor, die der Spieler zu bekannten Popsongs nachahmen muss. Der Schwierigkeitsgrad wird sowohl durch die Frequenz der Schritte als auch über die Art der Moves bestimmt. Im Test klappte das bereits in der Vorversion ausgezeichnet. Eine zeitliche Verzögerung, wie bei den vorangegangenen Titeln, war nicht erkennbar. Der Vorteil für die Entwickler, den "Dance Central" gegenüber Umsetzungen wie "Kinect Sports" allerdings hat, ist, dass nur ein Spieler erkannt wird und die Bewegungen des Spielers nicht über einen Avatar angezeigt werden. Das Spiel setzt somit mehr auf eine Gestensteuerung, als auf eine 1 zu 1-Erfassung.

Das Fitnessspiel "Your Shape", das es in einer anderen Form auch für die Wii gibt, war der einzige Titel, der durch seine genaue Umsetzung der Bewegungen begeistern konnte. Der Spieler wird wie einleitend beschrieben etwas rudimentärer, aber erkennbar 1 zu 1 in der virtuellen Turnhalle abgebildet und muss von Yoga- bis Kampfsportübungen diverse anstrengende Aufgaben absolvieren. Eine Trainerin gibt nützliche Anweisungen und am Ende jeder Übung wird belohnend der Kalorienverbrauch angezeigt. Weshalb "Your Shape" so vieles besser funktioniert, als die ersten beiden gezeigten Titel, kann von außen nur schwer begründet werden. Offensichtlich ist aber, dass hierbei eine wesentlich reduziertere grafische Gestaltung als etwa bei "Kinect Adventures" zum Einsatz kommt. Vielleicht können hier überschüssige Ressourcen mehr auf die Berechnung der Bewegungen angesetzt werden.

"Dance Central" und "Your Shape" waren nicht nur die am besten funktionierenden Demos, sondern gleichzeitig auch die einzigen Titel, die bewiesen haben, dass derartige Spieler deutlich besser mit Kinect funktionieren als mit bisherigen Motion-Controllern. Es macht schlicht mehr Sinn, bei Tanz und Fitness den ganzen Körper zu erfassen.

Autofahren ohne Lenkrad und die Luft streicheln

Persönlich gesprochen am wenigsten Überzeugen konnten "Joy Ride" und "Kinectimals". In "Joy Ride" fährt man auf kunterbunten Rennstrecken ein Auto, das man durch gemimte Lenkbewegungen seiner Fäuste steuert. Gas geben oder Bremsen muss man nicht, der Boost wird per heftigem Stoß nach vorne gezündet, gedriftet wird mit einem Hüftschwung. Die Lenkung funktioniert, allerdings macht sie deutlich, weshalb bestimmte Spielerlebnisse sich immer besser mit einem echten Controller anfühlen werden. Die Haptik fehlt komplett, genauso wie das Feedback vom gesteuerten Vehikel. Auch wirkten das Spiel und die Steuerung auf Schauzwecke ausgerichtet zu sein, weshalb die fahrerischen Grenzen kaum ausgelotet werden konnten.

"Kinectimals" bringt nach "Nintendogs" und "EyePet" auch ein virtuelles Haustier auf die Xbox 360. Anstatt mit dem virtuellen Kätzchen aber richtig zu interagieren, ging es in der Demo hauptsächlich darum, dem Tier eine Figur oder eine Bewegung vorzuzeigen, die der Vierbeiner dann nachahmte. Im Gegensatz zu EyePet wird der Spieler hierbei auch nicht im Spiel abgebildet. So hat man abseits der fehlenden Haptik auch kein unmittelbares visuelles Feedback von der Interaktion mit dem Tier. Natürlich kann sich bis zum Marktstart auch bei "Kinectimals" noch vieles ändern, in seiner jetzigen Form wirkt es mehr wie ein Spiel für ganz junge oder vielleicht nicht so anspruchsvolle Kinder.

Potenzial und Limitierungen

Die eineinhalbstündige Kinect-Demo war in vieler Hinsicht sehr aufschlussreich. Sie hat zum einen gezeigt, dass die Technologie funktioniert und zum anderen eine Vorstellung davon gegeben, wo Kinect einzureihen sein dürfte. Auch hat sich gezeigt, dass das Gros der Videospiele wohl noch lange besser mit Tasten und Controllern erlebt wird. Oft wirkt eine Geste weitaus umständlicher und unnatürlicher, als der Druck auf einen Knopf oder die Betätigung eines Abzugs. Von den sechs präsentierten Werken wies wenig auf die mancher Orts erhoffte Spielerevolution hin, viel mehr könnte sich Kinect als sinnvolle Erweiterung für das Portfolio der Xbox 360 erweisen. Strategiespiele oder tiefgreifendere Erlebnisse werden ob der mangelnden Präzision wohl nicht so leicht umzusetzen sein, doch gerade für Tanz und Fitness wirkt Kinect wie geschaffen.

Etwas enttäuschend mag sein, dass die gezeigten Spiele sehr stark an bereits existierende Titel auf anderen Plattformen erinnern. Zumindest lässt das eine große Zugpferd noch auf sich warten, dass Kinect auch inhaltlich von den Konkurrenzplattformen klar unterscheidet und Konsumenten davon überzeugen könnte, sich nicht nur Kinect, sondern auch eine passende Xbox 360 zu kaufen. Aus jetziger sich dürfte dieses Potenzial noch am ehesten "Dance Central" und "Your Shape" zuzuschreiben sein. Es wird allerdings nicht leicht fallen, sich gegen die deutlich billigere Wii durchzusetzen, die viele der gezeigten Erlebnisse bereits jetzt schon bietet. So verlockend das "controllerlose Spielen" in den Köpfen der Marketingexperten auch sein mag, für Microsoft wird der Erfolg letztendlich stark vom Preis abhängen: Kinect wird ab 10. November in Europa verfügbar sein und zusammen mit dem Spiel "Kinect Adventures" 149,90 Euro kosten. Das Bundle mit Xbox 360 4GB, Kinect und "Kinect Adventures" wird mit 299,90 Euro zu Buche schlagen.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 13.7.2010)