"Spiegel Online" veröffentlicht eine Analyse der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach Anfang Mai die europäischen Finanzmärkte im Gefolge der Griechenland-Krise und der Turbulenzen um Spanien, Portugal etc. knapp vor dem Kollaps standen und nur durch Notmaßnahmen der Zusammenbruch einiger großer Banken, ein Absturz der Anleihen- und Aktienmärkte etc. mit verheerenden Folgen für Spareinlagen, Konjunktur und Arbeitsplätze verhindert worden sei.

Die EZB wolle mit diesem ungewöhnlich offenherzigen Bericht nur ihre eigene Entscheidung begründen, staatliche Schrott-Anleihen aufzukaufen, heißt es dazu. Die Tatsache, dass am Wochenende vom 8. und 9. Mai dann die Staats- und Regierungschefs der EU den riesigen Rettungsschirm von 750 Milliarden für den Euro beschlossen haben, unterstützt aber die These von einer außergewöhnlich brenzligen Situation.

Offenbar sind wir immer noch nicht aus dem Schneider. Der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der EZB sprach denn auch davon, dass es erneut eine Situation gäbe, in der die Banken einander nicht trauen und daher kein Geld leihen, sondern dieses bei der EZB anlegen.

Vor dem Hintergrund dieser Situation läuft (in Österreich: kriecht) die Debatte, ob nun die Sparpakete, die überall in Europa aufgelegt werden, die Konjunktur abzuwürgen drohen. Unter führenden Experten herrscht die Übereinkunft, dass mit Sparen die riesigen Schuldenberge, die zur Krisenbekämpfung aufgetürmt wurden, allein nicht abgebaut werden können.

"Wir brauchen Wachstum, um die Schulden zu verringern", sagt etwa Gertrude Tumpel-Gugerell, österreichisches Mitglied des höchsten EZB-Gremiums (sie stand für einen Internet-Chat zur Verfügung).

Für Österreich stellt sich ganz besonders die Frage, wie das bewerkstelligt werden soll. Eine Antwort lautet: Investition in Bildung, Forschung und Entwicklung. Mit dem Vergraben von Staatsgeld in unnötige Eisenbahntunnel und andere Beton-Projekte werden wir nicht das nötige Wachstum erzeugen.

Daraus folgt, dass wir umschichten müssen. Weg von unsinnigen Förderungen und politisch motivierten Bauprojekten hin zu Zukunftsinvestitionen. Der Anfang wären einmal bessere und besser ausgestattete Universitäten.

Das große Umschichten muss aber auch dort ansetzen, wo es politisch fast unmöglich ist. Das Geld, das wir in eines der großzügigsten Pensionssysteme Europas stecken, bzw. in dessen privilegienhafte Ausformungen, kurbelt den Konsum an, aber es tut nichts für das Upgrading unserer Wirtschaftsstruktur. Am Rande des finanziellen Zusammenbruchs balancierend eine neue Wirtschaftsstruktur schaffen - dieses Kunststück wird jetzt von uns verlangt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.6.2010)