Kurt Grabenwöger ist Sensei und Tierarzt. Am Universitätssportinstitut Wien (USI) in der Althanstraße unterrichtet er StudentInnen und AkademikerInnen in Karate.

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Richard Schauer ist diplomierter Judo-Trainer, Begründer und Vereinsobmann des Yama-Arashi Judovereins im 17. Wiener Gemeindebezirk. 15 Jahre lang war er Peter Seisenbachers Trainer.

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Meister Wolf hat seine Ausbildung an der "Kung Fu Academy Berlin" durch den Gründer und Großmeister Bambang Tanuwikarja erhalten und leitet die einzige südchinesische Shaolin Kung Fu-Schule in Wien.

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"Für mich ist Karate ein Gefäß, das man füllen kann", erklärt Kurt Grabenwöger, Sensei mit 28-jähriger Praxis und Träger des schwarzen Gürtels. Sensei bedeutet unter anderem Lehrer: Sen japanisch "vorn", Sei "das Leben", "Geburt" oder "lebendig". Wenn Grabenwöger am Universitätssportinstitut Wien (USI) StudentInnen und AkademikerInnen unterrichtet, will er, dass die Dinge, die er seinen SchülerInnen vermittelt, allgemein gültig sind: den Geist zu schulen, sich auf eine Sache konzentrieren und fokussieren zu können.

Wurzeln in Okinawa

Die Einwohner der Präfektur Okinawa ("Hände") mit ihrer gleichnamigen Inselgruppe im äußersten Süden Japans entwickelten eine Kampfkunst, die die Praktiken der japanischen Samurai und des chinesischen Boxens mit eigenen Selbstverteidigungstechniken verband: Okinawa-te wurde Jahrzehnte lang innerhalb der Familien weitergegeben. Bis Gichin Funakoshi Anfang des 20. Jahrhunderts nach Japan reiste um dort Shotokan Karate zu begründen -Selbstverteidigung und Werkzeug, um Körper und Charakter zu vervollkommnen.

Heute wird zwischen Wettkampfkarate und traditionellem Karate als Kampfkunst unterschieden. In Grabenwögers Kursen findet Wettkampfkarate nur als kleines Segment statt, "denn dafür ist mir Karate zu schade. Für mich ist Karate eine Körper- und Kampfkunst. Aber auch ein Weg zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit."

"Chaos nehmen"

Das Training besteht aus der Grundschule "Kihon", "Kata" - ein festgelegter Ablauf verschiedener Einzeltechniken - und "Kumite" (Kampf). Ein Teil des Trainings ist "Randori", "Chaos nehmen". Sinn dieses Kampfes nahezu ohne Regeln ist, nicht zu eindeutig zu werden und offen zu bleiben für das, was der Gegner tut. Neben Armen und Beinen dürfen bei Grabenwöger auch Knie, Ellenbogen, Fäuste, Faustrücken oder Finger eingesetzt werden. Allerdings mit Grenzen: "Das Knie des Gegners zu attackieren oder ihm einen Finger ins Auge zu bohren, geht gar nicht." Ziel im Karate sei zu lernen, sich mit nur einer alles entscheidenden Technik so zu verteidigen, dass der Gegner nicht mehr angreifen könne. Dennoch legt Grabenwöger seinen SchülerInnen nahe: "Wenn ihr je in eine mit körperlicher Gewalt verbundene Konfliktsituation kommt, dann gibt es nur eines: laufen, laufen, laufen."

"Trefft eine Entscheidung!"

Grabenwöger achtet darauf, aus welcher Motivation jemand Karate lernen will und nimmt "Komplexler, die sich beweisen müssen" nicht ins Training auf. Im Prinzip könne jeder Karate trainieren, nur schwer wiegende Erkrankungen seien nicht kompatibel, meint der Sensei. "Meine Mission ist, meine Schüler zu reiferen, selbständigen und selbst verantwortlichen Menschen zu machen", definiert er seine Aufgabe und zugleich die Problematik, die im traditionell hierarchischen Karate begründet ist.

Weshalb er sich für einen etwas anderen Weg entschieden hat: "Ich bin der Sensei, aber ich lehre meine Leute zu widersprechen." Immer wieder fragt er: "Wie fühlt sich das an? Sagt ja, nein, oder Scheiße, trefft eine Einscheidung! Es gibt nicht nur zwei Zustände." Denn nach Zen-buddhistischem Prinzip ist zweiwertige Logik seine Sache nicht. Autoritärer Habitus ist ihm fremd: "In den üblichen Karatetrainings kommt jemand herein und schreit herum, was zu tun ist. Das mache ich nicht", betont der Sensei. "Mir geht es um die richtige Balance. Trotzdem: Wenn ich Yame sage, dann ist Stopp."

Judo

"Im Judo-Training, Randori, geht es darum, den Gegner zu werfen und ihn auf der Matte" zu halten, erklärt Richard Schauer, Begründer und Vereinsobmann des Yama-Arashi Judovereins im 17. Wiener Gemeindebezirk. Judo - frei übersetzt der sanfte Weg - ist ein aus Japan stammender olympischer Zweikampfsport, der zu den Budo-Künsten zählt und aus folgenden Techniken besteht: Hand-, Hüft- und Fußwürfe, Körperwürfe, Armhebel, Haltegriffe, Würge- und Hebelgriffe. Um sich bei den Würfen nicht zu verletzen, müssen die Judoka Falltechniken (Ukemi-waza) erlernen.

Judo im Kindergarten

Bereits ab dem dritten Lebensjahr können Kinder im Sportkindergarten Judo lernen. "Dabei spielen sie Judo wie Katzen auf der Matte." Spielend entwickeln sie ein Bewusstsein für Regeln und lernen Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Später können sie mit dem gezieltem miteinander Kämpfen beginnen - die Betonung legt Schauer auf das "Miteinander", denn "Judo ist mehr als nur eine Sportart - Judo lebt man. Es ist auch die Achtung und Wertschätzung von Trainer, Trainingspartnern und Gegnern im Wettkampf. Nur wer eine Niederlage erleidet, erlebt auch einen Sieg und man lernt im Judo auch Ungerechtigkeiten zu ertragen."

Fallen lernen

Judo verfügt also über einen hohen sozialen Stellenwert, und dass sich der sanfte Kampfsport immer mehr in den Schulen durchsetzt, ist Schauers Engagement zu verdanken. Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Manner hat er einen Sponsor gewinnen können, der Judo Vorführungen am Schulanfang in jeder Schule ermöglicht. Darüber hinaus findet in Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Falltraining für Kinder und Jugendliche statt. "Die Fallschule ist im täglichen Leben anwendbar und Kinder automatisieren das schnell", weiß Schauer vom Nutzen des richtigen Fallens. Beim Training selbst ist nicht zuletzt deshalb das Verletzungsrisiko "nicht nennenswert", wie Schauer und seine Kollegen betonen.

Shaolin Kung Fu

Schauplatzwechsel in die Fugbachgasse im zweiten Bezirk in Wien. "Shaolin Kung Fu ist eine Kampfkunst zum Frieden. Natürlich praktizieren wir effektives Kung Fu mit beinhartem Nahkampf, aber ebenso geht es um eine spirituelle Schule, die dazu führt, dass man Gewalt gar nicht mehr anzieht." Christian Knak, alias Meister Wolf, und einige seiner ältesten Schüler unterrichten in Wiens einziger südchinesischer Kung Fu-Schule rund hundert SchülerInnen.

Energie aus dem Boden holen

Shaolin Kung Fu zeichnet sich vor allem durch starke Arm- und Handtechniken und einen kräftigen Stand aus, mit dem man die Energie aus dem Boden holt. Gekämpft wird mit der Faust, dem Schwert, der Hellebarde, dem Lang- und dem Kurzstock. "Fortgeschrittene bekommen schon eine strenge und harte Behandlung, aber es dauert lange, Fortgeschrittener zu werden", berichtet Meister Wolf aus seiner 26-jährigen Praxis. Die Meisterschaft beginne ab zirka 20 Jahren. Unterrichtet wird im Stil Tee Kuo Siauw Lim Kung Fu (deutsch: Shaolin Kung Fu), der vom indonesischen Großmeister Bambang Tanuwikarja entwickelt wurde und im traditionellen chinesischen Hokian Siauw Lim Kung Fu aus Fujian wurzelt. Wolf: "Kung Fu ist in China zu einem Nationalsport geworden, aber was dort heute als Shaolin auftritt, sind Schautruppen."

"Das ist keine Elitegruppe hier"

Definitiv könne jeder Kung Fu erlernen. "Das ist keine Elitegruppe hier", betont Meister Wolf. "Entscheidend ist, dass das Herz offen ist, beziehungsweise Herz und Wille zusammenspielen." Ab sechs Jahren kann man ins Training einsteigen, der älteste Schüler hat mit über 50 Jahren begonnen. In den beiden Trainingsräumen werden auch sanftes Kung Fu, Qi Gong und auch reine Selbstverteidigungskurse angeboten.

Auf das Hier und Jetzt fokussieren

Im Kung Fu gibt es keine Symbole wie Gürtel oder Dekorationen, aber während der Ausbildung durchlaufen die Schüler sechs Phasen, symbolisiert durch die „Sechs Farben". Sind alle Phasen durchschritten, beginnt der Kreis von Neuem. "Bei uns fließt kein Blut und wir wollen auch keine Verletzungen", so Meister Wolf. Nicht zuletzt deshalb findet vor dem Training Meditation statt, die dabei helfen soll, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Zu erkennen: "was ich ausschicke, das kommt zurück", sei für jeden Menschen, besonders für jugendliche Kung Fu-Schüler wichtig. "Emotionen und Aggressionen bringen keine Kampfkunst. Je mehr du in dir ruhst, desto stärker bist du." (tin, derStandard.at, 20. Juni 2010)