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Die ultimative Formel für den unseriösen Rennspielspaß scheint seit Generationen in den Händen der japanischen Spieleschmiede Nintendo zu liegen. Was hat "Mario Kart" Kindern und Junggebliebenen nicht schon alles an Zeit, Nerven, Bildung und Schlaf gekostet? Die Lachmuskeln hat die Bonbon-Go-Kart-Orgie jedenfalls kräftig trainiert, insbesondere gemeinschaftliche Renngelage in den Anzügen von Mario, Luigi, Toad, Peach und Co. zählen zum unterhaltsamsten, was virtuelle Beschäftigungstherapeuten bislang hervorgebracht haben.

Doch selbst die besten Schöpfungen können nicht immer auf der Höhe großer Tage bleiben. Vorbei sind die Zeiten des N64, seit den Folgekonsolen Gamecube und Wii hat auch Mario Kart ein kleines Stück seines Glanzes eingebüßt. 2010 drängen sich gleich mehrere Anwärter um die Thronfolge – mit recht unterschiedlichen Konzepten. Anfang des Jahres verzückte bereits "Sonic & Segas All Star Racing" als gute, aber nicht herausragende Kopie die Spielerschaft, die Konkurrenz hat jedoch noch heißere Eisen im Feuer.

ModNation Racers (PS3)

Der große Haken gleich vorweg: Die inspirierendste Interpretation des Nintendo-Klassikers ist nur auf der PlayStation 3 zu haben. Das mag für "PCler" und Besitzer anderer Konsolen ärgerlich sein, Sony und das Entwicklerteam von United Front Games haben aber aus Sicht der Spieler sonst fast alles richtig gemacht.

"ModNation Racers" ist ein typischer Kart-Racer mit schrulligen Charakteren, verschlungenen Pisten, jeder Menge Sprungschanzen und reichlich Waffen, um sich gegenseitig den Sieg streitig zu machen – und das alles vor dem Hintergrund bezaubernder HD-Grafik. Für Einsteiger wird ein umfangreicher und witzig im Stile MTVs "Celebrity Deathmatch" moderierter Story-Modus geboten, der den Werdegang eines Rookies beleuchtet und durch die eingängige Spielweise und die Welt des kreativen Rennsports führt. Die immer härter werdenden Wettbewerbe gegen Computer-Gegner dienen als gute Vorbereitung für Online-Rennen und Vergleiche mit bis zu drei Mitspielern über den geteilten Bildschirm.

Das Besondere an "ModNation Racers" ist allerdings der hohe Grad an Gestaltungsmöglichkeiten. Sowohl Charaktere als auch Fahrzeuge lassen sich bis ins kleinste Detail frei kreieren. Beliebig kombinierbare Paletten an Outfits und Autoteilen garantieren Individualität. Kreationen lassen sich anschließend auch mit allen anderen Spielern online teilen. Was für die Akteure gilt, trifft auch für die Austragungsorte zu. In einem tatsächlich einfach zu handhabenden Baukasten dürfen Tüftler von Grund auf eigene Strecken bauen. Dabei stehen den Hobby-Architekten sämtliche Tricks bereit, die auch die Profientwickler nutzten. Von der Kulisse, den Bergen und Tälern, gefinkelten Serpentinen bis zum Einstrahlungswinkel des Sonnenlichts, darf man alles selbst justieren und unmittelbar zum Spielen freigeben.

Es hätte zwar ein wenig mehr Tutorials vertragen, dennoch geht der Streckenbau nach kürzester Zeit leicht von der Hand. Ambitionierte Kreative werden wohl wie bei "LittleBigPlanet" für eine Fülle an neuen spannenden Inhalten sorgen. Wirklich negativ fallen bei ModNation Racers die langen Ladezeiten zwischen den Modi und der Verzicht auf einen "Battle-Modus", wie er in Mario Kart zu finden ist, auf. Eine rein kampfbetonte Alternative zum bloßen Autorennen wäre wünschenswert gewesen.

Blur (PC, PS3, Xbox 360)

Eine weit modernere Mischung aus "Mario Kart" und "WipeOut" ist das neueste Werk der "Project Gotham Racing"-Macher von Bizarre Creations. "Blur" trumpft mit urbanen Pisten in San Francisco und L.A., schnittigen Straßenflitzern wie Dodge Viper oder Lotus Exige und futuristischen Energie-Waffen auf. Der Soundtrack ist mit Drum&Bass-Klängen ebenso schnell und unablässig wie das Geschwindigkeitsgefühl und die spektakulären Explosionen. Über 30 Straßenrennstrecken beinhalten von waghalsigen Sprüngen über Häuser und Schlaglöchern alles, was das Action-Herz begehrt.

"Blur" begeistert vor allem durch die gekonnte Verknüpfung von einer Arcade-lastigen aber durchaus anspruchsvollen Fahrzeugsteuerung und rücksichtslosen Wettkämpfen. Ist das Lichtblitz-Inferno zu viert auf einem Bildschirm noch recht überschaubar, neigen die Online-Auseinandersetzungen mit bis zu 20 Teilnehmern schon zur Unübersichtlichkeit. Da kann es schon passieren, dass man vor lauter elektrischen Schlägen die Strecke aus dem Blick verliert. Umso wichtiger ist es daher, das eigene Vehikel zu beherrschen und sich mit bedacht zwischen Reparatur-Upgrades und Waffen zu entscheiden. Im Karriere-Modus erhält man für Abschüsse und mutige Aktionen Fan-Punkte, die man in das Upgrade seines Gefährts oder neue Boliden investieren kann. Umfassendere Modifikationen sind aber nicht möglich.

Eine Besonderheit von Blur ist das Challenge-System. Hierbei kann man andere Spieler online mit eigens gesetzten Herausforderungen beglücken. Beispielsweise darf man mit seiner Bestzeit auf einer bestimmten Strecke Freunde zum Duell bitten. Richtig zur Sache geht es im Multiplayer auch in den Motor Mash-Events, die weniger an den Battle-Mode von "Mario Kart" erinnern, als an die erbarmungslosen Gefechte in "Twisted Metal". Spätestens hier merkt man, dass Blur in erster Linie als Mehrspieler-Werk gedacht ist. Fährt man nur allein gegen Computergegner, wird selbst der imposanteste Blitzeinschlag nach wenigen Stunden recht öd.

Split/Second: Velocity (PC, PS3, Xbox 360)

Disneys und Black Rock Studios Zugang zu Fun-Racern hat mit Split/Second: Velocity oberflächlich betrachtet zwar weniger mit seinen hier aufgezählten Mitbewerbern zu tun, könnte aber gerade deshalb den einen oder anderen Genre-Fan positiv überraschen. Anstatt Feinde mit Raketen oder Schildkröten über die Piste zu jagen, wird die Streckenkulisse selbst zum Instrument der Zerstörung.

Hinter das Steuer einer der zig fiktiven Rennwägen geklemmt, wird man Teil einer Reality-Show (im Spiel). Die ausgewählten Kurse winden sich durch frei erfundene Städte und darin durch Hafenviertel genauso wie Hochhausschluchten. Die Boliden sind hoch motorisiert, die Geräuschkulisse animierend und das Fahrverhalten lädt zum Driften ein. Doch damit es für die Zuschauer etwas spannender wird, können überall auf der Strecke Katastrophen ausgelöst werden, die einmal eine Brücke einstürzen und ein anderes Mal einen Tanklaster in den Weg kreuzen lassen. Zusätzlich werden explosive Benzinkanister auf der Straße verteilt oder ein Hubschrauber donnert Raketen vom Himmel herab.

Mit lediglich 11 Kursen sind zwar trotz Variationen recht wenig Strecken zu meistern, doch die auslösbaren Unheile sorgen für reichlich Abwechslung im Spielgeschehen. Mit jedem Drift füllt man die dreiteilige, so genannte Powerplay-Leiste ein wenig weiter auf. Ist ein Teil voll, lässt sich per Knopfdruck eine Katastrophe auslösen. Je mehr Guthaben man einsetzt, desto heftiger die Auswirkungen. So wird man darauf getrimmt, die Gefahren jedes Schauplatzes kennenzulernen, um in Front fahrende Gegner mit explodierenden Lagerhallen oder Falltüren ins Jenseits schicken zu können. Das Stunt-Spektakel überzeugt sowohl im Einzelspieler-Modus, als auch gemeinsam über den geteilten Bildschirm (bis zu zwei Spieler) oder online (bis zu 8 Spieler). Für die zweite Episode könnte es nur etwas mehr sein bitte.(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 13.6.2010)