"God of War III" (Santa Monica Studio/SCEA) erscheint am 19. März für PlayStation 3.

Foto: SCEA
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Am Rande der Unterwelt stehend, die Klippen zur Rechten hinunter die Unendlichkeit, vom Himmel Menschen regnen sehend, verschlägt es dem irdischen Auge am Fuße des Olymps vor Ehrfurcht die Sprache. Haben die alten Griechen sich das so vorgestellt? Kratos, zornig, blutverschmiert, tobend hätte, unterwürfig wie die Gläubigen es nun mal sind, sicher niemand so schnell herbeigesinnt. Der Abschluss der "God of War"-Trilogie entführt in den Schuhen des wohl brutalsten Videospielhelden aller Zeiten in den Rachefeldzug gegen Göttervater Zeus. Nach dem Tod seiner Familie will der Spartiat heiliges Blut fließen sehen. Der Schöpfer soll für seine Taten den Kopf herhalten. Doch kampflos werden sich die Kinder des Olymps nicht geschlagen geben.

Tour de Force

Auf den kurzen, zusammenfassenden Prolog folgt eine wahre Tour de Force. Der dritte Akt wird praktisch als Momentaufnahme inszeniert, die den dramatischen Werdegang bis dahin zum Abschluss bringt. Mit der Offenlegung der Karten zu Beginn geht der Vorhang für eine Oper auf, deren Bilder so stimmgewaltig sind, dass sie sogar Hades Ketten schlottern lassen. Denn um Zeus vom Thron stoßen zu können, muss Kratos – wie könnte es anders sein – ganz unten anfangen. In den ersten Schritten durch die einschüchternden Gemäuer der Unterwelt läuft man sich warm für das rund zehn Stunden später bevorstehende Finale. Heerscharen von bestialischen Wächtern dienen der Erprobung der Klingen. Zerschnitten, zerfetzt, mit bloßen Händen auseinandergerissen und mit dem brennenden Pfeilen Apollos Bogen (ein Souvenir aus alten Zeiten) durchsiebt, stellen anfängliche Skelettkrieger keine Bedrohung dar. Man taucht ein in die Intrige, erkundet sich bei den Lebenden und Toten nach dem Weg nach oben. Das Warm-up verschärft sich, als elefantengroße Zyklopen den Weg verstellen und Chimären den Schwung aus den Kettensäbeln nehmen.

Massaker mit bloßen Händen

Doch eher früher als später ereilt jedes aufgebotene Ungeheuer das gleiche tödliche Schicksal. Am Zenit des Gefechts angelangt, reißt man den widerspenstigsten Ungetümen die Augen heraus, schlitzt ihnen die Bäuche auf, betrachtet die herausquellenden Gedärme in der apokalyptischen Dämmerung oder zermalmt sie unter ihren eigenen Mordinstrumenten – die Golems hätten besser keinen Hammer mitbringen sollen. Mit jedem Opfer sammelt man Seelen und nutzt diese, um Kampffertigkeiten zu verbessern und sich für die fünf Auserwählten Zeus' vorzubereiten. Es ist eine Huldigung des klassischen Hack&Slash-Genres ohne Überraschungen, aber mit flüssigeren Interaktionen verfeinert und bis auf den letzten Hieb perfektioniert. So lassen sich größere Zyklopen etwa mit gezielten Stichen in den Hals bändigen und gegen die eigenen Mannen aufhetzen. Fliegende Ungeheuer und entfernte Gegner werden wie mit dem Lasso eingefangen, schwächere Gesellen als Rammbock oder als Wurfgeschoss missbraucht. Das alles geht fließend ineinander über und so kommt der geübte Spieler vom anfänglichen Tastenklopfen allmählich auf den Geschmack der bedachten Kombination der erlernten Fähigkeiten.

Morbide Souvenirs

Jeder Gott stellt einen vor neue Herausforderungen. Trachtet einem Hades etwa nach der Seele, veranstaltet Hermes einen Spießrutenlauf und Helios feuert aus dem fliegenden Streitwagen. Die Ausmaße dieses Schauspiels sind dabei übermenschlicher Natur. Götter verwandeln sich nach Belieben zu haushohen Monstern, nutzen Naturgewalten für ihre Angriffe. Insbesondere aber das Eingreifen der Titanen, der dritten tragenden Partei, macht das antike Massaker zum Aufeinandertreffen der Superlative. Aus dem Handrücken der steinernen Titanin Gaia, deren Gestalt zweimal das Empire State Building überragen würde, schießt plötzlich Poseidons Spinnenwasserpferd Leviathan. Wie eine Ameise krallt man sich kopfüberhängend am felsigen, Untergrund fest, als Gaia schmerzverzerrten Gesichts das Ungetüm abzuschütteln versucht. Als Belohnung für die brachialen Zwischenprüfungen werden die Waffen der Götter wie Souvenirs eingepackt, um sie dann Gegnertypen entsprechend anzuwenden. Wie die Demo bereits verriet, dient beispielsweise Helios Kopf nach der peinlich genau geschilderten Dekapitierung als Taschenlampe und Blendgranate. Hades wird um seine peitschenden Seelen-Haken erleichtert. Sammler finden in Schatztruhen weitere wertvolle Objekte, welche die Energie-, Magie- und Ausdauer-Guthaben erweitern. Wer brav alles abräumt, darf sämtliche gefunden Gegenstände und Hilfsmittel beim zweiten Durchgang mitnehmen. Und natürlich ist bei allem Göttlichen auch Magie im Spiel und so dürfen etwa die 300 toten Spartaner impulsweise zur Hilfe gerufen werden.

Springend, fliegend, tötend

Die treibenden Hand-Augen-Koordinationsmarathons gehen meist nahtlos in waghalsige Sprungsequenzen über. Ikarus Flügel (ebenfalls ein Souvenir aus alten Zeiten) erlauben es, größere Distanzen schwebend zurückzulegen. Thermik spielt bei der Wegfindung eine wesentliche Rolle. Durch die Luft gewirbelt, verwendet man die Kettenschwerter als Greifhaken und schwingt sich von Plattform zu Felsvorsprung, um schließlich die nächste Ebene zu erreichen oder einen verheerenden Stoß in den Kopf eines Ungetüms zu setzen. Um die ungeheuerlichen Tötungsinszenierungen möglichst cineastisch erleben zu können, greift man in den letzten Sekunden meist nur noch über die aus den ersten Teilen bekannten Quick-Time-Events ein. Das System wurde stark überarbeitet und funktioniert wie fast alle Aspekte des Kampfes nahezu reibungslos. Anstatt sich für einen kurzen Moment zurücklehnen zu können, wird auf diese Weise der Adrenalinrausch fortgesetzt.

Imposante Linearität

Kritisieren könnte man, dass es eine durchgehend lineare Erfahrung ist. Das fängt bei der fix eingerichteten Kamera und den eingeschränkten Erkundungsmöglichkeiten an und setzt sich beim strikt vorgegebenen Handlungsstrang fort. Das ist zwar bei aller Individualisierung im Sinne eines "Mass Effect" oder "Heavy Rain" nicht gerade modern, aber durchaus mit Hintergedanken geschehen. Denn "God of War" soll nur eine ganz bestimmte Geschichte erzählen. Der Spieler muss sich Kratos Willen beugen, muss das erfahren, wofür er sich entscheidet und muss das sehen, was man aus Sicht der Schöpfer sehen soll. Mit Ausnahme von wenigen Sprungeinlagen, die mit einer steuerbaren Kamera einfacher zu absolvieren gewesen wären, geht dieses "Retro"-Konzept in imposanter Weise auf. Die Designer haben es geschafft, diese enormen Dimensionen immer so einzufangen, dass sie ihre größtmögliche Wirkung entfalten. Einmal schlängelt der Schlangenschwanz der Chimäre im Vordergrund durchs Bild, ein anderes Mal zoomt die Kamera bei der Konfrontation mit einem Titanen aus der Totalen auf den winzig erscheinenden Muskelprotz Kratos, der wie ein Reiskorn zwischen zwei Fingern zu zerquetschen droht. Aber nicht nur aus stilistischen Gründen wird einem die Entscheidungsgewalt entzogen. Könnte man den Ausgang Kratos Handlungen aktiv beeinflussen, würden die meisten Menschen wohl kaum das erleben, was das Drehbuch vorgesehen hat.

Gnadenlos

Kratos ist derart hasserfüllt, dass er zumindest in den ersten zwei Dritteln seines Wütens wie eine seelenlose Tötungsmaschine erscheint. Entlocken die obskuren Folterungen der Ungeheuer dem Betrachter noch reihenweise hämisches Gelächter, sind die Begegnungen mit den göttlichen Erzfeinden von gnadenloser und ernsthafterer Brutalität geprägt. Während der eine oder andere Zuschauer dem Wimmern der sich am Boden krümmenden Götter wohl unweigerlich nachgeben würde, kennt Kratos nur die Vergeltung. Vereinzelt auch inspiriert von der rohen Gewalt des französischen Kinos (Stichwort "Irreversibel"), wurden keine Effekte ausgelassen, um das Blutbad zum Gore-Fest ausufern zu lassen. Es spritzt, knack, kracht und platzt aus allen Nähten.

Anspruchsvoller Höllenritt

Es ist aber kein stupider Höllentrip. Sowohl die Erzählung als auch das Gameplay reichen über eine einseitige Schilderung der Schrecken hinaus. Die spielerische Aggression wird mit beinahe grotesk cleveren Rätseln durchbrochen. Mittendrin mündet die Schlacht in sinnestäuschenden Labyrinthen und Denkaufgaben, die selbst einem Indiana Jones gut gestanden hätten. Der Anspruch wird auch in den Dialogen hoch gehalten. Mit Ausnahme einzelner Rollen überzeugt das etwas aus der Bahn geratene Familientreffen (auch Kratos ist Zeus Sohn) in seinen Zwischen"menschlich"keiten. Blutüberströmt, mit grimmigem Gesicht schreit Kratos seinen Zorn heraus, lässt aber mit fortschreitender Geschichte einen tief verborgenen Schmerz durchschimmern, dessen Ergründung letztendlich ins Psychedelische abdriftet. Zeus wiederum personifiziert die Furchtlosigkeit des Überirdischen. Götterbote Hermes merkt man die Abneigung vor physischen Auseinandersetzungen bereits im Tonfall an und Aphrodite weiß selbst im Angesicht des Weltuntergangs zu verführen. Das obligatorische Sex-Minigame hätte als erotisches Gegenstück aber durchaus erwachsener ausfallen dürfen.

Vereinzelte Schwächen und massig Unglaublichkeiten

Schwächen erlaubt sich das Over-the-Top-Schauspiel hauptsächlich im Pacing. Nach dem wahnwitzigen ersten Drittel setzt für mehrere Stunden keine dramaturgische Steigerung mehr ein. Manche Abschnitte wirken etwas künstlich in die Länge gezogen und viel zu selten kreuzen die Titanen den Weg. Letzteres ist besonders schade, denn diese umwerfenden Geschöpfe sind spielerische und technische Highlights zugleich. Bewundert man noch Kratos und der kleineren Widersacher künstlerische, fast an Animationsfilme erinnernde Gestaltung, wirkt der Detailgrad der tausendfach größeren Titanen fast unglaublich.

Auf Gaias felsigem Körper wachsen Gräser und Bäume, Raben flattern auf, Geröll bröckelt bei ihrer Besteigung des Olymps nicht bloß vom heiligen Berg, sondern auch von ihr selbst. Gesicht und Hände der Titanin vollziehen menschliche Gesten und Mimiken, während die Architektur der Antike rundherum mit spiegeldem Marmor, aufflammenden Ölschalen, reichlich Schall und Rauch und graziösen Statuen beinahe wie eine hübsche Begleiterscheinung in ihrem Schatten verblassen. Die liebevoll bedachten Kleinigkeiten treiben es auf die Spitze. Alles bewegt und dreht sich. Die schwarzen Wolken am Himmel sehen aus, als würden sie jederzeit die Erde verschlingen. Wirbelstürme und Blitze durchkreuzen den imposanten Ausblick vom Olymp auf die Unendlickeit. Und bei all der Mächtigkeit wurde nicht auf abgeschlagene Fingernägel der Titanen und Äderchen in den Augen der Protagonisten vergessen. Sehrwohl findet man auch künstlerisch uninspirierte Passagen vor, aber es dauert nicht lange, bis man abermals aus den Socken gehauen wird.

Wiederspielchance

Nachdem Kratos seinen würdigen Abschied bekommen hat, ist es für seine Anhänger noch nicht zu Ende. Einerseits kann der Rachefeldzug samt aller erkämpften Trophäen nochmals durchlebt werden und anderseits stehen Kampfarenen und jede Menge Herausforderungen zur Erprobung der Kriegskünste offen. Insbesondere ans Herz gelegt sei die anschließende Konsumation des reichhaltigen Bonusmaterials. Neben einem ausführlichen Making-of gibt es exklusive Einblicke in die Arbeit der talentierten Entwickler der Santa Monica Studios sowie Artworks und Interviews. Wer "God of War" bisher nicht gekannt hat oder zumindest keinen Schimmer von der Story hat, sei der fünf minütige Nachhilfekurs von IGN empfohlen. Streber besorgen sich die vollständig überarbeitete "God of War Collection" mit den ersten beiden Teilen in HD.

Fazit

"God of War III" vereint klassische Videospielfinessen mit allen Stückerln der designtechnischen Unmöglichkeiten. Die Bildsprache ist so stark, dass man manche Erlebnisse kaum in Worte fassen kann. Die Brutalität nimmt sich dafür kein Blatt vor den Mund. Kratos rollt die fantasievolle Welt der griechischen Mythologie neu auf und durchbohrt alles, was einem lieb und heilig sein könnte, mit Hass und Zorn. Die gespielte Gewaltorgie funktioniert jedoch auch auf Dauer, weil sie auf spielerischen wie geistigen Anspruch nicht verzichtet. Kratos ist der "bad ass", mit dem Zeus nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen gerechnet hätte. Selbst mit dem verdienten krönenden Abschluss der Trilogie fällt der Abschied von diesem blutrauschigen Irren schwer.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 15.3.2010)