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Buzz ist die neue Bassena

Foto: REUTERS/Robert Galbraith

Internet hat von Anfang an etwas Bassena-artiges gehabt, und der Boom von Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken mit ihren "Status-Updates" für "FreundInnen" ist nur die jüngste Inkarnation des digitalen Tratschs.

Buzz

Jetzt ist auch Google auf den rasch abfahrenden sozialen Medienzug aufgesprungen und hat "Buzz" in seinen Maildienst Gmail integriert. Natürlich hat Google schon zuvor einiges in diesem Bereich probiert, u. a. den bei uns unbekannten Facebook-Vorläufer Orkut (in Brasilien sehr beliebt) oder die Integration von Chat in Gmail. Auch Blogger und Youtube gehören im weiteren Sinne in die Sphäre der sozialen Medien.

Aber was die letzten Jahre deutlich gemacht haben, ist dies: Es gibt das Bedürfnis nach "sozialer" Kommunikation jenseits von E-Mail. Äußerungen, wie man sie locker in einer größeren Freundesrunde macht, manchmal belanglos, manchmal auch substanzielle Meinungsäußerungen im Rahmen einer Debatte, Hinweise auf spannende Artikel, die man gelesen hat, und anderes mehr. Das also, was sich in unzähligen Updates auf Facebook oder Twitter findet.

Enthaltung

So wie (übrigens mit abnehmender Tendenz) herablassend über den "Informationsschrott" gesprochen wird, der sich im Netz findet, gibt es natürlich auch zahlreiche Menschen, die dieser Entwicklung skeptisch gegenüberstehen. Dafür gibt es eine ganz einfache Lösung, nämlich an diesem digitalen Small Talk nicht teilzunehmen, dann wird man auch nicht davon behelligt.

Für viele andere jedoch eröffnen diese Kurzmitteilungen, ob für einen größeren Kreis oder kleinere Gruppen, eine neue Dimension, um Kontakt zu halten; "Postkarten" (Links zu Fotos) zu verschicken; auf interessante Geschichten oder witzige Videos hinzuweisen.

Zwingend

Google hat gar keine andere Möglichkeit, als auf diese Evolution digitaler Kommunikation einzugehen. Auf den ersten Blick sieht Buzz ganz gelungen aus - so, als ob der Facebook- und Twitter-Strom in unsere Mailbox integriert wäre. In der Google-Mailbox, wohlgemerkt - mit anderen Mailadressen kann dies nicht genutzt werden.

Das ist die Stelle, darauf hinzuweisen, dass Google seinen Benutzern dringend eine Antwort schuldet: wie sein Verhältnis zu Amerikas Superspionen von der NSA aussieht. Zu diesen Berichten hat der Online-Konzern bisher beharrlich geschwiegen. Viele Benutzer wollen jedoch darüber genau Bescheid wissen, ehe sie bereit sind, Google weitere Daten anzuvertrauen.

Lock-in-Syndrom

Aber die Nutzung neuer digitaler Kanäle leidet derzeit schwer am "Lock-in-Syndrom", dem Versuch jedes Anbieters, durch Ausschluss der Konkurrenz Kunden "auf ewig" zu binden, so wie in den Urzeiten von Mail und SMS kein Versand zu anderen Providern möglich war. Das ist inzwischen mehr als ärgerlich: So muss man eine wachsende Zahl von Communities pflegen und immer neue Webseiten checken. Wie wär's, wenn in meinem Gmail-Fach einfach Facebook aufscheint? Dem Anbieter, der als Erster diese Barrieren niederreißt, droht nicht der Verlust seiner User. Im Gegenteil: Für so viel Großmut gäbe es einen Millionenbonus.

(Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 11.2.2010)