Die Public-Relations-Praktiker seien grundsätzlich sehr offen für die Wissenschaft, freut sich PR-Wissenschaftler Benno Signitzer.

Foto: Pluschkowitz

Der gute alte Sesselkreis: Es brauche Think-Tanks zur Zukunft des Journalismus, lautete eine der Forderungen in der Runde.

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Salzburg - Kommunikationswissenschaftler und Berufspraktiker aus der Medienwelt - nicht immer ein harmonisches Verhältnis. Der Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg holte anlässlich seines 40-jährigen Bestehens in einer Tagung am 1. Februar Praxisvertreter an die Uni, um sich anzuhören, was die Welt da draußen von Forschung und Lehre erwartet.

Praxisbezogener PR-Schwerpunkt

Was die Public Relations betrifft, "haben wir es mit einem Berufsfeld zu tun, das grundsätzlich offen ist für die Wissenschaft", freute sich Benno Signitzer, der am Fachbereich die Abteilung "Public Relations und Unternehmenskommunikation" leitet. In der Lehre stünden im PR-Schwerpunkt zu 40 Prozent Theorie und Faktenwissen sowie zu 60 Prozent Praxis auf dem Lehrplan, sagte er, wobei es im praktischen Teil mehr um konkrete Fertigkeiten als um Konzeption gehe. Etwa ein Drittel der Lehrveranstaltungen seien auf konkrete inhaltliche Felder bezogen (etwa "Gesundheitskommunikation"); 60 Prozent der Lehrveranstaltungen würden von externen Praktikern geleitet.

Die Praxisorientierung setze sich auch im Masterstudium fort: Ein großer Teil der Abschlussarbeiten beinhalte die Erstellung eines "Real-Life"-PR-Konzepts auf eigens eingefärbten "gelben Seiten" für konkrete Organisationen, die als Auftraggeber auftreten. "Das Ganze hat den Anspruch, in der echten Welt bestehen zu können", sagte Signitzer.

Mehr Theorie für die Praxis

Für seine Kollegin Astrid Spatzier haben PR-Theorien durchaus Relevanz für die Praxis, auch wenn es bei manchen Theorien "doch einer sehr fundierten wissenschaftlichen Ausbildung bedarf, um ihre Praxisrelevanz zu erkennen". Spatzier zitierte aus den Ergebnissen einer Befragung von PR-Praktikern, wonach Presse- und Medienarbeit immer noch zumeist das dominierende Aufgabenfeld sei, die Zielgruppensegmentierung oft sehr oberflächlich, wenn überhaupt, erfolge, Kommunikationsziele nicht genau definiert würden und Evaluierung der Maßnahmen oft nicht stattfinde.

Hier gebe es durchaus Verbesserungspotenzial, meinte Spatzier. "Erfolgreiche PR-Praktiker verwenden sowohl bewusst als auch unbewusst PR- und Kommunikationstheorien", stellte sie fest. Allerdings handle es sich oft um "veraltete How-to-do-Theorien". Hier sei es ratsam, einen "Schritt über den Tellerrand" zu wagen und neue Ansätze aufzunehmen.

Wunschzettel an die Forschung

Peter Hörschinger, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur ikp und Vorstandsmitglied im Public Relations Verband Austria, wünschte sich von der Wissenschaft mehr fundierte Berufsfeldforschung. So sei es bis heute kaum möglich, zu sagen, wie viele Menschen in der PR arbeiten oder wie hoch das Gesamtbudget sei, das Unternehmen in diesen Bereich stecken.

Außerdem solle die Wissenschaft verstärkt an der Methodik der PR-Evaluierung feilen und der Frage nach der ökonomischen Effizienz der PR nachgehen. Angeschichts der Tatsache, dass mittlerweile 85 Prozent der PR-Praktiker und 80 Prozent der Journalisten Mitglied in sozialen Online-Netzwerken seien, müsse man auch darüber forschen, wie sich Social Media auf die PR auswirken. Im Bereich der Lehrpläne wünschte sich Hörschinger eine stärkere Zusammenarbeit mit den Wirtschaftswissenschaften.

Journalismus: "Geradewegs ins Prekariat"

Auch im Schwerpunkt Journalistik setzte der Salzburger Fachbereich bisher stärker als andere österreichische Standorte auf Praxisorientierung. Angesichts von Absolventenzahlen, die zehn Mal höher seien als der journalistische Arbeitsmarkt aufnehmen könnte, schicke man viele Studierende allerdings "geradewegs ins Prekariat", sagte Journalistik-Abteilungsleiter Roman Hummel.

Freie Mitarbeit sei heute im Journalismus keine vorübergehende Phase in der Karriereleiter mehr, sondern "durchgehendes Prinzip": "Es gibt bekannte Herausgeber in Österreich, die sagen: 'Eigentlich sollte man den jungen Leuten nichts zahlen,' - und das tun sie auch nicht - 'weil es eine Ehre ist, für uns zu schreiben.'" Die Abteilung führe derzeit ein groß angelegtes Forschungsprojekt zum Thema "Journalistische Karrieren" durch. Erste Ergebnisse deuten unter anderem an, dass Kontakte und Beziehungen wichtiger für die Karriere seien als Talent zum Schreiben und dass akademische Abschlüsse als weitgehend unwichtig eingeschätzt werden.

Redaktionen als "Schraubenfabriken"

Salzburgs ORF-Chefredakteur Gerhard Rettenegger beklagte die aus seiner Sicht zunehmende Kommerzialisierung des Journalismus. Gerade für die Kernaufgabe der Profession, die investigative Recherche, sei kaum mehr Geld da: "Die Geschäftsführungen glauben, journalistische Redaktionen seien Schraubenfabriken." Wenn das so weitergehe, werde der Journalismus enden wie die "Titanic", warnte er.

Für den Journalistiker Klaus-Dieter Altmeppen von der Universität Eichstätt-Ingolstadt stellt sich die Situation indes etwas anders da. Nicht der Journalismus, sondern die klassischen Medienunternehmen würden untergehen: "Auch von der Titanic haben über 700 Menschen überlebt. Die sind dann auf andere Schiffe gelangt." Der Journalismus werde in 20 Jahren noch die gleichen beruflichen Basisqualifikationen benötigen - aber er werde ökonomisch anders funktionieren. Das Finden neuer Geschäftsmodelle und die Erforschung der Auswirkungen neuer Online-Technologien seien wesentliche Aufgaben für die Journalistik der Zukunft. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 07.02.2010)