Machen Sie eine typische Handbewegung: Michael Niavarani (neben Filmgattin Proschat Madani) spielt in der Komödie "Salami Aleikum" den persischen Übervater.

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Wien - Kein Medium ist gegenwärtig vor ihm sicher. Doch Michael Niavarani gibt sich bescheiden. Eigentlich habe er nur ein, vielleicht auch nur ein Dreivierteltalent, das unterschiedliche Formen annehmen kann, sagt er im Standard-Interview. Zusätzlich zu Kabarett und TV kann man ihn jetzt im Kino erleben: In Salami Aleikum, einer Komödie des Deutschpersers Ali Samadi Ahadi, spielt er einen persischen Fleischhauer, der seinem schwächlichen Sohn nach Ostdeutschland nachreist. Kulturelle Zusammenstöße sind vorprogrammiert. Die Rolle hat Niavarani an seinen eigenen Vater angelehnt, dem auch sein erster Roman Vater Morgana gilt. Zeit für ein Gespräch über die persischen Wurzeln.

Standard: Sie spielen in "Salami Aleikum" einen Exilperser, der Fleischhauer ist. Das ist untypisch. Sind nicht die meisten Perser Ärzte, Teppichhändler oder Ingenieure?

Niavarani: Das war eine Entscheidung von Regisseur Ali Samadi Ahadi. Ich hab ihm das, typisch persisch, auch gesagt. Er meinte, das sei schon der erste Ansatzpunkt: "Ich möchte die Perser mit ihrem Stolz karikieren." Er hat eine Metzgerei genommen, um den Bedeutungsverlust der Familie in der Emigration zu zeigen. Wobei schon interessant ist, wie viele Perser im Exil davon leben, dass sie sagen: "Mein Gott, was wir zur Schah-Zeit waren ... Welche Häuser wir hatten!" Ich frage mich dann immer: Wenn der Schah so viele Freunde hatte, warum ist er gestürzt worden?

Standard: Es heißt ja, die Perser haben sich in der Emigration nur zwischen Nostalgie oder Paranoia entscheiden können ...

Niavarani: Das hat etwas für sich. Viele leben auf gepackten Koffern und warten darauf, wieder zurückkehren zu können. Nostalgie ist in der Tat sehr wichtig. Meine Großmutter hat immer gesagt, dass der Iran, wie er jetzt ist, gar nicht mehr der Iran ist. Etliche aus meiner Familie und Bekannte haben sich politisch für das Land nicht mehr interessiert. Erst durch die Ereignisse im Juni hat es einen Wandel gegeben. Auch bei Persern zweiter Generation ist der Damm gebrochen. Die grüne Bewegung hat neues Bewusstsein geschaffen.

Standard: Was haben Sie bei den Ausschreitungen empfunden?

Niavarani: Ich hab viel auf Twitter und Facebook mitverfolgt, die Demonstrationen, den Einfallsreichtum der Leute - und dann die große Brutalität der Niederschlagung. Das hat mich sehr beschäftigt. Ich habe mich viel mit persischer Geschichte auseinandergesetzt: Sie ist voller Bluttaten. Dagegen sind Shakespeare'sche Königsdramen sanfte Märchen! Dass diese Brutalität nach wie vor herrscht, hat mich so erschreckt.

Standard: Wenn Sie sich nun künstlerisch mit Ihrer persischen Seite befassen: Ist das eine Art Rückholung eines unterschlagenen Teils, oder war das immer schon wichtig?

Niavarani: Es gibt Leute, für die das überhaupt keine Rolle spielt: Sie sind hier geboren, hier sozialisiert und sagen, "ich lebe in Österreich" . Andererseits gibt es die, die eine große Sehnsucht nach dieser Kultur haben. Ich empfinde sie als unglaubliche Bereicherung. Wobei das Absurde ja ist, dass die persische Kultur, die ich in meinem Buch beschreibe, nur noch wenig mit der im Iran herrschenden Lebensweise zu tun hat.

Standard: Eine Emigrationskultur?Niavarani: So ist es, und die Gräben sind relativ groß.

Standard: Arashs "Ein Augenblick Freiheit" , in dem Sie auch mitspielen, und "Salami Aleikum" sind zwei Filme einer neuen Generation, die Emigration nicht mehr so vehement als Bruch erlebt hat. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Niavarani: Typisch für die zweite Generation ist, dass sie Farsi oft nicht mehr gut beherrscht. Mein Vater hat immer gesagt, er möchte Deutsch lernen, und deswegen sprechen wir zu Hause Deutsch. Irgendwann empfindet man das als Manko. Ich kann mich wahnsinnig darüber ärgern, dass ich nicht Persisch lesen kann. Es liegt wohl auch daran, dass Perser fremde Kulturen schneller annehmen.

Standard: In Ihrem Buch beschreiben Sie an einer Stelle, dass sich eher die europäischen Perser mit den amerikanischen bekriegen ...

Niavarani: Genau, bei uns gab es nie Streit, ob man zu persisch oder zu europäisch ist, sondern die europäischen Perser waren fassungslos über die Kulturlosigkeit der US-Verwandten. Ich habe mich zum Beispiel sehr über meinen Onkel und meine Tante gewundert, die eine amerikanische Fahne vor dem Haus hängen hatten. Auf meine verblüffte Frage antworteten sie ganz bestimmt: "Das macht man hier so, wir sind Amerikaner!"

Standard: Wie gut funktioniert es in einem Traditionskabarett wie dem Simpl, diese beiden Seiten miteinander in Beziehung zu setzen?

Niavarani: Das Wiener Raunzen ist vom persischen Jammern, dass früher alles besser war, nicht so weit entfernt. Die persische Oma, die nicht Deutsch konnte, und die österreichische, die kein Wort Persisch sprach, haben sich immer blendend miteinander verstanden.

Standard: Gibt es auf der Bühne eine Grenze, die Sie mitbedenken?

Niavarani: Es gibt eine Grenze des Verständnisses. Wenn ich sage, die Perser können an 9/11 nicht schuld sein, weil sie alle vier Flüge versäumt hätten, wird von Persern sofort gelacht - den Österreichern muss man den Witz ein wenig erklären, und das ist halt nie gut.

Standard: Warum hat Migrantenkultur in Österreich nicht den Stellenwert wie anderswo in Europa?

Niavarani: Es gibt hier immer nur diese zwei Seiten: ganz rechts, da sind alle gleich Verbrecher und Drogendealer; und ganz links, da heißt es, alle sind ganz super und so liebe Menschen, und wenn sie sich in die Luft sprengen, muss man das aus der Kultur heraus verstehen. Beides ist falsch. Vielleicht haben auch die Menschen, die hier leben und das Talent hätten, nie den Mut gehabt, es auszuprobieren. Niemand von den Minderheiten hat sich auf die Bühne gestellt und gesagt: "Halt, wir dürfen über uns, über die Türken, Pakistani, Kroaten, Serben lachen." Ich glaube, dass Integration nur funktioniert, wenn sich diese Menschen den Österreichern komödiantisch präsentieren können. Vielleicht geht die Angst vorm Fremden nur weg, wenn man auch lachen darf und nicht alles so verkrampft ist.

(DER STANDARD/Printausgabe, 30.12.2009)