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Schulärztliche Versorgung ist in Österreichs Gymnasien gut, obwohl sie dort am wenigsten gebraucht wird. Am besten ist die Situation in Oberösterreich - ein Beispiel, das Schule machen sollte.

Foto: APA/dpa/Waltraud Grubitzsch

Immer mehr Kinder sollen übergewichtig oder fettsüchtig sein. Immer öfter werden schon im Schulalter psychische Krankheiten diagnostiziert. Die meisten jungen Patienten psychosomatischer Abteilungen sind Schulverweigerer. All das sind Alarmsignale. Allein: Verlässliche Daten über die Gesundheit der österreichischen Schüler und Schülerinnen gibt es keine.

Dabei gäbe es eine Grundlage: das Schülergesundheitsblatt, das vom Schularzt angelegt und jährlich aktualisiert wird. Doch diese Daten werden seit zehn Jahren nicht einmal in einer Stichprobe ausgewertet. Als die Stadt Wien vor einigen Monaten eine Studie plante, scheiterte es am Datenschutz. Die einstweilen aussagekräftigste Quelle ist wahrscheinlich eine 2006 durchgeführte repräsentative Befragung. Jeder sechste 15-Jährige berichtete damals von einem chronischen Leiden. Darüber hinaus gab jede dritte Schülerin zwischen 13 und 15 Jahren wiederkehrendes Unwohlsein, Schlafstörungen, Kopf- oder Rückenschmerzen an.

Status quo

Lässt die schulärztliche Versorgung zu wünschen übrig? Als reformbedürftig gilt sie seit langem. Ein Problem ist die Zersplitterung der Zuständigkeit. Sie verteilt sich nicht nur über zwei Bundesministerien (Unterricht und Gesundheit), sondern auch auf neun Bundesländer bis hin zu Gemeinden. Was Schulärzte leisten und können müssen, entscheidet der jeweilige Dienstherr.

An den Bundesschulen, die etwa 30 Prozent der Schüler in Österreich besuchen, ist die Situation befriedigend. Pro 60 Schüler ist der Schularzt eine Wochenstunde an der Schule. Laut einer aktuellen Umfrage des Schulärztereferats der Österreichischen Ärztekammer bilden sich fünf von sechs Bundesschulärzten weiter, annähernd die Hälfte hat das Schularztdiplom.

Auch die Bezahlung an den Bundesschulen kann sich sehen lassen. Wer pro Schulwoche 15 Stunden leistet, erhält fast 30.000 Euro brutto im Jahr. Mancher Allgemeinmediziner ohne gut gehende Ordination kommt dank des Zusatzverdienstes damit über die Runden. Für manche Ärztin mit Familie ist die Anstellung beim Unterrichtsministerium ein Zweitverdienergehalt. Vier von fünf Bundesschulärzten sind Frauen.

Unter den Pflichtschulärzten sind die Männer in der Überzahl. Dabei ist die Bezahlung schlechter. Besonders für diejenigen, die ihre Aufgabe ernst nehmen: Wien honoriert seinen Schulärzten pro 100 Schüler, was der Bund für 60 zahlt. Dabei sind Gymnasiasten im Durchschnitt gesünder als Haupt- und Berufsschüler.

Die Fortbildung lässt bei den Pflichtschulärzten meist zu wünschen übrig, ihre Dienstgeber verlangen auch nicht mehr als die jährliche Reihenuntersuchung. An vielen Schulen gibt es nicht einmal ein Schularztzimmer mit entsprechender Ausstattung.

1997 ermittelte der Rechnungshof Aufwendungen für die schulärztliche Versorgung an Bundesschulen von 600 Schilling pro Schüler und Jahr gegenüber nicht einmal einem Drittel davon an Pflichtschulen. Dieses Gefälle besteht zwar noch heute, aber es gibt auch Verbesserungen. Den höchsten Standard setzt Oberösterreich. Dort wurden 2008 die Pflichtschulärzte auf einige Festangestellte reduziert, die auch gezielt weitergebildet werden: ein Beispiel, das Schule machen sollte, wie viele Experten meinen.

Unterrichts- und Gesundheitsministerium rangeln entgegen der Mahnung des Rechnungshofs noch immer um die Zuständigkeit. Die Projektgruppe "Gesunde Schule", an der sich auch der Hauptverband der Sozialversicherungen beteiligt, ist gerade verlängert worden. Dabei gilt das daraus hervorgegangene Netzwerk "gesundheitsfördernder Schulen" als Misserfolg und wurde vom Rechnungshof zur Auflösung empfohlen.

Neues System notwendig

Pilotprojekte ziehen keine Folgen nach sich und lenken nur davon ab, dass das morsche System neu aufgesetzt gehöre, meint die Wiener Gesundheitswissenschafterin Lilly Damm, ein Schülergesundheitspass nach Vorbild des Mutter-Kind-Passes hat sich als wenig sinnvoll herausgestellt (siehe Artikel unten).

Wenn nicht für mehr Untersuchungen, wozu soll die schulärztliche Versorgung überhaupt verbessert werden? Lilly Damm denkt da an schwierige Schüler, die an vielen Schulen abgeschoben werden. Dass chronisch kranke Schüler nicht überfordert werden, könne nur ein präsenter Schularzt in Gesprächen mit Lehrern sicherstellen, ergänzt der niederösterreichische Landesschulrat Erich Robetin. Ansonsten verstehe er sich als Arbeitsmediziner: Schule selbst darf nicht krank machen. (Stefan Löffler, DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2009)